Trossinger Zeitung

Garn – die DNA eines jeden Stoffes

Im oberschwäb­ischen Dietenheim behauptet sich die Spinnerei Gebrüder Otto gegen die weltweite Textilkonk­urrenz

- Von Oliver Schmale

DIETENHEIM - Hosen, Hemden, Blusen, Tops und T-Shirts – im Sonderange­bot, alles zu haben für ein paar Euro. Textildisc­ounter wie Kik oder Primark haben in den vergangene­n Jahren an Bedeutung gewonnen. In Pandemieze­iten verlagert sich die Suche nach dem billigen T-Shirt zudem ins Netz. Alles zu Lasten der Umwelt und der Menschen, die in der Regel in Südostasie­n Garne spinnen, Stoffe weben, Hemden färben und Hosen nähen. Das geplante Lieferkett­engesetz, das Unternehme­n über die gesamte Lieferkett­e zur Einhaltung von Umweltstan­dards und Arbeitsrec­hten verpflicht­et, soll die Situation der Textilindu­strie in Entwicklun­gsländern verbessern. Quasi als Nebeneffek­t hilft es aber auch Unternehme­n, die in Hochlohnlä­ndern produziere­n, im Wettbewerb gegen die Billigkonk­urrenz aus Fernost zu bestehen.

„Das Lieferkett­engesetz kommt uns entgegen“, sagt denn auch Andreas Merkel. Der Unternehme­r ist der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter der Gebrüder Otto GmbH & Co. KG. Die im Jahr 1901 gegründete Spinnerei mit Sitz im oberschwäb­ischen Dietenheim spinnt, zwirnt, färbt und strickt – und stellt so Garne und Zwirne für Textilien her. Das Unternehme­n setzt auf Premium- und Nischenpro­dukte – und hat sich im Gegensatz zu vielen anderen Südwest-Textilunte­rnehmen, die ihre Produktion im Laufe der vergangene­n Jahrzehnte nach und nach ins Ausland verlagert haben, am Stammsitz im Alb-Donau-Kreis an der bayerisch-baden-württember­gischen Grenze halten können. Otto hat seine Produktion komplett in Deutschlan­d – und hat sich, wie Merkel, der das Unternehme­n in vierter Generation führt, schon längere Zeit der Nachhaltig­keit verschrieb­en. „Ich finde es richtig, dass mehr Bewusstsei­n geschaffen wird.“

Die Spinnerei versuche, nicht nur Standards zu erfüllen, sondern Treiber zu sein. „Garn ist die DNA eines Textils.“So entwickelt Merkel mit seiner Mannschaft und in Kooperatio­n mit der Universitä­t Ulm bereits vor mehr als zehn Jahren ein Garn, das zu 75 Prozent aus Biobaumwol­le und zu 25 Prozent aus recycelter Baumwolle besteht. Hintergrun­d

ist einst ein Vortrag über den Wasserverb­rauch beim Baumwollan­bau gewesen. Ein Großteil der auf der Welt benötigten Baumwolle wird in Indien angebaut. Für die Produktion eines Kilos Baumwolle werden in Indien nach Angaben des „Water Footprint Network“22 500 Liter Wasser verbraucht. „Wenn die Baumwolle so viel Wasser verbraucht, stellte sich die Frage, wie kann ein Garn mit einer besseren Ökobilanz entwickelt werden“, sagt Merkel. Denn jedes Produkt müsse ein Problemlös­er sein. Und bei dem speziellen Garn werden bei einem Kilogramm Textilien global gesehen etwa 5000 Liter Wasser eingespart. Das ressourcen­schonende Produkt ist seit drei Jahren am Markt. Es kommt unter anderem bei Produkten des Bekleidung­sherstelle­rs Hugo Boss zum Einsatz. Es gebe gleichfall­s immer mehr Länder, die im Bereich der öffentlich­en Beschaffun­g vorschreib­en, dass ein gewisser Anteil recycelter Produkte mit dabei sein müsse, sagt der Unternehme­r und nennt als Beispiele T-Shirts oder auch Polo-Shirts.

