Wände wie offene Fenster
Energiegutachten des Seitingen-Oberflachter Rathauses zeigt extreme Mängel auf
SEITINGEN-OBERFLACHT - Dass das Rathaus der Gemeinde Seitingen-Oberflacht energetisch nicht gerade im Idealzustand ist, ist bereits seit Jahren bekannt. Wie schlecht es aber tatsächlich um das Gebäude steht, ist nun in einem Energiegutachten untersucht worden. Die gute Nachricht lautet: Werden alle vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt, kann das Rathaus das Niveau eines KfW-100-Effizienzhauses (s. Kasten) erreichen. Die schlechte Nachricht: Im aktuellen Zustand ist das Gebäude meilenweit davon entfernt.
Max Stützle von der Firma Energex stellte das Gutachten sowie mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz per Videoschalte im Gemeinderat vor. Heizung, Beleuchtung, Fenster und Dämmung – das alles habe das Unternehmen genau untersucht. Das Einsparpotenzial ist groß: Rund 40 Prozent der benötigten Energie verpufft derzeit über Transmissionsverluste, wird also aufgrund schlechter Isolierung an die Umgebung abgegeben. Dementsprechend hoch ist der Energiebedarf: Aktuell liegt dieser bei rund 336 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen sei es möglich, diesen auf 114 Kilowattstunden zu senken, so der Energieberater. Damit ließen sich auch die Energiekosten deutlich verringern: von etwa 20 000 auf rund 12 000 Euro im Jahr. Die Schwachstellen im Überblick:
„Das Gebäude sieht schön aus, aber die Betonwand ist schon der erste Schwachpunkt“, sagte Stützle. „Jeder denkt, dicke Wände sind gut. Dabei ist Beton vom Wärmewert wie ein offenes Fenster.“Rund 30 Prozent der Transmissionsverluste werden laut Stützle über die Außenwände abgegeben. Der Knackpunkt: Weil das Seitingen-Oberflachter Rathaus unter Denkmalschutz steht, ist eine Außendämmung nicht möglich. „Der Architekt muss prüfen, ob eine Innendämmung möglich ist“, so Bürgermeister Jürgen Buhl.
Auch das Dach trägt mit etwas mehr als 30 Prozent zum Wärmeverlust des Gebäudes bei. Bei der Dachdämmung sieht Stützle verschiedene Möglichkeiten, die die Energiebilanz des Rathauses verbessern würden. Zwar gebe es bestimmte Werte, die der Architekt im Rahmen der Wärmeschutzverordnung
Außenwände: Dach:
einhalten müsse, aber bei der Umsetzung sei man frei, so Stützle.
Fenster:
An einem Austausch der Fenster führt nach Einschätzung von Stützle kein Weg vorbei. Rund 20 Prozent der Energieverluste finde derzeit über die Fenster und Türen statt. „Man sieht beim Holz bereits Abnutzungen. Die Fenster sind auch nicht luftdicht“, erläuterte Stützle. Außerdem sei keine Isolierverglasung vorhanden, auch das müsste im Rahmen einer Sanierung geändert werden. Eine Dreifachverglasung sei jedoch nur dann möglich, wenn auch die Außenwände entsprechend gedämmt werden. „Sonst sind die Fenster besser als die Wand“, sagte Stützle. Und das könne zu Schimmel führen.
Laut Bürgermeister Buhl gehe im Winter viel Wärme über die Fenster verloren, im Sommer heize sich das Rathaus aber umso mehr auf. Auf die Frage, wie sich eine Zweifachverglasung auf dieses Problem auswirken würde, erklärte Stützle: „Im Winter ist eine Zweifachverglasung gut, im Sommer müsste man dann aber mit Außenjalousien arbeiten, sonst wird es trotzdem heiß.“Bei Dreifachverglasung sei das nicht nötig. Immerhin: Auch mit einer Zweifachverglasung sei der KfW-100-Wert zu erreichen.
Bis auf die Pumpe sei auch die Heizung des Rathauses nicht auf dem aktuellen Stand. „Da muss man auf jeden Fall etwas machen“, so
Heizung:
Stützle. Zwei Möglichkeiten stünden im Raum: Eine Pellet-Heizung oder die Nutzung von Nahwärme. „Da brauchen wir uns zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht genau festlegen“, sagte Bürgermeister Buhl. Stützle zeigte auch die Möglichkeit auf, eine Fußbodenheizung in den Estrich einzufräsen. Neue Heizkörper hielt er nicht unbedingt für nötig: „Solange sie nicht rosten oder undicht sind, wäre das nur eine optische Sache.“
Zur Beleuchtung des Gebäudes merkte Stützle an, dass diese nur teilweise mit LED-Leuchten ausgestattet sei. Das sollte nach und nach umgestellt werden.
„Es gibt wirklich Bedarf an Gebäudehülle und Technik“, stellte der Energieberater abschließend fest. „Wir brauchen gerade fast dreimal so viel Energie, als wenn das Gebäude ein Neubau wäre.“Viele Bauteile seien zudem nicht mehr normgerecht. „Wenn Sie etwas anfassen, dann müssen Sie auch da etwas machen“, so Stützle. Er schlug vor, die Luftdichtheit zu überprüfen – dabei werde Luft in das Gebäude hineingeblasen bzw. dem Gebäude entzogen, um undichte Stellen auszumachen. Insgesamt gebe es nach seiner Einschätzung das größte Einsparpotenzial im Bereich des Daches und der Außenwände.
Bürgermeister Buhl war über das Ergebnis wenig überrascht. „Aber jetzt haben wir schwarz auf weiß, wo man den Finger in die Wunde legen
Leuchtmittel:
kann“, sagte er zuversichtlich. Schließlich stehe man mit der Rathaussanierung noch ganz am Anfang. Mit einem Architekturbüro habe die Gemeinde bereits Kontakt aufgenommen. Dieses sei bei der Sanierung des Meßstettener Rathauses in ähnlicher Bauweise tätig gewesen. Das Gutachten soll laut Buhl als Grundlage für die Planungen des Architekten dienen. Über die energetische Sanierung hinaus sei es nötig, Barrierefreiheit zu schaffen. Ziel sei, als Schwerpunktgemeinde in das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) aufgenommen zu werden. Dieses lasse sich laut Stützle gegebenenfalls auch mit KfW-Förderungen ergänzen.