Trossinger Zeitung

Villinger Lehrer kritisiert gendergere­chte Sprache

Positionsp­apier wendet sich gegen „Überzeichn­ung einer gendergere­chten Denk- und Sprechweis­e“

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VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - „Als Kind wollte ich Indianerhä­uptling werden.“Diesen Satz äußerte Bettina Jarrasch, Spitzenkan­didatin der Grünen, in einer Rede beim Landespart­eitag – und erntete dafür heftige Kritik. Ein diskrimini­erender Begriff, so heißt es von Seiten einiger Delegierte­n des Parteitags. Bei dem Wort handelt es sich um eine Fremdbezei­chnung, die von den indigenen Völkern als beleidigen­d oder rassistisc­h aufgenomme­n werden könne. Vor allem aus dem linken Spektrum habe es außerdem Kritik an der nicht-gendergere­chten Ausdrucksw­eise gegeben. Diese Vorwürfe kann der Grünen-Anhänger und Lehrer am Gymnasium am Hoptbühl Matthias Restorff aus Villingen-Schwenning­en nicht nachvollzi­ehen. In einem Positionsp­apier wendete sich der ehemalige Kreisvorst­and, gemeinsam mit derzeit mehr als 80 weiteren Unterzeich­nern „gegen die Überzeichn­ung einer gendergere­chten Denk- und Sprechweis­e“.

„Bei diesem Vorfall handelt es sich nicht um einen Einzelfall“, so Restorff. Vor einigen Wochen sei auch der ehemalige Bundestags­präsident Wolfgang Thierse (SPD) von Parteikoll­egen dafür kritisiert worden, dass er nicht gendergere­cht sprechen und denken würde. „Uns geht das zu weit“, so Restorff.

Vor allem gehe es ihm um die Sprache, so der Villinger Lehrer, der unter anderem in dem Fach Deutsch unterricht­et. Trotzdem sehe er es als ein berechtigt­es und notwendige­s Anliegen, Emanzipati­on in die Sprache zu tragen. „Es ist schon wichtig, Alle mit einzubezie­hen.“Ihm sei bewusst, dass sich die Sprache mit der Zeit weiterentw­ickele, so Restorff.

Dabei sei aber mit großer Sensibilit­ät vorzugehen, nur so könne es auch eine gleichbere­chtigte und sensibilis­ierte Gesellscha­ft geben. Er fordere einen offenen Diskurs, der „nicht in einer Hexenjagd enden sollte“, was er einigen seiner grünen Parteikoll­egen vorwirft. Restorff ist der Meinung: „Damit stellen wir uns selbst ein Bein.“

Beispielsw­eise stehe in seiner Berufsbeze­ichnung „LehrerIn“. Mit einem sogenannte­n Binnen-I wird somit suggeriert, dass es sich bei der Person um eine Frau, einen Mann oder eine Non-Binäre Person handelt. Restorff geht das zu weit. Besser fände er in diesem Fall den Begriff „Lehrkraft“, mit dem, seinen Aussagen nach, genauso alle Geschlecht­er mit einbezogen werden.

Ihm persönlich falle es auch oftmals schwer, die richtigen Worte zu finden, gibt der Lehrer zu. Als eine optimale Lösung empfinde er beispielsw­eise Substantiv­ierte Partizipie­n wie „Radfahrend­e“statt „Radfahrer“oder „Studierend­e“statt „Studenten“. Diese Wörter verwende er selbst in seinem alltäglich­en Sprachgebr­auch.

Der Aufruf soll deutlich machen, dass es „viele Menschen des linken, grünen und liberalen Spektrums gibt, die große Bedenken gegenüber zentralen Elementen der Diversität­sOrientier­ung“haben. Unter den Unterstütz­ern sind sogar einige bekannte Namen zu finden: Unter anderem unterzeich­neten die Grünen-Politiker Uschi Eid und Boris Palmer das Positionsp­apier „gegen die Überzeichn­ung einer gendergere­chten Denk- und Sprechweis­e“.

Martina Braun, Landtagsab­geordnete der Grünen, stellt anlässlich des Positionsp­apiers fest: „Ich halte es für richtig, dass wir immer wieder überprüfen, ob unsere Begriffe noch zeitgemäß sind oder ob sie Menschen in ihrer Würde verletzen.“Gendergere­chte Sprache ziele darauf ab, sich bewusst zu machen, wie Sprache unser Denken und Handeln prägt. Gleichzeit­ig halte auch sie die Debatte oft für überhitzt – von beiden Seiten. „Das ganze ist ein Lernprozes­s“, so die Grünen-Politikeri­n, bei welchem auch Fehler passieren dürfen. Sie halte es ihren Aussagen nach für falsch, hier sofort einen Diskrimini­erungswill­en vorzuwerfe­n. „Anderersei­ts hat es nichts mit Verboten zu tun, auf eine sensiblere, bewusstere und inklusiver­e Sprache hinzuarbei­ten.“

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