August-Lämmle-Weg wird umbenannt
Rat will keine Straße, die NS-Verklärer ehrt - Nächstes Problem: Thaddäus-Troll-Weg
TROSSINGEN - Der Gemeinderat möchte in Trossingen keinen August-Lämmle-Weg haben. Am Montagabend fiel die einstimmige Entscheidung, die Straße im Neubaugebiet Albblick aufgrund Lämmles NSVergangenheit umzubenennen. Wie sie künftig heißen soll, steht noch nicht fest. Bei der Diskussion stellte sich auch heraus, dass mit dem Thaddäus-Troll-Weg eine weitere Straße im Albblick nach einem NS-Verklärer benannt ist.
2001 hatte der Gemeinderat festgelegt, dass die Straßen im Baugebiet nach Dichtern und Denkern benannt werden sollen. Auf Mundart-Dichter und Schriftsteller August Lämmle fiel die Wahl, da er anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Firma Hohner die Monografie „Matthias Hohner: Leben und Werk“verfasst hatte. Eine ehemalige Trossingerin, die sich auch an unsere Zeitung wandte, stieß bei einem Besuch in ihrer Heimatstadt auf das Straßenschild und wies die Stadtverwaltung auf Lämmles NS-Vergangenheit hin.
Wie Bürgermeisterin Susanne Irion ausführte, gebe es nun die Möglichkeit, den Straßennamen zu ändern, ihn beizubehalten und eine erklärende Tafel anzubringen. „Für alle drei Varianten gibt es gute und stichhaltige Gründe, wie auch der Umgang in anderen Städten und Gemeinden des Landes zeigt“, so Irion.
Sie habe zahlreiche Schreiben und E-Mails zu dem Thema erhalten - sowohl von Fürsprechern als auch von Gegnern einer Umbenennung. Während sie selbst sich in der Frage schwer tat und dem Gemeinderat ausnahmsweise keinen Beschlussvorschlag der Verwaltung mit auf den Weg gab, herrschte in den Fraktionen Konsens. „Der Name ist nicht tragbar“, brachte es Gustav Betzler (Freie Wähler) auf den Punkt. Wolfgang Schoch (CDU) merkte an, dass ein Straßenname die höchste Ehre sei, die die Stadt an Auswärtige vergeben könne.
Zwei Fraktionen hatten der Stadtverwaltung im Vorfeld der Sitzung auch schon alternative Namensvorschläge für die Straße geschickt. Die Offene Grüne Liste plädierte dafür, den Weg künftig als „Gertrud-Luckner-Weg“zu führen, benannt nach einer Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus. „Damit würden wir ein Zeichen setzen“, betonte Gerhard Brummer (OGL).
In eine andere Richtung gingen die Gedanken der SGT (Sozialdemokratische Generation Trossingen). „Egal ob hellbraun, mittelbraun oder dunkelbraun - braun bleibt braun; wir können uns nicht erlauben, einem glühenden Verehrer der NSIdeologie, der den Führerkult lebte und den Hitlergruß nicht scheute, noch die letzte Ehre zu gebühren, indem er Namensgeber eines Straßennamens wird“, schreiben die drei SGT-Räte in ihrem Antrag. „Warum sollten wir stattdessen nicht einen Trossinger ehren?“, fragte Dieter Görlich-Heinichen und schlug vor, die Straße nach dem verstorbenen Trossinger Ehrenbürger „HansTrümper-Weg“zu nennen. CDUMitglied Trümper war kommunalpolitisch hochengagiert und prägte die Partnerschaft sowie die Schüleraustausche mit Cluses.
Der Vorschlag rührte die CDUFraktion sichtlich. „Hans Trümper zu ehren wäre angebracht, zumal der Schüleraustausch in diesem Jahr 50 Jahre besteht“, fand Wolfgang Schoch. Fraktionssprecher Clemens Henn schloss sich dem an, sah einen „Hans-Trümper-Weg“aber doch eher in der Nähe der Schulen. Generell seien bestimmte Bereiche für bestimmte Personengruppen vorgesehen: Ein „Gertrud-Luckner-Weg“gehöre zu den Widerstandskämpfern beim Solweg, wo es bereits die Sophie-Scholl-Straße und die EugenBolz-Straße gibt.
Für Antje Spehn (FDP) war die Sache klar: „Wir haben in Trossingen nur drei Straßen, die nach Frauen benannt sind. Es wird Zeit, die Quote zu erhöhen“, meinte sie und schlug Dichterin Annette von Droste-Hülshoff oder Anna Hohner, Ehefrau des Firmengründers Matthias Hohner, vor.
Für Wolfgang Schoch war allerdings der August-Lämmle-Weg nicht die einzige Straße, die einer Umbenennung bedarf. „In der Nähe gibt es den Thaddäus-Troll-Weg“, sagte er. Thaddäus Troll hieß eigentlich Hans Bayer und war als NS-Kriegsreporter tätig. „Er verharmloste das Warschauer Ghetto und Stalingrad“, so Schoch. „Von Fachleuten wird er als systemrelevanter Mitläufer bezeichnet. Wir sollten auch ihn in den Fokus nehmen.“Schoch plädierte dafür, die Namen in der kommenden Sitzung „in einem Aufwasch“neu zu bewerten. FDP-Fraktionssprecher Hilmar Fleischer warnte in diesem Zusammenhang aber auch vor „einer Inquisition aller Trossinger Straßennamen.“
Da die Bauplätze im Gebiet Albblick zeitnah verkauft werden sollen, beschloss der Gemeinderat am Montag die Umbenennung des AugustLämmle-Wegs. Die Fraktionen können der Stadtverwaltung nun andere Namensvorschläge unterbreiten. Anika Neipp (FDP) regte an, dazu auch eine Bürgerbeteiligung zu starten. Susanne Irion nahm den Vorschlag mit. Geprüft wird, ob auch der Thaddäus-Troll-Weg problemlos umbenannt werden kann; wenn er noch unbebaut ist, wird der Gemeinderat auch hier über eine Umbenennung entscheiden.