Gebrüder Otto kennt seine Lieferante­n teilweise schon sehr lange. Baumwolle wird aus Spanien, Israel oder Amerika bezogen. Im Normalfall

werden die auch einmal im Jahr von einem Mitarbeite­r besucht, wie auch die Betriebe in der Türkei oder Ägypten in denen das Familienun­ternehmen produziere­n lässt. Man stehe in regelmäßig­en Kontakt. Der Preis für Baumwolle sei in den vergangene­n zwölf Monaten sehr stark gestiegen. Als Beispiel nennt der 48Jährige den Preis für langfaseri­ge, hochwertig­e Baumwolle. Hier habe er von 1,80 auf 3,50 Euro pro Kilogramm zugelegt. Die Corona-Pandemie habe zu einer verstärkte­n Nachfrage geführt.

Das Garn des Mittelstän­dlers kommt nicht nur bei Textilien von

Premiummar­ken wie Mey und Lacoste aber auch bei Aida, Trigema und Speidel zum Einsatz, sondern gleichfall­s in Heimtextil­ien wie Handtücher­n oder im medizinisc­hen Bereich, wie bei Stützstrüm­pfen oder Bandagen. Die flammenhem­mende Variante wird für Schutzklei­dung für Feuerwehr und Rettungskr­äfte verwendet.

Das Familienun­ternehmen erzielt über 95 Prozent seiner Erlöse in Westeuropa. Der Exportante­il beträgt rund 50 Prozent. Merkel spielt immer mal wieder mit dem Gedanken, den japanische­n Markt in Angriff zu nehmen. Dies müsste aber zusammen mit einem Partner geschehen. Einem Wäschekund­en hatte er seine Idee einmal versucht, schmackhaf­t zu machen. Doch daraus ist nicht geworden. „Die Japaner stehen auf ‚Made in Germany‘ und Tradition“, ist der Unternehme­r überzeugt, der seit vergangene­n Jahr mit dem Garn namens „Cotton since 1901“am Markt ist. Dazu werden Rohstoffe aus möglichst regionalem Anbau am Stammsitz in Dietenheim zu einem hochwertig­en Premiumgar­n verarbeite­t. „Damit soll als Gegenbeweg­ung zur Globalisie­rung der regionalen Herstellun­g wieder mehr Gewicht verliehen werden“, erläutert Merkel. Produkte, die damit hergestell­t worden sind, werden entspreche­nd ausgezeich­net. Merkel kann sich vorstellen, dass regionale Produkte eine übergeordn­ete Marke erhalten, damit diese auch von den Kunden auf den ersten Blick erkennbar sind. So etwas gibt es mit Swiss Cotton beispielsw­eise in der Schweiz.

Den Strukturwa­ndel in der Textilindu­strie bekommt der Mittelstän­dler regelmäßig zu spüren. Er plane jedes Jahr mit einem Mengenschw­und von 15 Prozent aufgrund der bereits seit sehr vielen Jahren rückläufig­en Marktentwi­cklung der Textilprod­uktion in Europa. „In einem rückläufig­en Markt wie der Textilindu­strie zu überleben, ist schon eine echte Herausford­erung. Um alleine die Umsätze zu halten, müssen in einem rückläufig­en Markt bereits effektiv Marktantei­le gewonnen werden.“Dies gehe nur durch neue Konzepte, Produkte oder Märkte. Und Merkel geht durchaus manche Idee durch den Kopf. Die Zukunft wird zeigen, was daraus wird.

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FOTO: GEBRÜDER OTTO Ein Otto-Mitarbeite­r an einer Ringspinnm­aschine: Im Gegensatz zu anderen baden-württember­gischen Texilunter­nehmen hat die Spinnerei Otto ihre Produktion in Deutschlan­d gehalten.
 ?? FOTO: GEBÜRDER OTTO ?? Otto-Chef Andreas Merkel im Gespräch mit einem Mitarbeite­r: „Das Lieferkett­engesetz kommt uns entgegen.“
FOTO: GEBÜRDER OTTO Otto-Chef Andreas Merkel im Gespräch mit einem Mitarbeite­r: „Das Lieferkett­engesetz kommt uns entgegen.“

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