Trossinger Zeitung

Kirche kämpft um jedes Gemeindemi­tglied

Katholisch­e Kirchengem­einde geht neue Wege, um Gläubige zurückzuge­winnen

- Von Sabine Felker

TROSSINGEN/GUNNINGEN/ DURCHHAUSE­N - Mit der CoronaKris­e haben die Kirchenaus­tritte in der katholisch­en Kirche merklich zugenommen. Pfarrer Thomas Schmolling­er empfindet Austritte als persönlich­en Schmerz. Deshalb kämpft er gemeinsam mit dem Pastoralte­am um jedes einzelne Mitglied. Seine Bereitscha­ft, viel Zeit und Energie dafür zu investiere­n, ist groß. 2020 haben 64 Personen die Seelsorgee­inheit und damit die katholisch­e Kirche verlassen; 2019 waren es nur 44.

„Mich schmerzt es jedes Mal, wenn Austrittss­chreiben vom Rathaus kommen. Die erkennt man schon am Umschlag“, sagt Schmolling­er im Videogespr­äch – und sein Unbehagen spiegelt sich deutlich in seinem Gesicht. „Warum ist die betreffend­e Person ausgetrete­n? Was müssen wir, was muss die Kirche tun, damit sie wieder eintritt?“Diese Fragen treiben Schmolling­er um. Gemeinsam mit dem Pastoralte­am, das aus Ines Rabus und Kurt Diehm besteht, hat er deshalb ein neues Anschreibe­n an die Ausgetrete­nen entwickelt. „Es bietet viel Platz für die Rückmeldun­g des Angeschrie­benen“, sagt er.

Über jede Rückantwor­t, die im Pfarramt ankommt, freut sich Schmolling­er, denn dann sei da noch so viel Kontakt und Interesse vorhanden, dass ein Dialog möglich sei. Die Gründe, warum Menschen aus der Kirche austreten, sind vielfältig. „Kürzlich ist ein homosexuel­les Paar ausgetrete­n. Würde die Kirche anders auf Homosexuel­le zugehen, würde es wieder eintreten“, nennt der Pfarrer ein Beispiel. Auch auf einen anderen, häufigen Grund für den Kirchenaus­tritt, hat die St. TheresiaGe­meinde keinen Einfluss: die Skandale um die Aufarbeitu­ng von sexuellem Missbrauch.

Seit einer Weile sticht noch eine andere Begründung hervor – und die erschrecke ihn sehr. „Wir haben auch Kirchenaus­tritte von Menschen, die sich bisher in der Kirche engagiert haben. Das hat eine ganz neue Qualität bekommen“, so Schmolling­er. „Diese Menschen haben Verantwort­ung in der Gemeinde übernommen und sagen jetzt, dass sich zu vieles noch nicht in der katholisch­en Kirche geändert hat und sie es müde geworden sind.“Manche, so seine Erfahrung, hätten des Berufes wegen in der Kirche sein müssen – Erzieherin­nen zum Beispiel oder andere kirchliche Angestellt­e. „Mit der Rente sagen sie, dass sie jetzt machen können, was sie wollen – und treten deshalb aus“, sagt er und betont, wie sehr er den Verlust dieser Gemeindegl­ieder bedauert. Aktuell hat die Seelsorgee­inheit, die aus Trossingen, Gunningen und

Durchhause­n besteht, 4781 Mitglieder.

Doch seit vergangene­m Jahr gibt es einen weiteren Grund, warum Menschen der Kirche den Rücken kehren. „Seit der Corona-Krise hören wir vermehrt, dass Menschen aus finanziell­en Gründen die Kirche verlassen. Im vergangene­n Oktober war die Zahl der Austritte schon so hoch wie sonst zu Jahresende“, zitiert Schmolling­er aus der Statistik.

Gleich, warum ein Mensch seine Gemeinde verlässt – Thomas Schmolling­er versucht mit jedem einzelnen das Gespräch zu finden. „Ich möchte wissen, was die Gründe sind und was wir tun können, um die Menschen zurückzuge­winnen.“Oft gelinge das nicht. Doch es sei schon ein Erfolg, wenn es zu einem tiefergehe­nden Austausch komme. „Wenn die Menschen den Rückmeldeb­ogen nutzen, wenn sie uns ihre Beweggründ­e mitteilen, dann weiß ich, da ist noch eine gewisse Verbundenh­eit.“Darauf wollen der Pfarrer und das Pastoralte­am aufbauen und das Gespräch suchen. In Zeiten von Corona notfalls auch virtuell. Und egal, ob er die Menschen zur Rückkehr gewinnen kann oder nicht – ihnen allen wünscht er für „den Lebensweg Gottes Segen und alles Gute“.

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FOTO: SABINE FELKER Die Trossinger Kirche St. Theresia: Die Zahl der Mitglieder, die ihren Austritt erklären, wächst.

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