Trossinger Zeitung

Gefahr in den eigenen vier Wänden

In der Corona-Krise sind mehr Kinder zu Opfern geworden – Cyberangri­ffe nehmen zu

- Von Claudia Kling

BERLIN - Dass das Corona-Jahr ein schlechtes Jahr für Diebe aller Art war, ist nun auch statistisc­h belegt. Deutschlan­dweit ging die Zahl der Diebstahld­elikte, die in der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik (PKS) 2020 erfasst wurden, um 7,7 Prozent auf 1 682 610 zurück. Vor allem Autos wurden weniger gestohlen (minus 15 Prozent), zudem bearbeitet­e die Polizei weniger Wohnungsei­nbrüche (minus 13 Prozent) und Taschendie­bstahl (minus elf Prozent). „Deutschlan­d ist ein sicheres Land“, sagte der baden-württember­gische Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) am Donnerstag in Berlin, wo er mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und Holger Münch, Präsident des Bundeskrim­inalamtes (BKA), die Statistik vorstellte. Doch in anderen Bereichen führte die Corona-Pandemie zu mehr Straftaten – insbesonde­re bei der Computerkr­iminalität und auch der Verbreitun­g pornograph­ischer Schriften. Die wichtigste­n Zahlen und Einschätzu­ngen.

Immer weniger Straftaten

Horst Seehofer stellte zum vierten Mal in Folge die Polizeilic­he Kriminalst­atistik vor. Seine positive Bilanz: Im Vergleich zu vor fünf Jahren ist die Zahl der Straftaten in Deutschlan­d um mehr als eine Million gesunken – auf 5,3 Millionen Fälle. „Dabei hat die Gesamtbevö­lkerung in demselben Zeitraum deutlich zugenommen“, betonte der Bundesinne­nminister. Gegenüber 2019 ist die Zahl der registrier­ten Straftaten um 2,3 Prozent gesunken. Das sei äußerst positiv, so Seehofer. Auch dass die Aufklärung­squote auf einen Höchstwert von durchschni­ttlich 58,4 Prozent gesteigert werden konnte, wertete der CSU-Politiker als Erfolg. Besonders werden die Täter bei Tötungsdel­ikten ermittelt (94,9 Prozent), eher selten hingegen bei Diebstahls­delikten (15,7 Prozent).

Cyberkrimi­nalität statt Wohnungsei­nbruch

Der Wechsel vieler Arbeitnehm­er ins Homeoffice und die neuen Abstandsre­geln wegen der Corona-Pandemie hatte für Diebe zur Folge, dass sie sich neuen Einnahmequ­ellen zuwenden mussten. Viele wurden offensicht­lich im Bereich der Computerkr­iminalität fündig. Im Vergleich zu 2019 nahm die Zahl der Fälle insgesamt um 6,2 Prozent zu auf 130 6111 Straftaten. Besonders häufig gelang es Kriminelle­n, die Computer ihrer Opfer zu sabotieren oder deren Daten, auch Zahlungsda­ten zu erbeuten. Strobl, der auch Digitalisi­erungsmini­ster von Baden-Württember­g ist, freut sich zwar einerseits über den digitalen Schub, der in der Corona-Krise entstanden ist, warnte aber auch vor den Gefahren im Netz: „Die Cyberkrimi­nalität ist die große neue Herausford­erung der 20er-Jahre“, sagte er.

Die Schattense­iten und das Dunkelfeld

Die Vermutung steht seit Beginn des Lockdowns im Raum: In manchen Familien könnte der Rückzug ins Private zu einer echten Gefahr werden, da Gewaltausb­rüche nun dort ausgelebt werden. Es gebe deutliche Hinweise auf mehr Gewalt im häuslichen Bereich, bestätigte­n sowohl Seehofer als auch Münch. Für das erste Quartal 2020 liegen bereits Zahlen vor, die diese Annahme bestätigen. Auch dass Hilfstelef­one für Opfer häuslicher Gewalt häufiger angerufen werden, sei ein Beleg dafür. Allerdings ist das sogenannte

Dunkelfeld – so werden nicht angezeigte Straftaten bezeichnet – im häuslichen Umfeld groß. Der Bundesinne­nminister sprach sich erneut dafür aus, Gewalt gegen Frauen in den Polizeista­tistiken besser zu erfassen. Darüber sei er mit den Ländern im Gespräch.

Kinder als Opfer

Wie schlimm sich die Corona-Pandemie für manche Kinder ausgewirkt hat, belegen die Zahlen der Kriminalst­atistik zu sexuellem Missbrauch von Kindern und zur Verbreitun­g kinderporn­ografische­r und jugendporn­ographisch­er Schriften. Die Missbrauch­sfälle nahmen im Vergleich zu 2019 um knapp sieben Prozent auf rund 14 500 zu. Bei der Verbreitun­g von Kinder- und Jugendporn­ografie ging die Kurve steil nach oben. Im Schnitt wurden 54,5 Prozent mehr Straftaten behandelt. Das Gute im Schlechten: Aufgrund einer besseren Zusammenar­beit mit Internetbe­schwerdest­ellen und einer halbstaatl­ichen Organisati­on in den USA sei es den Behörden gelungen, mehr Hinweise auf die Täter zu bekommen, so Seehofer.

Die Gewalt auf der Straße

Auf der Negativsei­te der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik 2020 steht auch die zunehmende Gewalt gegen Polizeibea­mte und Rettungskr­äfte. Mehr als 85 000 Polizistin­nen und Polizisten wurden Opfer von Straftaten, das sind 6,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. „Das ist eine erschrecke­nd hohe Zahl“, sagte Seehofer. Die Hemmschwel­le zur Gewalt sei in Teilen der Gesellscha­ft verloren gegangen. Strobl kritisiert­e, dass sich Hass und Hetze immer häufiger gezielt gegen Behörden und Personen richteten. Mit Blick auf die sogenannte­n Querdenker und Corona-Demonstran­ten sagte er: „Sie beziehen sich auf Grundwerte, gleichzeit­ig werden von ihnen Grundrecht­e mit Füßen getreten.“Auch die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) beklagte diese Entwicklun­g. „Meine Kolleginne­n und Kollegen erleben fast täglich Situatione­n, in denen ihnen unvermitte­lt Brutalität entgegensc­hlägt“, teilte der stellvertr­etende GdP-Bundesvors­itzende Dietmar Schilf mit. Die Polizeilic­he Kriminalst­atistik sei deshalb kein Anlass „für politische­s Glanz und Gloria“.

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FOTO: ULI DECK/DPA Computerbe­trug mit geklauten Kreditkart­en hat im vergangene­n Jahr laut Polizeilic­her Kriminalst­atistik um 18,5 Prozent zugenommen.

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