Hausarzt empört über „leere Versprechungen“
16 Impfstoffdosen für eine Woche – Patienten sind verunsichert
VILLINGEN-SCHWENNINGEN (sbo) - Seit gut einer Woche sind neben den Impfzentren auch die Hausärzte flächendeckend in das Verimpfen der Corona-Vakzine eingestiegen. Ein Anfang, um endlich mehr Tempo in der Impfstrategie zu schaffen – so schien es zumindest zunächst.
Eckhard Britsch, Hausarzt in VSSchwenningen, fühlt sich „an der Nase herumgeführt“. Das Impfen durch die niedergelassenen Ärzte sei nicht der erhoffte Lichtblick für das Impfchaos. Grund hierfür ist nicht etwa eine fehlende Bereitschaft zum Impfen – ganz im Gegenteil: Britsch kritisiert die geringe Menge an Vakzinen, die den Hausarztpraxen wöchentlich zur Verfügung gestellt werden. Die Empörung des Hausarztes war groß, als er erfuhr, das seine Praxis für die kommende Woche mit nur sechs Dosen
des Biontech-Impfstoffs und zehn Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs beliefert werden soll. „Insgesamt 16 Impfstoffdosen für eine Woche – das ist völliger Wahnsinn“, so der Schwenninger Arzt.
Von Woche zu Woche sei die gelieferte Menge weniger geworden. Anfangs habe die Praxis 30 Vakzine erhalten. In der dritten Wochen nur noch etwa die Hälfte. „Die Versprechen von Spahn und Co. in der Presse machen mich wütend“, so der Hausarzt. „Die Politiker stehen hin und sprechen von über 50 Millionen neuen Lieferungen“. Doch an der Front in den Arztpraxen sei davon nichts zu spüren. Rund 250 Menschen hat Britsch bereits auf seiner Warteliste. In der Öffentlichkeit sprechen Politiker von Impfungen für Menschen ab 60, so Britsch – zeitgleich warten in den Hausarztpraxen etliche Patienten über 80 auf ihre erste Impfung.
Doch auch die wenigen Vakzine, die zur Verfügung stehen, seien schwierig zu vermitteln – schuld daran ist das fehlende Vertrauen der Patienten in Astrazeneca. Man könne sich den Impfstoff zwar nicht aussuchen, jedoch besteht die Möglichkeit, diesen abzulehnen. „Ich hätte große Lust, den gesamten Impfstoff wieder zurück zu schicken“, scherzt Britsch – denn der Aufwand, der mit der Terminvergabe und dem Verimpfen zusammenhänge, sei für die geringe Menge an gelieferten Vakzinen viel zu groß. „Es ist sehr traurig, wenn man nicht anbieten kann, was man gerne anbieten würde.“Denn die Impfungen nehmen wesentlich mehr Zeit in Anspruch, als eine normale Grippeimpfung. „Die Impfungen können in den normalen Alltag nicht eingebunden werden“, erzählt der Hausarzt. Drei bis vier Stunden werden an einem Impftag zusätzlich aufgebracht. Die Patienten werden in Sechser-Gruppen geimpft und müssen anschließend nachbeobachtet werden.
Auch der bürokratische Aufwand sei bei den Covid-Impfungen wesentlich höher. So habe die Praxis nicht einmal die Sticker für die Impfpässe geliefert bekommen – jede Impfung müsse von Hand eingetragen werden. Einige Patienten seien verunsichert gewesen und haben sich laut Aussagen von Britsch die Frage gestellt, ob das als Impfnachweis überhaupt gültig sei. Der Hausarzt ist empört über die Politik und deren „leere Versprechungen.“Tagtäglich sei die Praxis damit beschäftigt Patienten zu beruhigen, die ungeduldig auf einen Impftermin warten. Bisher zeigen die Patienten noch Verständnis, berichtet der Hausarzt im Gespräch. „Ich befürchte, dass die Stimmung bald kippen wird.“