Corona bleibt die größte Herausforderung
100 Tage im Amt: Bürgermeisterin Susanne Irion zieht ein erstes Zwischenfazit
TROSSINGEN - Trossingens Bürgermeisterin Susanne Irion ist am Mittwoch seit 100 Tagen im Amt. Zeit, ein erstes Zwischenfazit zu ziehen: Welche Herausforderungen hinter und vor ihr liegen, was sich in der Stadt bereits verändert hat und ob sie sich schon mal ins Rathaus von Holzmaden zurückgewünscht hat, erzählt sie im Gespräch mit unserer Zeitung.
Am 1. Februar hat Susanne Irion offiziell die Amtsgeschäfte im Trossinger Rathaus übernommen. Über zu wenig Arbeit kann sie sich nicht beklagen: Mit sechs bis acht Terminen ist ihr Tag durchgetaktet, und von Anfang an lagen große, auch kontrovers diskutierte Themen auf ihrem Schreibtisch. „Oft ist es so, dass ich mir bei Themen schnell einen Überblick verschaffen kann“, stellt die Bürgermeisterin fest. „Aber auf der anderen Seite entdecke ich oft noch Neues.“
Große Überraschungen, sagt sie, habe sie in Trossingen aber nicht erlebt. „Mir war bekannt, welche Themen anstehen - auch in Zukunft. Ich wusste, dass es hier ein reges Vereinsleben und eine bunte Kulturlandschaft gibt“, sagt sie. „Und auch die Leitung eines größeren Hauses habe ich mir ungefähr so vorgestellt.“Holzmaden, wo sie zuvor Bürgermeisterin war, ist eine 2400-Einwohner-Gemeinde mit dementsprechend deutlich kleinerer Verwaltung. Zurückgewünscht habe sie sich dorthin noch nie. „Ich wollte hier sein und ich bin hier glücklich“, sagt Irion. Mit Blick auf die umstrittene Amazon-Ansiedlung fügt sie hinzu: „Auch wenn es Momente gibt, in denen ich mir wünsche, dass wir zu Themen zurückkommen, die die Stadt voranbringen. Strategisch werden Themen wie Schulen und Alterstrukturen für die Zukunft wichtig, und da tut sich einiges.“
Einen wirklichen „Alltag“gebe es als Bürgermeisterin nicht - besonders nicht während der Corona-Pandemie. Die Verordnung und Vorgaben ändern sich oft schnell. „Ich beobachte mit Argusaugen die Entwicklung, das begleitet meinen Alltag mit“, sagt Susanne Irion. Veranstaltungen wie der Kultursommer oder der Saisonstart der Troase hängen von den Fallzahlen und damit einhergehenden Beschränkungen ab. Die Pandemie sei sicherlich die größte Herausforderung ihrer bisherigen Amtszeit, da sie alle Bereiche der Verwaltung betreffe. Das erste, was sie tun möchte, sobald es wieder möglich ist: „Ich freue mich riesig darauf, mal wieder in ein Konzert zu gehen, auf ein Fest oder in ein Restaurant - sowohl privat als auch beruflich“, sagt Irion. „Und ich bin mit dem Versprechen von mehr Bürgerbeteiligung angetreten, was während Corona natürlich schwierig umzusetzen ist.“
Neben Corona halten laufende Bauprojekte wie die Schulmensa, der Kindergarten Albblick oder der BMCO-Neubau bei der Bundesakademie die Bürgermeisterin auf Trab. „Dazu kommen dann oft Kleinigkeiten. Heute morgen zum Beispiel ging es darum, wie wir den Platz beim neuen evangelischen Gemeindehaus gestalten“, erzählt sie.
Viele Kleinigkeiten seien es auch, die ihr in den vergangenen 100 Tagen besondere Freude gemacht hätten. Der große Zulauf bei der Stadtputzete, die von Jugendlichen mit Graffiti aufgepeppten Stromkästen und Schwerpunktaktionen zum Thema Geschwindigkeit zählt sie unter anderem auf. Das Netteste, was ihr seit Februar gesagt wurde? „Wann immer jemand sagt, dass es gut läuft. Sei es aus dem Gemeinderat oder aus der Bürgerschaft“, meint Susanne Irion. Schön sei auch gewesen, wenn Trossinger in der Bürgersprechstunde nur auf einen Plausch vorbeigeschaut hätten.
Doch sie habe in den vergangenen Monaten auch unerfreuliche Erfahrungen gemacht. „Schlimm war, als die beiden Rehe am Gauger getötet wurden“, erinnert sie sich an den Vorfall Ende April. „Dass sich die Autoposer-Szene Richtung Trossingen verlagert, ist auch nicht erfreulich.“
Und auch mit der Kritik der Amazon-Gegner habe sie sich manchmal schwer getan. „Zum einen hatte ich das Gefühl, dass eine Erwartungshaltung
besteht, die ich gar nicht erfüllen kann“, sagt sie. „Zum anderen braucht es einfach auch Zeit, um Dinge richtig zu bearbeiten.“Letzteres hatte sie in der vergangenen Gemeinderatssitzung bereits betont, als die Anwohner der Kirchhalde und die BI Schura nachhakten, wann ihnen Einsicht in den Kaufvertrag zwischen Stadt und Investor gewährt wird.
Insgesamt zieht Susanne Irion aber eine positive Bilanz der ersten 100 Tage. Im Februar hatte sie erläutert, sich in den ersten Wochen und Monaten anschauen zu wollen, wo in Stadt und Verwaltung Veränderungen und Verbesserungen nötig sind. „Inzwischen haben wir schon manches geändert: Es wird einen Schulausschuss geben, der die Schulen stärker einbindet. Der Gemeinderat
beschäftigt sich in der kommenden Sitzung mit den Bauplatzvergaberichtlinien. Und auch in Sachen Stadtsauberkeit sind wir vorangekommen“, stellt sie fest. „Es sind einige Projekte in der Pipeline.“
In der Stadtverwaltung selbst werde gerade überprüft, ob in den verschiedenen Bereichen genügend Personal vorhanden ist. Bereits während ihres Wahlkampfes hatte sie angekündigt, dass sich die Stadtverwaltung den Bürgern im Falle ihrer Wahl vorstellen würde. „Das möchten wir auch tun, wobei es durch Corona schwierig ist“, sagt Susanne Irion. „Allerdings steht im kommenden Jahr das 500-jährige Bestehen des Alten Schul- und Rathauses an. Das wäre sicher ein schöner Anlass, gemeinsam etwas zu machen.“