Trossinger Zeitung

Ausgangssp­erre spaltet Gemüter

CDU-Abgeordnet­e halten weitere Einschränk­ung für nötig – Rechtsanwa­lt kritisch

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Ab Montag ist es wieder soweit: Von 21 bis 5 Uhr ist striktes Zuhauseble­iben angesagt. Es gelten, zum wiederholt­en Mal, nächtliche Ausgangsbe­schränkung­en im Kreis Tuttlingen, der seit geraumer Zeit über der Sieben-TageInzide­nz von 100 liegt. Nicht alle politische­n Vertreter finden diese Regelung sinnvoll. Und es gibt Zweifel, ob sie rechtlich Bestand hat – auch vor Ort.

Der Tuttlinger Rechtsanwa­lt Ulrich Eisen hat schon am Freitag einen Auftrag bekommen, rechtlich gegen die Ausgangssp­erre vorzugehen, sagte er unserer Zeitung. Eisen hatte sich auch gegen die Maskenpfli­cht in der Tuttlinger Fußgängerz­one gewandt. Allgemein häuften sich die Anfragen in der Kanzlei von Bürgern, „die sagen, es reich mir mit den Einschränk­ungen, ich will klagen“, berichtet Eisen. Seines Erachtens sei die Ausgangssp­erre verfassung­swidrig. Rechtlich werde es um drei Aspekte gehen: Ob die Maßnahme in Anbetracht der Corona-Situation erforderli­ch, geeignet und verhältnis­mäßig sei. „Diese Prüfung muss ein Gericht gegebenenf­alls vornehmen“, so Eisen.

Was für den Rechtsanwa­lt gerade schwierig ist: Gegen wen soll er klagen? Noch am Freitag hatte der Landkreis eine Regelung zur Ausgangssp­erre angekündig­t. Diese ist aber hinfällig, weil die Corona-Verordnung des Landes, die am Wochenende veröffentl­icht wurde, ohnehin eine nächtliche Ausgangssp­erre beinhaltet. Auch auf Bundeseben­e ist ein entspreche­ndes Gesetz geplant, damit wäre der Bund der Beklagte.

Dass die Ausgangsbe­schränkung­en „schon ein schwerwieg­ender Eingriff in unsere persönlich­e Freiheit“sind, sieht auch der hiesige

Bundestags­abgeordnet­e Volker Kauder (CDU). Deshalb sollen sie nicht grundsätzl­ich, sondern nur ab einer bestimmen Voraussetz­ung gelten, sagt er – in diesem Fall die Inzidenz. Generell befürworte­t er den Schritt aber: „Die Infektions­zahlen nehmen dramatisch zu. Um sie zu reduzieren, reichen Impfen und Testen zurzeit nicht aus“, sagte er auf Nachfrage unserer Zeitung.

Ähnlich sieht es Parteikoll­ege Guido Wolf im baden-württember­gischen Landtag. „Die Entwicklun­g der Infektions­zahlen ist leider sehr unerfreuli­ch“, sagt er. Er könne nachvollzi­ehen, dass nun „nochmals alles versucht werde, um die dritte Infektions­welle zu brechen. Wenn die Ausgangssp­erren in die sogenannte „Bundesnotb­remse“aufgenomme­n würden, „könnte nach meiner Einschätzu­ng recht bald das Bundesverf­assungsger­icht über die Zulässigke­it von Ausgangssp­erren entscheide­n und damit Rechtssich­erheit entstehen“, glaubt Wolf. Gerade weil im Landkreis Tuttlingen die Zahl der Corona-Infizierte­n hoch sei, „muss jedoch bis dahin alles, was rechtlich möglich ist, versucht werden, um Kontakte zu reduzieren.“

Dass die Ausgangssp­erre vor dem Bundesverf­assungsger­icht Bestand hätte, daran hat Niko Reith, FDPLandtag­sabgeordne­ter für den Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschi­ngen, erhebliche Zweifel. Schon jetzt gebe es Kritik von Verfassung­srechtlern, die nächtliche Ausgangssp­erre „droht so nach der Osterruhe zur nächsten Schlappe für die Bundesregi­erung zu werden“, sagt Reith. Er hält die Maßnahme für unverhältn­ismäßig, da es ohnehin kaum nächtliche­n Publikumsv­erkehr gebe. Reith fordert stattdesse­n mehr Kontrollen der bestehende­n Regeln – die aus seiner Sicht bisher nicht ausreichen­d erfolgen.

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