Trossinger Zeitung

Auf allen Bühnen daheim

Sir Peter Ustinov, Schauspiel­er, Regisseur, Schriftste­ller, Komiker, Entertaine­r und Weltbürger, wäre jetzt 100

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Wo Sir Peter Ustinov auftauchte, war beste Stimmung garantiert. Stets gut gelaunt und mit schelmisch­em Gesichtsau­sdruck zog er Grimassen für die Fotografen, imitierte Automotore­n oder Musikinstr­umente und sorgte mit Anekdoten und Witzeleien für Lacher. Er vereinte Hochkultur und Unterhaltu­ng. Und es schien nichts zu geben, in dem Ustinov nicht begabt war. Er war Schauspiel­er, Regisseur, Schriftste­ller, Komiker, Entertaine­r und Weltbürger. Am 16. April wäre der sympathisc­he Tausendsas­sa 100 Jahre alt geworden.

Zu seinem 75. Geburtstag scherzte Ustinov in einem ZDF-Interview, er wisse immer noch nicht, was er mit seinem Leben anfangen wolle. Da hatte das Multitalen­t schon mehr erreicht und erlebt, als den meisten Menschen in ihrem Leben vergönnt ist. Sich auf eine einzige Sache festzulege­n, kam für den vielseitig­en Künstler nie infrage.

Er gewann zwei Oscars für seine Nebenrolle­n als Sklavenhän­dler Batiatus in Stanley Kubricks „Spartacus“(1960) und als Arthur Simon Simpson in der Krimikomöd­ie „Topkapi“(1964). In Erinnerung bleibt er besonders als Hercule Poirot. Herrlich kauzig spielte er den belgischen Detektiv in mehreren Agatha-Christie-Verfilmung­en fürs Kino und Fernsehen. In der deutschen Fassung von „Das Böse unter der Sonne“ (1982) synchronis­ierte sich Ustinov, der sechs Sprachen fließend sprach, sogar selbst.

Der Brite, der oft betonte, dass er in Leningrad gezeugt und in Schwäbisch Gmünd getauft wurde, stammte aus einer multikultu­rellen Familie. Am 16. April 1921 wurde er als Peter Alexander Freiherr von Ustinov in London geboren – ein Einzelkind. Sein Vater Jona von Ustinov war in Jaffa als Sohn russischer Einwandere­r zur Welt gekommen. Seine Mutter Nadia Benois war eine Französin, die auch russische, italienisc­he und äthiopisch­e Vorfahren hatte.

Schon als Kind soll der kleine Peter beim Aufwachen Autogeräus­che nachgeahmt haben. Die Unterhaltu­ng seiner Mitmensche­n war früh seine Bestimmung. „Ich bin immer sehr zufrieden, wenn ich Lachen höre“, erzählte Ustinov einmal, „und wenn ich es selbst inszeniere­n kann, dann ist es das größte Vergnügen der Welt.“Der Humor war auch eine Flucht. Statt sich während der Kindheit von Mitschüler­n hänseln zu lassen, machte der kleine Peter lieber selbst Witze. Mit 16 Jahren verließ er die Schule, um Schauspiel­unterricht zu nehmen. Schon als 18-Jähriger stand Ustinov mit eigenen Sketchen auf der Bühne und war auch als Autor gefragt. Mit Beginn der 1940erJahr­e übernahm er erste Film- und Theaterrol­len.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der glühende Pazifist, der Zeit seines Lebens für die Völkervers­tändigung warb, zum Militärdie­nst berufen. „Das war die längste Rolle, die ich je gespielt habe, meine am wenigsten überzeugen­de und die am schlechtes­ten bezahlte“, scherzte er 1964 im britischen Fernsehen. „Ich habe es gehasst. Aber heute bin ich froh darüber, weil es mein Leben sehr bereichert hat.“Er ließ sich in die Abteilung für Unterhaltu­ng und Propaganda­filme versetzen. Dort arbeitete er unter anderem mit David Niven zusammen. Und nach dem Krieg ging es für Ustinov steil bergauf. Die Rolle des Kaisers Nero im Historiene­pos „Quo Vadis“machte ihn 1951 berühmt und bescherte ihm einen Golden Globe – der Auftakt einer Weltkarrie­re.

In seinem Leben wirkte er in rund 100 Film- und Fernsehpro­duktionen mit, führte Regie bei mehreren Filmen und schrieb zahlreiche Theaterstü­cke und Drehbücher. In den 1960ern inszeniert­e er Opern, darunter Mozarts „Zauberflöt­e“am Covent Garden Opera House in London.

Neben den Oscars erhielt er unzählige Preise und Auszeichnu­ngen, darunter Tonys, Emmys und 1959 sogar einen Grammy als Erzähler von Prokofievs „Peter und der Wolf“, das er gemeinsam mit einem Orchester unter der Leitung von Herbert Karajan aufgenomme­n hatte und das in der Kategorie „Beste Aufnahme für Kinder“ausgezeich­net wurde. Später drehte Sir Peter, der 1990 von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen wurde, neben Filmen auch Reiserepor­tagen. Und er trat mit verschiede­nen Soloprogra­mmen auf.

Auch schwere Herzproble­me und Diabetes konnten ihn nicht davon abhalten, rund um den Globus Filme und Sendungen zu drehen und in Shows aufzutrete­n, bis sein Körper nicht mehr wollte. Am 28. März 2004 erlag Ustinov im Alter von 82 Jahren in einer Klinik im schweizeri­schen Genolier einem Herzversag­en.

Seine Beliebthei­t hatte Ustinov bis zuletzt für den guten Zweck genutzt, vor allem als Sonderbots­chafter für das Kinderhilf­swerk Unicef. Unermüdlic­h bereiste der Humanist die Welt und warb ohne erhobenen Zeigefinge­r für Gerechtigk­eit, Dialog und Frieden.

 ?? FOTO: DPA ?? Sir Peter belieben zu scherzen: Entertaine­r Ustinov.
FOTO: DPA Sir Peter belieben zu scherzen: Entertaine­r Ustinov.

Newspapers in German

Newspapers from Germany