Berufliche Gymnasien müssen viele Bewerber abweisen
Großer Andrang an Fritz-Erler- und Steinbeis-Schule – Schulleiterin ärgert sich über Absagen
TUTTLINGEN - So viele Anmeldungen wie noch nie gibt es zum neuen Schuljahr an den beruflichen Gymnasien der Fritz-Erler- und der Steinbeis-Schule. Für fünf von insgesamt sechs Profilen gab es deutlich mehr Anmeldungen, wie Schüler aufgenommen werden dürfen. Direktorin Susanne Galla ärgert es, dass Interessenten abgewiesen werden müssen.
Im Unterschied zu anderen Schulen, wie etwa die allgemeinbildenden Gymnasien, Realschulen oder auch Werkrealschulen, ist an den beruflichen Gymnasien von vorneherein festgelegt, dass es pro Profil nur eine Klasse gibt. Das heißt: Jedes Schuljahr sind es je Gymnasialprofil maximal 30 Schüler, die eine Zusage bekommen können.
Sechs Gymnasialzüge gibt es an den beiden beruflichen Gymnasien insgesamt: an der Ferdinand-vonSteinbeisschule das Technische Gymnasium mit den beiden Profilen „Technik und Management“und „Gestaltungs- und Medientechnik“. An der Fritz-Erler-Schule sind es das Wirtschaftsgymnasium (WG), das Sozial- und Gesundheitswissenschaftliche Gymnasium (SGG) mit seinen beiden Profilen sozialwissenschaftlich und gesundheitlich sowie das Ernährungswissenschaftlichen Gymnasium (EG). Sie alle umfassen die Klassenstufen elf, zwölf und 13. Voraussetzung ist die abgeschlossene Mittlere Reife oder eine bestandene neunte oder zehnte Klasse eines Gymnasiums.
In diesem Jahr sind es in manchen Profilen jedoch fast doppelt so viele
Interessenten, wie es Plätze gibt. „Wir können uns nicht daran erinnern, dass wir jemals solche Anmeldezahlen hatten“, ist Rainer Leuthner, Direktor der FES überrascht über die große Resonanz. Außer am EG, wo derzeit 24 Anmeldungen vorliegen, seien alle Profile bis auf den letzten Platz besetzt. Am SGG hätte Leuthner eine komplette weitere Klasse füllen können. Das gleiche Bild an der Steinbeis-Schule: Direktorin Susanne Galla hätte 20 weitere Interessenten gehabt, die sich für das technische Profil beworben hatten.
Dass es überhaupt soviele Bewerber sind, dafür haben die Schulleiter eine Erklärung parat. Coronabedingt sehen sie eine Verschiebung: weg von einer Ausbildung, hin zu einem Aufbau-Schulgang. „Dieses Jahr sind sicher zehn bis 20 Prozent weniger Ausbildungsverträge zustande gekommen, als sonst üblich“, sagt Galla. Das liege mit daran, dass die Betriebe in den vergangenen Monaten wenig Möglichkeiten gehabt hätten, wie sonst auf die Schüler zuzugehen meint sie. „Es fehlen einfach die Kontakte zwischen Schule und Betrieb“, sagt auch Schulleiter Leuthner. Daraus ergebe sich, dass sich eben viele junge Menschen dafür entschieden hätten, stattdessen noch weiter zur Schule zu gehen.
Darüber, dass sie so viele Bewerber nicht an ihrer Schule annehmen durfte, ist Galla nicht glücklich – ganz im Gegenteil, es ärgert sie. Besonders im Bereich Technik sei im Landkreis Tuttlingen ein großer Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften vorhanden. „Die Betriebe im Landkreis suchen qualifizierte Techniker, aber wir müssen Interessenten abweisen“, sagt sie. Während die Abgewiesenen an der Nachbarschule, der Fritz-Erler-Schule, häufig in einem anderen Profil unterkommen können, in dem es noch freie Plätze gibt, sei das im Bereich Technik zu kurz gedacht, findet die Schulleiterin. „Wer sich für Technik interessiert, wird sich nicht für ein sozial- oder ernährungswissenschaftliches Profil entscheiden.“Die Folge sei, dass man diese jungen Menschen an andere Landkreis verliere. „Sie gehen dann an eine andere Schule“, ist ihre Beobachtung.
Warum die beruflichen Gymnasien je nach Bedarf nicht einfach eine zweite Klasse eröffnen dürfen, erklärt ihr Schulträger – das Landratsamt Tuttlingen. „Im Gegensatz zu den allgemeinbildenden Schulen handelt es sich bei den beruflichen Gymnasien nicht um eine „Pflichtschulart“, teilt Pressesprecherin Julia Hager mit. Wo es wie viele Schulplätze gebe, ist im Rahmen der sogenannten regionalen Schulentwicklung festgelegt. Diese wird über das Kultusministerium gesteuert.
Auch erfolgt die Vergabe der Plätze ähnlich wie bei manchen Studiengängen zentral und nicht direkt bei der jeweiligen Schule. Bewerber können aber in einer Prioritätenliste mehrere Wünsche angeben. Auf diese Weise bekommen einige Schüler dann doch noch einen Schulplatz – wenn auch nicht an ihrer Wunschschule.
Galla jedenfalls findet: Sollten die Anmeldezahlen im Bereich Technik auch in den kommenden Jahren weiterhin hoch bleiben, möchte sie zumindest Gespräche anstoßen, nicht doch eine weitere Techniker-Klasse eröffnen zu dürfen.