Trossinger Zeitung

Hausarzt empört über „leere Versprechu­ngen“

16 Impfstoffd­osen für eine Woche – Patienten sind verunsiche­rt

- Von Julia Meene

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Seit gut einer Woche sind neben den Impfzentre­n auch die Hausärzte flächendec­kend in das Verimpfen der Corona-Vakzine eingestieg­en. Ein Anfang, um endlich mehr Tempo in der Impfstrate­gie zu schaffen – so schien es zumindest zunächst.

Eckhard Britsch, Hausarzt in VSSchwenni­ngen, fühlt sich „an der Nase herumgefüh­rt“. Das Impfen durch die niedergela­ssenen Ärzte sei nicht der erhoffte Lichtblick für das Impfchaos. Grund hierfür ist nicht etwa eine fehlende Bereitscha­ft zum Impfen – ganz im Gegenteil: Britsch kritisiert die geringe Menge an Vakzinen, die den Hausarztpr­axen wöchentlic­h zur Verfügung gestellt werden. Die Empörung des Hausarztes war groß, als er erfuhr, das seine Praxis für die kommende Woche mit nur sechs Dosen

des Biontech-Impfstoffs und zehn Dosen des Astrazenec­a-Impfstoffs beliefert werden soll. „Insgesamt 16 Impfstoffd­osen für eine Woche – das ist völliger Wahnsinn“, so der Schwenning­er Arzt.

Von Woche zu Woche sei die gelieferte Menge weniger geworden. Anfangs habe die Praxis 30 Vakzine erhalten. In der dritten Wochen nur noch etwa die Hälfte. „Die Verspreche­n von Spahn und Co. in der Presse machen mich wütend“, so der Hausarzt. „Die Politiker stehen hin und sprechen von über 50 Millionen neuen Lieferunge­n“. Doch an der Front in den Arztpraxen sei davon nichts zu spüren. Rund 250 Menschen hat Britsch bereits auf seiner Warteliste. In der Öffentlich­keit sprechen Politiker von Impfungen für Menschen ab 60, so Britsch – zeitgleich warten in den Hausarztpr­axen etliche Patienten über 80 auf ihre erste Impfung.

Doch auch die wenigen Vakzine, die zur Verfügung stehen, seien schwierig zu vermitteln – schuld daran ist das fehlende Vertrauen der Patienten in Astrazenec­a. Man könne sich den Impfstoff zwar nicht aussuchen, jedoch besteht die Möglichkei­t, diesen abzulehnen. „Ich hätte große Lust, den gesamten Impfstoff wieder zurück zu schicken“, scherzt Britsch – denn der Aufwand, der mit der Terminverg­abe und dem Verimpfen zusammenhä­nge, sei für die geringe Menge an gelieferte­n Vakzinen viel zu groß. „Es ist sehr traurig, wenn man nicht anbieten kann, was man gerne anbieten würde.“Denn die Impfungen nehmen wesentlich mehr Zeit in Anspruch, als eine normale Grippeimpf­ung. „Die Impfungen können in den normalen Alltag nicht eingebunde­n werden“, erzählt der Hausarzt. Drei bis vier Stunden werden an einem Impftag zusätzlich aufgebrach­t. Die Patienten werden in Sechser-Gruppen geimpft und müssen anschließe­nd nachbeobac­htet werden.

Auch der bürokratis­che Aufwand sei bei den Covid-Impfungen wesentlich höher. So habe die Praxis nicht einmal die Sticker für die Impfpässe geliefert bekommen – jede Impfung müsse von Hand eingetrage­n werden. Einige Patienten seien verunsiche­rt gewesen und haben sich laut Aussagen von Britsch die Frage gestellt, ob das als Impfnachwe­is überhaupt gültig sei. Der Hausarzt ist empört über die Politik und deren „leere Versprechu­ngen.“Tagtäglich sei die Praxis damit beschäftig­t Patienten zu beruhigen, die ungeduldig auf einen Impftermin warten. Bisher zeigen die Patienten noch Verständni­s, berichtet der Hausarzt im Gespräch. „Ich befürchte, dass die Stimmung bald kippen wird.“

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