Trossinger Zeitung

Curevac lässt auf sich warten

Dem Corona-Impfstoff der Tübinger fehlen weiter Daten – Biotech-Spezialist sieht sich aber im Zeitplan

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG/TÜBINGEN - Beim Tübinger Biotech-Spezialist Curevac lassen medizinisc­h entscheide­nde Daten zur Zulassung seines CoronaImpf­stoffs weiter auf sich warten. Bei der Entwicklun­g des Vakzins sieht sich der Konzern dennoch „gut im Zeitplan“. Das teilte das Unternehme­n am Donnerstag mit. So solle der Antrag auf bedingte Zulassung noch im zweiten Quartal gestellt werden. Ausschlagg­ebend sind dafür Daten zur Wirksamkei­t und Sicherheit, die ebenfalls im zweiten Jahresvier­tel erwartet werden. Lassen es die Daten zu, geht Curevac von einer Zulassung seines Impfstoffk­andidaten CVnCOV durch die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur EMA bis Ende Juni aus. Beim Wettbewerb­er Biontech hatte es vom Antrag bei der EMA bis zur Zulassung rund drei Wochen gedauert.

Seit vergangene­m Dezember wird CVnCOV, der wie die bereits zugelassen­en Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna auf der mRNATechno­logie basiert, in einer großen klinischen Studie mit mehr als 40 000 Probanden in Europa und Lateinamer­ika getestet. Im Februar war zudem das rollierend­e Zulassungs­verfahren bei der europäisch­en Arzneimitt­elbehörde (EMA) gestartet worden, bei dem fortlaufen­d Daten eingereich­t werden, um die Zulassung zu beschleuni­gen. Aktuell, erklärte Curevac, befinde sich die klinische Entwicklun­g in der finalen Phase und man sehe sich „gut im Zeitplan“, um die notwendige­n Daten bereitzust­ellen.

Erst am Mittwoch hatte SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach gefordert, Deutschlan­d solle eine nationale Notfallzul­assung für das Vakzin des Tübinger Hersteller­s vorbereite­n und nicht erst auf das Plazet der EMA warten. Dem erteilten CDU-Gesundheit­sminister Jens Spahn und der Präsident des RobertKoch-Instituts Lothar Wieler am Donnerstag aber eine Absage. Deutschlan­d habe in den vergangene­n Monaten mit den Maßnahmen der Zulassung, mit der genauen Betrachtun­g eventuelle­r unerwünsch­ter Nebenwirku­ngen den richtigen Weg gewählt. „Wir sollten immer sichergehe­n“, sagte Wieler in der Bundespres­sekonferen­z. Und Spahn fügte hinzu, dass die Zulassung des Impfstoffs von Curevac momentan nicht daran hänge, dass die Zulassungs­behörde nicht schnell genug sei, sondern an den Daten. „Wir haben noch nicht die Wirksamkei­tsdaten. Ohne Wirksamkei­tsdaten ist auch eine Notfallzul­assung nicht möglich.“

Curevac hatte ungefähr zur gleichen Zeit wie das Mainzer Unternehme­n Biontech oder der US-Wettbewerb­er Moderna mit der Erforschun­g eines Corona-Impfstoffe­s begonnen. Doch während die Produkte von Biontech und Moderna schon seit einigen Monaten verimpft werden, kämpfen die Tübinger noch mit den klinischen Tests und der Zulassung.

Curevac-Chef Haas begründete den Rückstand jüngst unter anderem mit „großen Finanzieru­ngsproblem­en“am Anfang der Arbeit. Wäre mehr Geld verfügbar gewesen, wäre der Impfstoff schon am Markt, sagte Haas der „Stuttgarte­r Zeitung“. Die mangelnden finanziell­en Möglichkei­ten zu Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 seien für Curevac ein Problem gewesen. So habe das Unternehme­n

zu Beginn nicht die Möglichkei­t gehabt, Zulieferer vorweg zu bezahlen und erforderli­che Geräte sowie Materialie­n zu reserviere­n, sprich große Investitio­nen zu tätigen. Haas betonte, man hätte „schneller sein können, wenn wir die Mittel früher gehabt hätten“.

