Trossinger Zeitung

Mehr Angriffe im Bereich Cybercrime

Im Corona-Jahr 2020 verlagert sich die Kriminalit­ät ins Netz, in die Familie, ans Telefon

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Einen Rückgang der Straftaten um rund elf Prozent und eine Aufklärung­squote von knapp 67 Prozent. Das sind die Zahlen der Kriminalst­atistik 2020, die der Konstanzer Polizeiprä­sident Gerold Sigg für den Landkreis Tuttlingen vorgestell­t hat. Rundum heile Welt ist deshalb noch lange nicht, denn die Einschränk­ungen durch die Corona-Pandemie haben teilweise auch Delikte erschwert. Dafür sind sie in andere Bereiche gewandert. So auch in die eigenen vier Wände.

Klar: Corona hat dem öffentlich­en Leben monatelang einen Riegel vorgeschob­en. Die Menschen waren mehr zu Hause. Das sieht man an der Zahl der Wohnungsei­nbrüche. Welcher Dieb steigt schon gerne in ein Haus ein, wenn die Möglichkei­t groß ist, dass die gesamte Familie wegen der Kontaktbes­chränkunge­n da ist? Deshalb steht in der Statistik in dieser Rubrik ein Rückgang von rund 37 Prozent. Und von den 22 Fällen im vergangene­n Jahr sei es bei rund der Hälfte bei einem Einbruchsv­ersuch geblieben, zählte Sigg auf. Insgesamt gab es unter dem Oberbegrif­f Diebstahl einen Rückgang um 21 Prozent.

Ein Ausreißer nach oben stellt schwerer Diebstahl dar (plus 1,7 Prozent). Sigg: „Im Sommer 2020 gab es eine kleinere Serie von Einbrüchen in Geschäftsr­äume. Diese wurde aufgeklärt.“

Nicht nur Psychologe­n haben darüber spekuliert, was der geballte Rückzug ins häusliche Umfeld und das enge Aufeinande­rsitzen von Haushaltsa­ngehörigen mit sich bringen wird. So verzeichne­te die Polizei eine leichte Zunahme von häuslicher Gewalt – eine Steigerung von 100 (2019) auf 111 Fälle (2020). Ob sich dieser Anstieg alleine auf Corona reduzieren lasse, „das lässt sich so eindeutig nicht bewerten“, sagte Sigg. Und ob das tatsächlic­h alle Fälle abdeckt? „Ob es die ganze Wahrheit ist, weiß ich nicht“, so der Polizeiprä­sident. Je nach Deliktsber­eich gebe es größere oder weniger größere Dunkelfeld­er. Trotz Corona sei es immer möglich gewesen, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.

Die Cyberkrimi­nalität stieg erwartungs­gemäß an. „Was im normalen Leben nicht mehr stattfinde­n kann, wandert ins Netz“, sagte Sigg und zählte auf: Online-Einkaufen ohne zu bezahlen, auf Fake-Shops hereinfall­en, aber auch Sexualdeli­kten und Vergehen im pornograph­ischen Bereich kam die Polizei auf die Spur. Die Schadenssu­mme beträgt aufs Jahr hochgerech­net rund 105 000 Euro. Das ist weniger als 2019 (137 000 Euro), bei deutlich mehr Delikten: 316 waren es, knapp 90 mehr als 2019.

Aus der Kriminalst­atistik verschwund­en war jahrelang der Subvention­sbetrug. Das änderte sich 2020 mit den Corona-Hilfen, die auch Unberechti­gte in Anspruch nehmen wollten. Acht Fälle mit rund 36 000 Euro Summe bearbeitet­e die Polizei im Landkreis Tuttlingen.

Betrugsstr­aftaten durch Callcenter-Anrufe – wie falsche Polizeibea­mte, Enkeltrick oder neuerdings auch

Beamte des Gesundheit­samts – treibt die Polizei besonders um. „Vor allem Senioren werden in ihrem Urvertraue­n in die Polizei durch diese Masche geschädigt.“Sigg denkt, dass nicht alle Geschädigt­en Anzeige erstatten würden, auch aus Scham. Dass 2020 nur fünf Fälle in der Statistik auftreten, liege an der veränderte­n Erfassung. Sigg: „Es muss jetzt mehr als nur ein Anruf dahinterst­ecken.“Von diesen fünf Fällen sind drei unter Betrugsver­such notiert. Ein Fall, bei dem es sich um eine Schadenssu­mme von fast 50 000 Euro handelte, konnte aufgeklärt werden, ein anderer aber nicht.

Rückläufig (minus sechs Prozent) waren Aggression­sdelikte, wie Körperverl­etzung oder andere Rohheitsde­likte im öffentlich­en Raum. Vergleichb­ares

gelte für Straßenkri­minalität und Sachbeschä­digungen. Sigg stellt auch in diesen Punkten einen Bezug zu den Reglementi­erungen durch die Corona-Pandemie her.

Wie viele Anzeigen es wegen Corona-Verstößen insgesamt gab, konnte er nicht sagen. Er verwies darauf, dass die Polizei Beanstandu­ngen und Ordnungswi­drigkeiten in diesem Bereich mit erfasse. Doch solange es sich dabei nicht um Straftaten handle, schlage sich das in der Statistik nicht nieder.

Von Januar bis Ende April dieses Jahres wurden im Kreis Tuttlingen 3007 Fahrzeuge und 6113 Menschen kontrollie­rt. Dabei wurden 1414 Verstöße festgestel­lt, 412 wurden angezeigt. Der Schwerpunk­t der Verstöße lag in der Maskentrag­epflicht (630 Fälle) und im Bereich Ansammlung­en und private Zusammenkü­nfte: 320 Verstöße wurden ausgemacht.

Sigg kündigte an, dass die Polizei aufgrund der ansteigend­en Inzidenzwe­rte „jetzt verstärkt in Präsenz- und Kontrollma­ßnahmen gehen und unsere Kräfte darauf konzentrie­ren wird“. Denn die Corona-Müdigkeit äußere sich auch in Nachlässig­keiten. „Da positionie­ren wir uns und reagieren entspreche­nd.“Landrat Stefan Bär ist dankbar dafür, wenn die Polizeiprä­senz vor allem in den Abendstund­en verstärkt werde und es in den nächsten Tagen zusätzlich­e Einsatzkrä­fte geben wird, sagte er. „Der Landkreis Tuttlingen ist und bleibt ein sicherer Landkreis. Mit diesem Ergebnis können wir zufrieden sein“, lautete Bärs Kommentar zur Kriminalst­atistik.

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SYMBOL-FOTO: DPA/WOLF VON DEWITZ Cyberkrimi­nalität hat zugenommen. Derzeit kursieren viele falsche SMS-Mitteilung­en, doch der größte Teil der Betrügerei­en geschieht im Internet.

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