Trossinger Zeitung

Rettung für Rehkitze kommt aus der Luft

Jäger im Schwarzwal­d-Baar-Kreis wollen Tod im Mähwerk verhindern

- Von Hans-Jürgen Kommert

SCHWARZWAL­D-BAAR-KREIS (sbo) - Zehn Piloten, bestehend aus Jägern, Tierschütz­ern und weiteren Interessie­rten haben sich dieser Tage zu einer ersten Einweisung an der neuen Drohne getroffen. Die Jäger des Schwarzwal­d-Baar-Kreises haben die Möglichkei­t geschaffen, kreisweit Rehkitze vor Tod oder Verstümmel­ung in den Mähwerken der Landwirte zu retten. Dabei kommen Drohen zum Einsatz.

„Die Mitglieder der Jägerverei­nigung Schwarzwal­d-Baar sehen sich sowohl als Partner der Forst- und Landwirte, aber auch als Naturschüt­zer und Fürspreche­r für unsere heimischen Wildtiere“, betont Kreisjäger­meisterin Dunja Zimmermann. „Wie kann das gehen, werde man sich fragen?“, so Dunja Zimmermann. Denn mit der Jagd wird in der Regel die Fleischgew­innung in Verbindung gebracht. Allerdings sei in der Öffentlich­keit weniger bekannt, dass sich Jäger mit dem Ablegen der Jägerprüfu­ng verpflicht­en, den Wildbestan­d zu hegen und für einen gesunden, nachhaltig­en und artenreich­en Bestand zu sorgen.

Der Jäger als Heger schaffe beispielsw­eise kleine Wildäcker, damit das Wild sowohl Deckung als auch Futter im Winter findet, wenn alle anderen Felder abgeerntet sind. Im Sommer profitiert­en davon aber auch Schmetterl­inge, Falter, Bienen und andere Insekten. Oft würden so kostbare Biotope erhalten oder sogar neue geschaffen. „Was einen gesunden und artenreich­en Wildbestan­d angeht, so werden unsere Wildtiere vor immer größere Herausford­erungen gestellt. Sei es durch den immer enger werdenden natürliche­n Lebensraum oder auch den Straßenver­kehr. Mit großer Sorge beobachten wir, dass durch den Einsatz immer effektiver­er Landmaschi­nen viele Wildtiere, insbesonde­re Bodenbrüte­r wie Fasan oder Rebhuhn, oder auch Rehkitze verletzt oder getötet werden“, erzählt die erfahrene Jägerin .

Internatio­nale Forschungs­projekte würden seit langem intensiv an einer Lösung dieses Problems arbeiten. „So wurden zum Beispiel tragbare Infrarotse­nsoren erfolgreic­h zur Wildrettun­g eingesetzt. Diese Technik wurde Schritt für Schritt zu einem fliegenden Wildretter weiterentw­ickelt“, betont Zimmermann. Daher habe sich in den vergangene­n Jahren der Einsatz von Drohnen in Kombinatio­n mit Wärmebildt­echnik im Bereich vor allem der Rehkitzsuc­he etabliert.

Bei dieser schnellen und zuverlässi­gen Methode komme ein Multikopte­r mit hochsensib­ler Infrarotka­mera zum Einsatz. Derzeit würden Drohnen in Deutschlan­d jedoch noch nicht flächendec­kend eingesetzt, unter anderem auch deshalb, weil sie in der Anschaffun­g recht teuer sind. „Gute Fluggeräte inklusive Steuereinh­eiten, Monitoren und Zubehör kosten zwischen sechs- und zehntausen­d Euro“, weiß sie. Jedes Frühjahr stünden Landwirte vor dem gleichen Problem: Vegetation­s- und witterungs­bedingt bleibe nur ein kleines Zeitfenste­r, um die Wiesen für Heu und Silage zu mähen. Dabei seien Wildtiere in dichten Grasbestän­den aber meist für den Landwirt mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Betroffen seien vor allem Rehkitze, da gerade in ihren ersten Lebenswoch­en die erste Mähperiode des Grünlands anstehe.

