Hass im Netz landet jetzt direkt beim BKA
Scheinbare Anonymität auch in lokalen Gruppen sozialer Netzwerke nutzt Täter nicht
SPAICHINGEN/KREIS TUTTLINGEN - Das Bildchen in der Facebookgruppe „Spaichinger Stadtgeflüster“zeigt eine Schlinge mit Henkersknoten. Der Gemeinte ist aber anonym. Wenn dieses Bild einer realen Person „gewidmet“würde, könnte es schnell eng werden für denjenigen, der so ein Bildchen in sozialen Netzwerken postet. Denn seit 1. April gelten neue Gesetze gegen Hass und Hetze und Straftaten im Internet.
Auch im Kreis Tuttlingen haben diese Äußerungen und Radikalisierungen enorm zugenommen, bestätigt Polizeisprecher Dieter Popp Beobachtungen in verschiedenen lokalen Netzwerken: In fast allen Bereichen hätten die Straftaten abgenommen, außer bei der Cyberkriminalität.
In den drei Monaten Januar bis März 2021 im Vergleich zu Januar bis März 2020 ist der Bereich der Computerkriminalität um 13,5 Prozent gewachsen.
Und auch Yvo Antoni von der Bildungsplattform „Love-Storm“(siehe unten) spricht von einer „Turbo-Radikalisierung“in diesen Coronazeiten. Es bewegen sich angesichts der Kontaktbeschränkungen viel mehr Menschen im Internet als früher.
Und: „allgemein: Der Ton wird härter, die Wortwahl und hier auch die Neigung zu Straftaten“, so Popp. In der vermeintlichen Anonymität traut man sich eher, ein Opfer zu suchen und auch sexuell zu beleidigen. Oft seien junge Frauen Opfer ernsthafter sexueller Bedrohungen.
Es trifft aber auch Menschen, die eigentlich für andere in Not da sind. Nach der neuen Gesetzeslage sind – nach den Rettungskräften seit 20017 – jetzt auch Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen besser geschützt. Und auch Menschen öffentlichen Lebens wie Kommunalpolitiker.
Beleidigungen im Netz sind nun stärker strafbewehrt, auch gegen Polizeibeamte.
Zum Beispiel kann die Polizei den Strafrechtsgehalt von einem Post mit dem Titel „Polizeigewalt“, wie jüngst bei Kontrollen in der Poserszene, dahingehend ermitteln, denn der Videoschnipsel war beschnitten, die
Pöbeleien und die Weigerung, die Identität preiszugeben, in der Fassung im Netz nicht zu sehen.
Wichtig sei die Gesetzesänderung auch für die Ermittler, denn die Hürden, die Identität von anonym hetzenden oder drohenden und extremistischen Tätern zu ermitteln, stünden in einem Rechtsstaat vor großen Hürden.
Das sei in anderen Ländern ganz anders, aber in Deutschland müsse bisher ein Richtergremium beschließen, dass die Ermittler die Daten zur Rückverfolgung eines Täters beim Anbieter anfordern dürfen.
Jetzt sind die Plattformen selbst in der Pflicht, Straftaten zu sichern, zu melden und die Daten zur Ermittlung der Täter an das Bundeskriminalamt zu schicken.