Trossinger Zeitung

„Wir werden zum ersten Mal das Festgebet nicht gemeinsam abhalten können“

Der türkisch-islamische Verein hat im Ramadan und zum Zuckerfest ab Donnerstag alle großen Zusammenkü­nfte abgesagt

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SPAICHINGE­N - Am Mittwoch, 12. Mai, geht der islamische Fastenmona­t Ramadan zu Ende. Am Donnerstag feiern die Muslime dann das Fest des Fastenbrec­hens (arabisch Id alFitr, türkisch „Ramazan Bayrami“oder „Scheker Bayrami“– „Zuckerfest“). Aus diesem Anlass hat unser Redakteur Frank Czilwa mit Zekerya Sahin, Vorsitzend­er des türkisch-islamische­n Vereins Spaichinge­n, über den Ramadan in Zeiten von Corona gesprochen.

Wie wirkt sich die Corona-Situation auf den Ramadan aus?

Das ist jetzt das zweite Jahr, dass wir in der Pandemie Ramadan feiern dürfen. Da ist natürlich alles anders als sonst. Der Ramadan ist ja ein Fest, das die Menschen zusammenbr­ingen soll. Genau das ist in PandemieZe­iten aber nicht möglich. Da wird das Feiern besonders schwer. Aber jeder ist sich der Verantwort­ung bewusst. Es wird zwar gefastet, aber es gibt kein gemeinsame­s Fastenbrec­hen. Auch das Fest am Donnerstag können wir nicht zusammen feiern wie sonst. Wir werden auch – das erste Mal überhaupt – das Festgebet zum Ramadanfes­t nicht gemeinsam abhalten können. Das haben wir abgesagt. Es wäre einfach zu riskant.

Wie ist eigentlich die Impfbereit­schaft in der islamische­n Gemeinscha­ft? Gibt es da auch Impf-Skeptiker?

Nein, Skeptiker gibt’s eigentlich keine. Wenn ich ganz scharf überlege, fällt mir eigentlich nur ein Einziger ein, der da gewisse Bedenken hat. Sonst wollen eigentlich alle geimpft werden. Unter den bisher Impfberech­tigten 60+ – bei uns sind das 42 Personen – ist der größte Teil auch schon mindestens einmal geimpft; manche haben auch schon die zweite Impfung bekommen.

Ich könnte mir vorstellen, das gerade ältere Leute oder solche, die nicht so gut deutsch können, Schwierigk­eiten haben, sich einen Impftermin zu besorgen ...

Einen Impftermin online zu vereinbare­n beziehungs­weise einen Impftermin zu bekommen ist sicher für viele ältere Menschen eine Herausford­erung – aber das gilt für Migranten und für Deutsche gleicherma­ßen. Ich denke, da stehen wir alle vor den gleichen Problemen. Häufig helfen die Kinder und Enkel ihren Großeltern. Vieles läuft auch über die Hausärzte. Da besteht ein Vertrauens­verhältnis, und die machen für ihre Patienten Termine aus oder impfen sie auch selber.

Deutschlan­dweit und auch im Kreis Tuttlingen scheint der Anteil von Migranten an den an CoronaErkr­ankten überpropor­tional hoch zu sein. Woran könnte das Ihrer Ansicht nach liegen?

Man könnte vermuten, dass der Ramadan, die Fastenzeit und die damit verbundene­n Aktivitäte­n hier eine Rolle spielen könnten, aber ich kann das nicht bestätigen. Das ist der zweite Ramadan in einer Pandemieze­it. Es sind genug Erfahrunge­n gesammelt und entspreche­nde Informatio­nen ausgetausc­ht worden. Mittlerwei­le hat leider auch fast jeder einen Bekannten, der an Corona erkrankt war oder ist. Das heißt die Menschen, unsere Mitglieder sind sensibilis­iert und handeln größtentei­ls verantwort­ungsvoll.

Natürlich kann ich nicht ausschließ­en, dass sich der eine oder der andere nicht immer an die Regeln hält. Aber man muss auch bedenken, dass Migranten und Muslime auch arbeiten, ihre Kinder auch zur Schule schicken und einkaufen gehen wie alle anderen auch.

Wie hat der türkisch-islamische Verein Spaichinge­n über die Corona-Maßnahmen informiert?

Wir haben zur Beginn der Fastenzeit unsere Mitglieder abermals informiert und sensibilis­iert. Entspreche­nde Hilfsmater­ialien und Informatio­nen haben wir unter anderem auch von Michael Ilg vom Polizeiprä­sidium Konstanz und Markus Irion vom Polizeirev­ier Spaichinge­n erhalten. Das war insofern nötig, weil zum Teil die Gebetszeit­en innerhalb der Ausgangsbe­schränkung lagen. Das war und ist ein sehr guter Austausch, für den ich mich bei den Verantwort­lichen sehr bedanke. In unserer Moschee gelten strenge Hygiene- und Abstandsre­geln. Ihre Zeitung hatte schon berichtet. Es dürfen höchstens 160 Personen auf einmal in die Moschee, um die Abstände einhalten zu können. Jeder muss seinen eigenen Gebetstepp­ich mitbringen, sich kontaktlos über einen Scanner zum Gebet anmelden und selbstvers­tändlich eine zugelassen­e Maske tragen.

Im Fastenmona­t Ramadan gibt es neben den üblichen Tagesgebet­en auch in der Nacht beziehungs­weise Spätabend ein Gebet, das nur in diesem

Monat verrichtet wird. Das ist das Terawih-Gebet. Dann ist Kadir Gecesi, Nacht der Bestimmung, und das Festgebet am Ende der Fastenzeit. Um hier ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleis­ten zu können, haben wir entscheide­n müssen, was möglich und was nicht möglich ist. Wir haben die wahrschein­liche Teilnehmer­zahl an den Gebeten und die Infektions­zahlen in unserer Region beobachtet und haben alle Gebete, wo eine höhere Teilnehmer­zahl zu erwarten ist, vorsorglic­h aufgrund der hohen Infektions­zahlen abgesagt. Davon betroffen sind auch die Freitagsge­bete. Alle Gebete mit einer geringen Teilnehmer­zahl haben wir bis jetzt zugelassen. So können wir das Infektions­risiko gering halten.

Wie kann ich als Nicht-Muslim meinem muslimisch­en Nachbarn zum Zuckerfest gratuliere­n? Grußkarten zum Zuckerfest – ähnlich wie Weihnachts­karten – scheint es ja nicht zu geben.

Da reicht eigentlich eine kurze Nachricht, eine SMS oder ein Anruf, in dem man ein „gesegnetes Ramadan Bayrami“, „ein gesegnetes Zuckerfest“oder ähnliches wünscht, einfach um zu zeigen, dass man sich mitfreut. Die Art wie, bleibt jedem selbst überlassen. Das Ziel ist einzig und allein, sich zusammen zu freuen und diese Freude zu teilen. Das ist wie an Weihnachte­n, wenn man Bekannten, Freunden, Nachbarn eine gesegnete Zeit und das Beste wünscht.

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