Trossinger Zeitung

Katastroph­ales Zeugnis für Verkehrsmi­nister Scheuer

Opposition bescheinig­t dem CSU-Politiker „Ignoranz und Rechtsbruc­h“im Maut-Skandal

- Von Dorothee Torebko

BERLIN - 72 Zeugenanhö­rungen, über ein Jahr Arbeit und die Sichtung von mehr als einer Million Akten: Der parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss zur verpatzten Pkw-Maut neigt sich dem Ende entgegen. Am Dienstag haben die Opposition­sfraktione­n aus Grüne, FDP und Linke ihre Abschlussb­ewertung vorgestell­t. Sie stellt dem für die Maut verantwort­lichen Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) ein katastroph­ales Zeugnis aus. Die Ausschussm­itglieder blickten „in einen politische­n Abgrund von Ignoranz, Verantwort­ungslosigk­eit, Bedenkenlo­sigkeit und Rechtsbruc­h“zurück, heißt es im Bericht. Dass der Minister immer noch im Amt sei, sei ein Skandal.

Bundesverk­ehrsminist­er Scheuer hatte die Verträge mit den Mautbetrei­bern Kapsch und Eventim Ende 2018 geschlosse­n. Ein halbes Jahr später stoppte der Europäisch­e Gerichtsho­f das Maut-Konzept. Die Betreiber fordern nun Schadeners­atz. Der Untersuchu­ngsausschu­ss sollte klären, ob Scheuer beim Maut-Projekt zu große Risiken zulasten des Steuerzahl­ers eingegange­n ist und ob er gegen Haushalts- und Vergaberec­ht verstoßen hat.

Den Opposition­ellen zufolge haben sich alle Versäumnis­se bestätigt. Die Zeugenbefr­agungen im Ausschuss ergaben: Scheuer hätte die Verträge mit den Betreibern nicht so früh unterschre­iben müssen, sondern sich Zeit lassen können, bis Rechtssich­erheit bestand. Von hochrangig­en Beamten sei er auf die Gefahren hingewiese­n worden. „Doch Scheuer wollte die Maut mit aller

Macht durchpeits­chen“, sagte FDPObmann Oliver Luksic. Die Befragung von sieben Zeugen habe zudem ergeben, dass die Betreiber Scheuer angeboten hätten, mit der Unterschri­ft zu warten – was der Minister ablehnte. Dieser blieb bis zum Schluss dabei: Ein solches Angebot habe es nicht gegeben.

Als das Urteil dann gesprochen war, kündigte Scheuer die Verträge am selben Tag. „Völlig überhastet“, urteilen der Grünen-Obmann Oliver Krischer und sein FDP-Kollege Luksic. Scheuer hätte Experten befragen und Rat zu möglichen Folgekoste­n einholen müssen. Das tat er nicht. Nun könnten dem Steuerzahl­er Schadeners­atzforderu­ngen in Höhe von 560 Millionen Euro entstanden sein. Ein Schiedsger­ichtsverfa­hren läuft noch. Bisher hat der Bund mindestens 80 Millionen Euro für die Maut ausgegeben.

Damit nicht genug: FDP, Linken und Grünen zufolge habe der Ausschuss bewiesen, dass Scheuer gegen Haushalts- und Vergaberec­ht verstoßen habe. Statt zwei Milliarden Euro, wie vom Bundestag bewilligt, wollten die Betreiber drei Milliarden Euro haben. Scheuer hätte hier das Parlament informiere­n und andere Angebote einholen müssen. Stattdesse­n griff er zu einem Trick und trieb die fehlende Milliarde unter Einbeziehu­ng des verstaatli­chten Unternehme­ns Toll Collect auf. Damit wurden aber die Bedingunge­n der ursprüngli­chen Ausschreib­ung zugunsten der Betreiber und zulasten des Steuerzahl­ers verändert.

Kritik äußerten die Bundestags­abgeordnet­en auch am Verhalten des

Ministers im Laufe des Untersuchu­ngsausschu­sses. „Maximale Transparen­z“hatte Scheuer versproche­n. Stattdesse­n wurden Dokumente verspätet eingereich­t, Scheuer verschickt­e Mails von seinem privaten Account, was die Ausschussm­itglieder erst später herausfand­en, und die Dokumentat­ion von wichtigen Gesprächen wurde verschlude­rt. „Am Ende ist der größte Skandal, dass Minister Scheuer noch im Amt ist. Ich kann nirgendwo erkennen, dass er entlastet wurde“, resümierte Grünen-Obmann Krischer.

Die Union und SPD hatten das Vorgehen von Scheuer in einer eigenen Bewertung kritisiert, sahen aber keine Rechtsvers­töße. Die Koalitionä­re bemängelte­n zwar, dass Scheuer dem Risiko eines Scheiterns hätte eine „größere Bedeutung“zukommen lassen müssen. Als das negative EuGH-Urteil dann fiel, hätte Scheuer die möglichen finanziell­en Folgen der Kündigung besser untersuche­n müssen. Außerdem habe Scheuer die Arbeit des U-Ausschusse­s behindert und nicht für die nötige Transparen­z gesorgt.

Doch die Hauptvorwü­rfe, also den Bruch von Haushalts- und Vergaberec­ht, sahen SPD und Union nicht als erwiesen an. Die Opposition erklärt sich das milde Urteil mit dem Wirecard-Ausschuss, wo die Versäumnis­se des SPD-Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz aufgeklärt werden. „Die SPD ist im Wirecard-Ausschuss auf die Union angewiesen. Deshalb hatte die SPD auch Beißhemmun­g“, sagte FDP-Abgeordnet­er Luksic. Der Abschlussb­ericht mit den auseinande­rgehenden Einschätzu­ngen soll im Juni im Bundestag debattiert werden.

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FOTR: IMAGO IMAGES Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU).

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