Rettung für Rehkitze kommt aus der Luft
Jäger im Schwarzwald-Baar-Kreis wollen Tod im Mähwerk verhindern
SCHWARZWALD-BAAR-KREIS (sbo) - Zehn Piloten, bestehend aus Jägern, Tierschützern und weiteren Interessierten haben sich dieser Tage zu einer ersten Einweisung an der neuen Drohne getroffen. Die Jäger des Schwarzwald-Baar-Kreises haben die Möglichkeit geschaffen, kreisweit Rehkitze vor Tod oder Verstümmelung in den Mähwerken der Landwirte zu retten. Dabei kommen Drohen zum Einsatz.
„Die Mitglieder der Jägervereinigung Schwarzwald-Baar sehen sich sowohl als Partner der Forst- und Landwirte, aber auch als Naturschützer und Fürsprecher für unsere heimischen Wildtiere“, betont Kreisjägermeisterin Dunja Zimmermann. „Wie kann das gehen, werde man sich fragen?“, so Dunja Zimmermann. Denn mit der Jagd wird in der Regel die Fleischgewinnung in Verbindung gebracht. Allerdings sei in der Öffentlichkeit weniger bekannt, dass sich Jäger mit dem Ablegen der Jägerprüfung verpflichten, den Wildbestand zu hegen und für einen gesunden, nachhaltigen und artenreichen Bestand zu sorgen.
Der Jäger als Heger schaffe beispielsweise kleine Wildäcker, damit das Wild sowohl Deckung als auch Futter im Winter findet, wenn alle anderen Felder abgeerntet sind. Im Sommer profitierten davon aber auch Schmetterlinge, Falter, Bienen und andere Insekten. Oft würden so kostbare Biotope erhalten oder sogar neue geschaffen. „Was einen gesunden und artenreichen Wildbestand angeht, so werden unsere Wildtiere vor immer größere Herausforderungen gestellt. Sei es durch den immer enger werdenden natürlichen Lebensraum oder auch den Straßenverkehr. Mit großer Sorge beobachten wir, dass durch den Einsatz immer effektiverer Landmaschinen viele Wildtiere, insbesondere Bodenbrüter wie Fasan oder Rebhuhn, oder auch Rehkitze verletzt oder getötet werden“, erzählt die erfahrene Jägerin .
Internationale Forschungsprojekte würden seit langem intensiv an einer Lösung dieses Problems arbeiten. „So wurden zum Beispiel tragbare Infrarotsensoren erfolgreich zur Wildrettung eingesetzt. Diese Technik wurde Schritt für Schritt zu einem fliegenden Wildretter weiterentwickelt“, betont Zimmermann. Daher habe sich in den vergangenen Jahren der Einsatz von Drohnen in Kombination mit Wärmebildtechnik im Bereich vor allem der Rehkitzsuche etabliert.
Bei dieser schnellen und zuverlässigen Methode komme ein Multikopter mit hochsensibler Infrarotkamera zum Einsatz. Derzeit würden Drohnen in Deutschland jedoch noch nicht flächendeckend eingesetzt, unter anderem auch deshalb, weil sie in der Anschaffung recht teuer sind. „Gute Fluggeräte inklusive Steuereinheiten, Monitoren und Zubehör kosten zwischen sechs- und zehntausend Euro“, weiß sie. Jedes Frühjahr stünden Landwirte vor dem gleichen Problem: Vegetations- und witterungsbedingt bleibe nur ein kleines Zeitfenster, um die Wiesen für Heu und Silage zu mähen. Dabei seien Wildtiere in dichten Grasbeständen aber meist für den Landwirt mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Betroffen seien vor allem Rehkitze, da gerade in ihren ersten Lebenswochen die erste Mähperiode des Grünlands anstehe.
„Rehkitze werden von ihren Müttern häufig in den dichten Wiesen auf landwirtschaftlichen Flächen versteckt, weil sie im hohen Gras wegen der typischen weißen Punkte auf dem Rücken und dem fehlenden Eigengeruch gut vor Räubern geschützt sind“, nennt die Kreisjägermeisterin Gründe dafür. Anstatt zu fliehen, würden die Kitze reglos und geduckt auf dem Boden verharren, wenn ihnen Gefahr drohe. Aus diesem Grunde werden jedes Jahr in
Deutschland etwa 100 000 Rehkitze durch den Einsatz von landwirtschaftlichen Mähmaschinen verletzt oder kommen ums Leben. Doch nicht nur die betroffenen Wildtiere sind dadurch gefährdet, sondern auch die Nutztiere im Stall, die später das durch den Kadaver mit Giftstoffen kontaminierte Futter aufnehmen. Diese durch Bakterien erzeugten Giftstoffe könnten auch bei Rindern tatsächlich zum Tode führen. „Einen sicherlich vielen Menschen im Landkreis bekannten Fall von Botulismus hatten wir im August 2018 in Brigachtal auf dem Hof der Familie Schwörer. Hier starben 54 Rinder an vergiftetem Futter“, erinnert Zimmermann.
Der Einsatz von Drohnen mit Wärmebildtechnik zur Wildtier-, insbesondere Rehkitzrettung, stellt aktuell die beste Alternative zu bisherigen Verfahren wie Vergrämung oder Begehung dar, da sie deutlich effektiver und zugleich zeitsparender sei. „Wir konnten die untere Jagdbehörde des Schwarzwald-Baar-Kreises davon überzeugen, sich unseren Plänen zur Kitzrettung anzuschließen und ebenfalls eine Drohne mit Wärmebildkamera zu beschaffen. Unser gemeinsames Ziel ist die Schaffung eines nachhaltigen Drohnennetzwerkes mit möglichst vielen Drohnen, Piloten und Einsatzteams, die über den gesamten Landkreis zur
Kitzrettung eingesetzt werden können“, setzt die Kreisjägermeisterin Akzente.
Der Auf- und Ausbau sei ein Gemeinschaftsprojekt der Kreisjägervereinigung, des Landkreises und vieler Freiwilliger, die sich daran beteiligen wollen – so arbeitet derzeit auch der Tierschutzverein Triberg und Umgebung daran. Eine Gruppe von zehn Drohnenpiloten, bestehend aus Jägern, Tierschützern und weiteren Interessierten habe sich dieser Tage zu einer ersten Einweisung an der neuen Drohne getroffen, die mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist, schildert sie das derzeitige Vorgehen. Weitere Trainingsstunden würden folgen, damit eine sichere Handhabung des teuren Fluggerätes gewährleistet sei. „Der Einsatz der Kitzretter ist ehrenamtlich und kostenlos. Wir stellen unsere Drohne, die Helfer und Piloten den Landwirten kostenlos zur Verfügung.“
Wichtig für die Planung ist, dass spätestens bis 13 Uhr des Vortages des geplanten Mähtermines bei der zentralen Hotline die Reservierung eingeht. Unter der Telefonnummer 0176/ 21 77 51 36 kann zwischen 8 und 13 Uhr die Reservierung der Drohne für den Mähtermin am nächsten Tag unter Angabe des Namens, der Telefonnummer, des Ortes und der zu mähenden Flurstücknummer erfolgen.