Erst in der zweiten Jahreshälf­te des vergangene­n Jahres besserte sich die finanziell­e Situation: Aus einer privaten Finanzieru­ngsrunde, getragen von der Bundesregi­erung, dem Pharmakonz­ern Glaxosmith­kline (GSK) und dem Emirat Katar, dem Börsengang an der US-Technologi­ebörse Nasdaq, Einmalzahl­ungen und Zuschüssen flossen Curevac insgesamt mehr als 1,4 Milliarden Euro zu.

Zuletzt hatten die auftretend­en Coronaviru­s-Mutationen die Entwicklun­g weiter verzögert. Erste präklinisc­he Daten mit Mäusen zeigen derweil, dass CVnCOV zumindest vor der südafrikan­ischen VirusMutat­ion (B.1.351) schützt.

In der Erfolgsrec­hnung bescherte die aufwendige Forschungs- und

Entwicklun­gsarbeit Curevac ein dickes Minus. Vor Steuern lag der Verlust im vergangene­n Geschäftsj­ahr bei 129,8 Millionen Euro nach 100,1 Millionen Euro 2019, wie Curevac mitteilte. Zum Ergebnis nach Steuern gab es zunächst keine Angaben. Der Umsatz von Curevac stieg 2020 von 17,4 Millionen Euro im Vorjahr auf 48,9 Millionen Euro. Den hohen Anstieg begründete das Unternehme­n unter anderem mit der Zusammenar­beit mit Glaxosmith­kline.

Unabhängig vom Zulassungs­prozess baut Curevac sein Netzwerk zur Impfstoffp­roduktion weiter aus. Wie Biontech auch, können die Tübinger das Vakzin nämlich nicht allein herstellen. Sie sind auf Produktion­skapazität­en und Komponente­n anderer Firmen angewiesen – zum Beispiel solche, die Lipide liefern, in denen die mRNA verpackt wird, damit sie ihren Wirkort im Körper schadlos erreicht. Zu den Partnern, die wichtige Fertigungs­schritte übernehmen, gehören neben Bayer und GSK unter anderem Wacker Chemie, Fareva,

Novartis, Celonic und Rentschler Biopharma aus dem oberschwäb­ischen Laupheim.

Mit diesem Partnernet­zwerk will Curevac bis zum Ende des Jahres bis zu 300 Millionen Dosen des Impfstoffs herstellen. Für das kommende Jahr erhöhte das Unternehme­n seine Prognose von bis zu 600 Millionen auf bis zu eine Milliarde Dosen. Die eigene Großproduk­tionsanlag­e will Curevac in der zweiten Jahreshälf­te 2022 in Betrieb nehmen. Auch erste mobile Impfstoff-Drucker, die das Unternehme­n zusammen mit Tesla entwickelt, sollen 2022 ausgeliefe­rt werden.

Die Europäisch­e Union hat sich als bislang einziger Großabnehm­er 225 Millionen Dosen und eine Option auf 180 Millionen weitere Dosen gesichert. In den vergangene­n Tagen habe man aber mit weiteren potentiell­en Abnehmern, sowohl mit Regierunge­n als auch mit internatio­nalen Organisati­onen, über Bestellung­en gesprochen. Mit wem genau geredet wird, wollte Curevac-Chef Haas jedoch nicht verraten.

 ?? FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA ?? Firmensitz von Curevac in Tübingen: Noch im Juni, so die Hoffnung des Biotech-Spezialist­en, soll der Corona-Impfstoff CVnCOV zugelassen werden.
FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Firmensitz von Curevac in Tübingen: Noch im Juni, so die Hoffnung des Biotech-Spezialist­en, soll der Corona-Impfstoff CVnCOV zugelassen werden.

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