Kommt jetzt der „Corona-Baby-Boom“?
Wirkt sich die Corona-Krise auf die Geburtenzahlen aus – Versuch einer Annährung
TUTTLINGEN - Durch die CoronaPandemie verbringen die Menschen mehr Zeit zuhause. Nicht nur im Homeoffice, auch in ihrer Freizeit. Sie rücken näher zusammen, nicht nur als Familie, sondern auch als Paar. Dass Zweisamkeit für viele eine Alternative in alternativlosen Zeiten der Freizeitgestaltung ist, belegen die Zahlen von deutlich gestiegenen Nachfragen nach Sexspielzeug und Kondomen. Doch bedeutet das, dass es auch mehr Babys gibt? Gibt es einen „Corona-Baby-Boom“?
Online-Erotikhändler wie Amorelie, Orion oder Eis haben im vergangenen Jahr einen hohen Zuwachs registriert, so eine DPA-Meldung Anfang des Jahres. „Die Pandemie hat gezeigt, dass die Menschen die Gelegenheit genutzt haben, sich wieder intensiv mit dem eigenen Körper zu befassen, sich neu zu entdecken und der eigenen Sexualität hinzugeben“, sagt eine Amorelie-Sprecherin auf DPA-Nachfrage. Die Verkaufszahlen seien nach dem Sommer und mit Beginn weiterer Kontaktbeschränkungen erneut gestiegen, in manchen Bundesländern um bis zu 60 Prozent.
Ähnliche Erfahrungen hat man auch bei Orion gemacht. Das Unternehmen registriert deutlich mehr Bestellungen. Die meisten gehen nach NRW, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Auffallend sei, dass deutlich mehr Paare beim Händler bestellten als im Vorjahr.
Doch hat diese wiederentdeckte Freude an der Zweisamkeit auch Folgen? Statistisch lässt sich diese Frage nicht beantworten. Zumindest jetzt noch nicht. Aber es gibt Indizien. Im Klinikum Tuttlingen kamen im Januar und Februar dieses Jahr insgesamt 169 Kinder auf die Welt, das sind 34 mehr als im Vorjahr. Doch ist das wirklich auf Corona zurückzuführen? Seit Jahren steigen die Geburtenzahlen
am Klinikum kontinuierlich. In den beiden ersten Monaten des Jahres lagen sie zumeist im Bereich 135 (Ausnahme im Jahr 2019 mit 161). Ein Beweis ist das sicherlich nicht, doch Aline Riedmüller, Pressesprecherin des Klinikums, schreibt auf Nachfrage auch: „Wir können einen Zusammenhang der etwas höheren Geburtenzahl in diesen beiden Monaten mit dem Lockdown im letzten Jahr nicht ausschließen.“
Ähnlich sieht es auch im Schwarzwald-Baar-Klinikum aus. Auch dort sind die Geburtenzahlen steigend, aber in diesem Jahr wurde im Januar und Februar die 400er-Marke geknackt, erst das zweite Mal nach dem offenbar starken Baby-Jahr 2019.
Katja Rommelspacher ist Hebamme in Tuttlingen und sie sagt: „Anfangs habe ich gedacht, dass sich die Menschen mehr zurückhalten, weil sie ihre familiäre wirtschaftliche Situation als zu unsicher einschätzen, beispielsweise wegen der Kurzarbeit.“Doch von dieser ursprünglichen Einschätzung ist sie mittlerweile abgerückt. Denn: „Ich habe zur Zeit unglaublich viele Anmeldungen.“Das sei natürlich kein Beleg dafür, dass durch die Pandemie mehr Babys zur Welt kommen, zumal sich die Hebammen-Situation bekanntermaßen seit Jahren zuspitze, doch sie habe schon das Gefühl, dass es mehr Frauen als sonst sind, die sich bei ihr melden.
Rommelspacher glaubt, dass viele Menschen durch die Mehrzeit, die sie durch die Corona-Krise miteinander verbringen, merken, wie schön und wichtig Familie ist. Selbst wenn es durch das viele Aufeinandersitzen auch sicherlich öfters mal zu Streit kommt. Was sie auf jeden Fall bemerke, sei ein „Trend zum dritten Kind“, den sie so in den vergangenen Jahren nicht wahrgenommen habe, so Hebamme Rommelspacher.