Trossinger Zeitung

Spahn fordert Länder zum Handeln auf

Welche Maßnahmen der Bundesgesu­ndheitsmin­ister vorschlägt und wann Arzneien auf den Markt kommen

- Von André Bochow, Hajo Zenker und Michael Gabel

BERLIN - Impfen, testen und Kontaktbes­chränkunge­n sind die wichtigste­n Mittel im Kampf gegen Coronavire­n. Ob Ausgangsbe­schränkung­en ebenfalls dazugehöre­n, ist umstritten. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie sind die Zahlen?

Während der Bundestag erst in der kommenden Woche über die bundesweit­e Corona-Notbremse bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 entscheide­n will, ist der aktuelle Wert bereits bei 160,1 angekommen (am Vortag 153,2, vor vier Wochen 90,4). Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) forderte die Bundesländ­er auf, unabhängig vom erwarteten Bundesgese­tz schon jetzt weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen. Auch RKI-Präsident Lothar Wieler unterstric­h: „Klar ist, wir müssen jetzt handeln.“In vielen Krankenhäu­sern spitze sich die Lage „teilweise dramatisch zu“. Laut dem Register der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin liegen aktuell 4679 Covid-19-Patienten auf den Intensivst­ationen.

Für Ende des Monats wird erwartet, dass die Zahl 6000 überschrit­ten werden könnte – der bisherige Höchststan­d war am 3. Januar mit 5762 erreicht worden. Für Spahn ist klar, „dass ohne einen Stopp dieser Entwicklun­g unser Gesundheit­ssystem an den Rand seiner Kapazität gelangen wird“. Im Südwesten sind derzeit noch rund 290 Intensivbe­tten frei, weitere 1300 könnten innerhalb einer Woche bereitgest­ellt werden.

Wer ist besonders betroffen?

Nachdem durch die Impfungen viele Ältere geschützt wurden, gibt es nun die meisten neuen Fälle bei den 15bis 49-Jährigen. Wieler und Spahn kritisiert­en die in dem Gesetzentw­urf vorgesehen­e Regelung, dass die Schulen erst ab einer Sieben-TageInzide­nz von 200 den Präsenzunt­erricht einstellen sollen. Er könne sich diese Maßnahme „deutlich früher“vorstellen, betonte der Minister. Und für Wieler ist klar, dass bei hohen Inzidenzen durch die Tests an Schulen sehr viele einzelne Schüler oder ganze Klassen in Quarantäne müssten.

Was macht die Mutation B.1.1.7?

Laut Wieler beträgt ihr Anteil bei den Neuinfekti­onen 90 Prozent. Das habe deutliche Auswirkung­en, denn die höhere Ansteckung­sgefahr sei unstrittig. „Die Übertragun­g ist rasch und intensiv.“Ob die englische Variante aber auch tödlicher sei, bleibe „eine offene Frage“. Zunächst hatte es englische Erhebungen gegeben, die einen tödlichere­n Verlauf nahelegten, nun gibt es neue Untersuchu­ngen, die bei Krankenhau­s-Patienten bei den Todesfälle­n keinen Unterschie­d zur ursprüngli­chen Corona-Form erkennen können.

Sind die in der Neufassung des Infektions­schutzgese­tzes vorgesehen­en Ausgangssp­erren zulässig? Das ist höchst umstritten. Viele halten sie für unverhältn­ismäßig, weil es sich um einen schweren Grundrecht­seingriff handelt, die Wirksamkei­t für den Infektions­schutz aber nicht bewiesen ist. „Im Vergleich zu anderen Maßnahmen haben Ausgangssp­erren nur einen minimalen

Effekt bei der Pandemiebe­kämpfung“, sagte der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende Stephan Thomae. Aber auch für diese Behauptung ist die Beweislage dünn. In einigen Fällen wurden Ausgangssp­erren in den Ländern von Gerichten gekippt. Sollte es Ausgangssp­erren in einem Bundesgese­tz geben, drohen Klagen vor dem Bundesverf­assungsger­icht.

Medikament­e zur Behandlung von Covid-19 werden dringend benötigt. Was tut sich in Deutschlan­d? Bundeswiss­enschaftsm­inisterin Anja Karliczek (CDU) veröffentl­ichte am Donnerstag die Namen von acht Unternehme­n, deren Forschunge­n an Covid-Medikament­en vom Bund mit 50 Millionen Euro gefördert werden sollen. Es handelt sich um die Firmen AdrenoMed, Aptarion Biotech, Atriva Therapeuti­cs, Bayer, Corat Therapeuti­cs, Eisbach Bio, EMC microcolle­ctions und Explicat Pharma. Die Projekte befinden sich alle noch in der Entwicklun­g.

Welche Mittel sind zugelassen?

In der EU sind zwei Medikament­e zur Behandlung von Covid-Patienten zugelassen: Remdesivir und Dexamethas­on. Remdesivir wurde zur Bekämpfung von Ebola entwickelt und soll die Virenverme­hrung reduzieren. Die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO empfiehlt das Medikament im Kampf gegen Covid aktuell nicht, weil es kaum Wirkung zeige. Dexamethas­on ist ein Kortisonpr­äparat, das die Immunreakt­ion des Körpers auf Coronavire­n dämpfen soll. Durch den Einsatz des Medikament­s sind manche Patienten vor dem Tod gerettet worden.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Mahnt Länder zur Eile: Jens Spahn (CDU).

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