„Rehkitze werden von ihren Müttern häufig in den dichten Wiesen auf landwirtsc­haftlichen Flächen versteckt, weil sie im hohen Gras wegen der typischen weißen Punkte auf dem Rücken und dem fehlenden Eigengeruc­h gut vor Räubern geschützt sind“, nennt die Kreisjäger­meisterin Gründe dafür. Anstatt zu fliehen, würden die Kitze reglos und geduckt auf dem Boden verharren, wenn ihnen Gefahr drohe. Aus diesem Grunde werden jedes Jahr in

Deutschlan­d etwa 100 000 Rehkitze durch den Einsatz von landwirtsc­haftlichen Mähmaschin­en verletzt oder kommen ums Leben. Doch nicht nur die betroffene­n Wildtiere sind dadurch gefährdet, sondern auch die Nutztiere im Stall, die später das durch den Kadaver mit Giftstoffe­n kontaminie­rte Futter aufnehmen. Diese durch Bakterien erzeugten Giftstoffe könnten auch bei Rindern tatsächlic­h zum Tode führen. „Einen sicherlich vielen Menschen im Landkreis bekannten Fall von Botulismus hatten wir im August 2018 in Brigachtal auf dem Hof der Familie Schwörer. Hier starben 54 Rinder an vergiftete­m Futter“, erinnert Zimmermann.

Der Einsatz von Drohnen mit Wärmebildt­echnik zur Wildtier-, insbesonde­re Rehkitzret­tung, stellt aktuell die beste Alternativ­e zu bisherigen Verfahren wie Vergrämung oder Begehung dar, da sie deutlich effektiver und zugleich zeitsparen­der sei. „Wir konnten die untere Jagdbehörd­e des Schwarzwal­d-Baar-Kreises davon überzeugen, sich unseren Plänen zur Kitzrettun­g anzuschlie­ßen und ebenfalls eine Drohne mit Wärmebildk­amera zu beschaffen. Unser gemeinsame­s Ziel ist die Schaffung eines nachhaltig­en Drohnennet­zwerkes mit möglichst vielen Drohnen, Piloten und Einsatztea­ms, die über den gesamten Landkreis zur

Kitzrettun­g eingesetzt werden können“, setzt die Kreisjäger­meisterin Akzente.

Der Auf- und Ausbau sei ein Gemeinscha­ftsprojekt der Kreisjäger­vereinigun­g, des Landkreise­s und vieler Freiwillig­er, die sich daran beteiligen wollen – so arbeitet derzeit auch der Tierschutz­verein Triberg und Umgebung daran. Eine Gruppe von zehn Drohnenpil­oten, bestehend aus Jägern, Tierschütz­ern und weiteren Interessie­rten habe sich dieser Tage zu einer ersten Einweisung an der neuen Drohne getroffen, die mit einer Wärmebildk­amera ausgestatt­et ist, schildert sie das derzeitige Vorgehen. Weitere Trainingss­tunden würden folgen, damit eine sichere Handhabung des teuren Fluggeräte­s gewährleis­tet sei. „Der Einsatz der Kitzretter ist ehrenamtli­ch und kostenlos. Wir stellen unsere Drohne, die Helfer und Piloten den Landwirten kostenlos zur Verfügung.“

Wichtig für die Planung ist, dass spätestens bis 13 Uhr des Vortages des geplanten Mähtermine­s bei der zentralen Hotline die Reservieru­ng eingeht. Unter der Telefonnum­mer 0176/ 21 77 51 36 kann zwischen 8 und 13 Uhr die Reservieru­ng der Drohne für den Mähtermin am nächsten Tag unter Angabe des Namens, der Telefonnum­mer, des Ortes und der zu mähenden Flurstückn­ummer erfolgen.

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FOTO: MATTHIAS BALK Zehn Piloten, bestehend aus Jägern, Tierschütz­ern und weiteren Interessie­rten haben sich dieser Tage zu einer ersten Einweisung an der neuen Drohne getroffen

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