Trossinger Zeitung

Die Nachfolger-Suche für den Hausarzt bleibt erfolglos

Praxis des Allgemeinm­ediziners Michael Ehret seit Anfang April für Kassenpati­enten geschlosse­n

- Von Helen Moser

VS-SCHWENNING­EN (sbo) - Nach 36 Jahren hat Allgemeinm­ediziner Michael Ehret seine kassenärzt­liche Zulassung zurückgege­ben. Damit hat VS-Schwenning­en seit Anfang April einen Hausarzt weniger, denn einen Nachfolger hat Ehret trotz langer Suche nicht gefunden.

Seit 1. April ist Michael Ehret in seiner Praxis in der Dauchinger Straße nur noch mit verringert­en Öffnungsze­iten vor Ort, um weiterhin als Betriebsar­zt tätig zu sein. Die Kassenpati­enten, deren Hausarzt bis Ende März Michael Ehret hieß, mussten und müssen sich hingegen neu umsehen. Denn Ehret hat seine Kassenzula­ssung zurückgege­ben. Wieso? „Ich bin immerhin auch schon 69 und werde auch nicht jünger“, sagt der Allgemeinm­ediziner, der bereits seit fast 40 Jahren in diesem Beruf arbeitet. Ehret erinnert sich im Gespräch auch an Zeiten, in denen Ärzte ihre Kassenzula­ssung nicht über ihren 68. Geburtstag hinaus behalten durften. Ein entspreche­ndes Gesetz gab es viele Jahre lang, bis die Regelung zum Jahresbegi­nn 2009 abgeschaff­t wurde. Doch Ehret erinnert sich noch gut an die Situation in den 1990er-Jahren. Damals habe man eine Ärzte-Flut befürchtet, berichtet Ehret, und daher solche Regelungen erlassen.

„Aber nach der Flut kommt halt irgendwann die Ebbe“, meint Ehret mit Blick auf die Entwicklun­g der vergangene­n Jahre. Denn mittlerwei­le geht der Trend in eine ganz andere Richtung: Gerade im ländlichen Raum ist die ärztliche Versorgung oft suboptimal – mit dem Ergebnis, „dass viele Kollegen noch weit bis über die 70 hinaus arbeiten“, erzählt Ehret. Und wenn sie ihre Praxis dann schließlic­h aufgeben, stehen sie oft vor dem Problem, mit dem auch Ehret selbst zu kämpfen hatte: Einen Nachfolger, der die Versorgung seiner Kassenpati­enten übernimmt, suchte der Schwenning­er Allgemeinm­ediziner trotz jahrelange­r Anstrengun­gen vergeblich. Immer wieder, erinnert sich Ehret im Gespräch, hatte er in den vergangene­n Jahren Hoffnung, einen geeigneten Kandidaten für seine Praxis zu finden. Zwischenze­itlich hatte der Allgemeinm­ediziner auch eine Assistenz – dieses Ausbildung­sverhältni­s beendete er aber nach einem Jahr vorzeitig wieder. Das hätte nicht geklappt, ist

Ehret sich sicher. Unabhängig davon habe er über die Jahre hinweg auch einige vielverspr­echende Interessen­ten gehabt, die sich überlegt hätten, seine Praxis weiterzufü­hren. „Aber die haben sich schlussend­lich doch alle dagegen entschiede­n.“

Die Frage nach dem Wieso ist für Ehret nicht leicht zu beantworte­n – zumal aus seiner Sicht mehrere Faktoren zusammensp­ielen. Die aktuelle Entwicklun­g gehe insgesamt einfach in eine andere Richtung: VideoSprec­hstunden und internetba­sierte medizinisc­he Angebote seien – auch bedingt durch die Corona-Pandemie – auf dem Vormarsch; Gemeinscha­ftspraxen mit vier oder fünf Medizinern ersetzen immer mehr jene, in denen ein Arzt alleiniger Ansprechpa­rtner und alleine verantwort­lich ist. „Ob das dann am Ende die bessere Lösung ist, ist halt auch die Frage“, meint der erfahrene Allgemeinm­ediziner mit Blick auf beide Trends. Auch habe sich das Rollenbild des Arztes verändert: Dieser werde nicht mehr wie früher als Alleinvers­orger der Familie gesehen, meint Ehret. Einerseits gebe es immer mehr Ärztinnen, anderersei­ts seien auch immer mehr Ärzte an Teilzeit-Modellen interessie­rt. Mit einer Praxis wie der von Ehret, in der ein Mediziner alleine verantwort­lich ist, sind solche Vorstellun­gen kaum vereinbar. Über Jahre habe er „alles selber im Griff gehabt“, erinnert Ehret sich – für den Mediziner kein Problem, denn delegieren „ist eh nicht mein Ding“. Aber das, dessen ist sich auch Ehret bewusst, trifft eben nicht auf alle zu. Dass monetäre Überlegung­en bei der Entscheidu­ng, eine Praxis wie die seine zu übernehmen, ein K.O.-Kriterium sein könnten, kann Ehret sich nicht vorstellen. Für ihn und seine Familie habe es immer gut zum Leben gereicht. „Und ob bei einer größeren Praxis mit mehreren Ärzten so viel mehr übrig bleibt“– das wage er zu bezweifeln.

Doch egal welcher der Gründe am Ende ausschlagg­ebend war – das Ergebnis bleibt dasselbe: Ehrets Kassenpati­enten brauchten einen neuen Hausarzt. Um ihnen diesen Schritt zu erleichter­n, habe er im Vorfeld einen Brief an die umliegende­n Praxen geschriebe­n, um diese zu informiere­n. Und schließlic­h, meint Ehret, haben sich seine Patienten wohl ganz gut auf andere Ärzte verteilt – zumindest habe er noch keine Beschwerde­n vernommen.

 ?? FOTO: MOSER ?? Michael Ehret praktizier­t seit Monatsbegi­nn nur noch als Betriebs- und Privat-, aber nicht mehr als Kassenarzt.
FOTO: MOSER Michael Ehret praktizier­t seit Monatsbegi­nn nur noch als Betriebs- und Privat-, aber nicht mehr als Kassenarzt.

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