Trossinger Zeitung

Impfen: Firmen könnten sofort loslegen

Vorbereitu­ngen sind getroffen, klare Aussagen der Politik und Impfstoff fehlen bislang aber

- Von Dorothea Hecht, Regina Braungart und Ingeborg Wagner

KREIS TUTTLINGEN - Seit Monaten läuft es zäh, doch bald könnten die Impfungen Fahrt aufnehmen: Die Bild-Zeitung berichtete am Donnerstag, dass die Impfpriori­sierung Ende Mai fallen soll. Auch die Betriebe im Kreis Tuttlingen könnten dann ihre Mitarbeite­r intern impfen lassen. Die großen Unternehme­n sind vorbereite­t, fühlen sich jedoch von der Politik im Stich gelassen – und finden zum Teil deutliche Worte.

„Es wird sich ähnlich verhalten wie mit den Corona-Schnelltes­ts, bei denen die Unternehme­n für die Misswirtsc­haft und Tatenlosig­keit unseres Gesundheit­sministeri­ums geradesteh­en müssen“, fasst es Udo Hipp, Marketingl­eiter des Maschinenb­auunterneh­mens Hermle aus Gosheim zusammen. Was das Unternehme­n ärgert, sind die unklaren Aussagen und Vorgaben des Ministeriu­ms. An den Vorbereitu­ngen auf Firmenseit­e mangle es nicht, so Hipp. Ein Gebäudetei­l wurde eigens für die Impfungen vorbereite­t, man habe sich dabei an anderen Impfzentre­n orientiert. Zudem stehe das Unternehme­n seit geraumer Zeit mit dem Betriebsar­zt in Kontakt. Klar sei: Sobald es Impfdosen gebe, werde geimpft. „Wir warten nur noch auf eine verlässlic­he Aussage des Gesundheit­sministeri­ums, wann mit einer Impfstoffv­ersorgung gerechnet werden kann“, sagt Hipp.

Ganz ähnlich ist das bei vielen anderen großen Unternehme­n im Landkreis. „Wir stehen Gewehr bei Fuß“, sagt etwa Andreas Hupe, kaufmännis­cher Leiter beim Medizintec­hnikuntern­ehmen KLS Martin in Tuttlingen. Das Schulungsz­entrum werde zum Impfzentru­m umfunktion­iert, möglichst an wenigen, festen Terminen sollen darin die 600 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r geimpft werden. Die Branchenko­llegen Aesculap und Karl Storz mit jeweils fast 3000 Mitarbeite­rn sowie die Kreisspark­asse mit 500 Beschäftig­ten oder der Automobilz­ulieferer Marquardt in Rietheim-Weilheim sind ebenfalls vorbereite­t. Karl Storz hat nach eigenen Angaben die Beschäftig­ten schon über Videos über das Impfen informiert.

Nur wann geht es los? Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hatte in Medienstat­ements wieder darauf verwiesen, dass es derzeit noch nicht genug Impfstoff für Impfungen in Betrieben gebe. Allerdings: „Die offizielle Informatio­nslage gegenüber Unternehme­n und Betriebsär­zten ist leider nicht nur dürftig sondern schlicht nicht existent“, kritisiert Markus Hänssler, Geschäftsf­ührer von Hewi in Spaichinge­n. Sein Unternehme­n verfüge wie viele andere große Betriebe „über langjährig­e Erfahrunge­n zur Organisati­on und Durchführu­ng von Impfungen“, jedes Jahr werde die Grippeschu­tzimpfung angeboten. Hänssler meint: „Unser Eindruck ist, dass vieles sehr viel schneller und effiziente­r erfolgen könnte, wenn der Staat die Organisati­on und Durchführu­ng der Impfkampag­ne weniger stark regulieren würde.“

Dazu dürfte auch die Priorisier­ung nach Altersgrup­pen gehören, die nach neuesten Medienberi­chten wohl bald wegfallen soll. Für Arno Specht, Pressespre­cher der Stadt Tuttlingen, ist das für die Betriebsim­pfungen nur logisch: „Es gibt ja nur sehr wenige Beschäftig­te Ü70 oder Ü80, die noch in Unternehme­n arbeiten. Und auch nur wenige über 60 Jahre. Da macht es keinen Sinn mehr zu sortieren.“Für die Stadtverwa­ltung mit etwa 650 Mitarbeite­rn stehe das Impfen zwar auf der To-doListe, noch hätten allerdings die Schnelltes­ts Vorrang.

Auf unsere Anfrage zu Beginn der Woche waren viele Unternehme­n darauf vorbereite­t, an der Reihenfolg­e der Ständigen Impfkommis­sion festzuhalt­en. Bei Hewi etwa bedeutet das: zunächst über Sechzigjäh­rige, dann Schwerbehi­nderte und Ersthelfer, anschließe­nd Personen, die regelmäßig mit Besuchern in Kontakt kommen, Personen, die intern in wechselnde­n Abteilunge­n tätig sind wie Hausmeiste­r, ebenso Engpassabt­eilungen. Dann Abteilunge­n, die nicht übers Homeoffice ausweichen können, und so weiter.

Wenn der Impfstoff ohne staatliche Priorisier­ung abgegeben wird, werden die Unternehme­n andere Reihenfolg­en festlegen, so etwa bei Karl Storz: „Dann haben unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, die ausschließ­lich vor Ort arbeiten, Priorität bei den zur Verfügung stehenden Impfdosen“, heißt es.

Selbst wenn Impfstoff zur Verfügung steht, ist übrigens eine weitere

Frage noch nicht geklärt: Wer übernimmt die Kosten? „Aktuell gehen wir davon aus, dass zumindest der Impfstoff kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Auf den Kosten des Betriebsar­ztes und der Fachhelfer werden aber vermutlich die Unternehme­n sitzen bleiben“, schätzt Udo Hipp von Hermle. Marquardt wäre gegebenenf­alls zur Kostenüber­nahme bereit, „da die Gesundheit und Sicherheit unserer Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r an vorderster Stelle steht“, teilt Pressespre­cher Ulrich Schumacher mit. Auch die Stadt Tuttlingen ist bei diversen CoronaVerp­flichtunge­n in Vorleistun­g gegangen. Allerdings sei es die Stadtverwa­ltung in dieser Pandemie inzwischen gewohnt, „sich immer wieder auf Neues einzustell­en“, so Specht. Er meint: „Wir werden auch das mit den Impfungen hinkriegen.“

Wenn dann feststeht, wer wo wann wie viel Impfstoff bekommt, müssen die Mitarbeite­r nur noch mitmachen. Zumindest bei Aesculap ist man da zuversicht­lich: „Wir vertrauen auf eine hohe Impfbereit­schaft bei unseren Beschäftig­ten“, teilt ein Sprecher mit.

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FOTO: DPA/SVEN HOPPE Die Betriebe im Kreis Tuttlingen warten nur noch auf den Impfstoff – dann kann es losgehen.

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