ÖPNV: Kreis bremst mit Blick auf Kosten
Das Land will Struktur stärken und mehr Busse als Zubringer zum Zug fahren lassen
TUTTLINGEN - Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) soll ausgebaut werden. Das will das Land Baden-Württemberg. Mit den Landkreisen Tuttlingen, Rottweil und Schwarzwald-Baar hat man sich auf den ÖPNV-Pakt Schwarzwald-BaarHeuberg geeinigt. Bei einigen Themen, die über den Ausbau des Ringzugs oder eine Tarifreform hinausgehen, steht der Landkreis Tuttlingen noch etwas auf der Bremse. Zustimmung gab es für die Rahmenvereinbarung dennoch.
„Es steht vieles darin, was man als verpflichtend lesen kann“, sagte Landrat Stefan Bär, nachdem der ÖPNV-Pakt den Kreisräten im Ausschuss für Mobilität und Verkehr vorgestellt worden war. Das Aber des Verwaltungschefs ließ nicht lange auf sich warten. „Die Rahmenvereinbarung ist aber kein rechtsverbindlicher Vertrag mit einklagbaren Regeln“, stellte er klar. Das Schriftstück sei eine gegenseitige Interessensbekundung, mit dem Verkehrsministerium und den drei Kreisen besprochen und politisch bindend.
Bis die Vorstellungen überein passen, es zu einem „ganzheitlichen Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Region“und der Entwicklung eines „Verkehrs- und Mobilitätsverbund“kommt, wie im ÖPNV-Pakt beschrieben, wird es wohl noch einige Zeit brauchen. Den Beteiligten sei „bewusst, dass die (...) Ziele einen starken politischen Willen, eine längere Realisierungsdauer und eine außerordentliche finanzielle Anstrengung in den nächsten Jahren erfordern.“Aufgrund zweier Bereiche und dem Vorbehalt der Haushaltsund Fördersituation erscheint es nicht wahrscheinlich, dass die Vorhaben
ANZEIGE
bis 2027 bearbeitet sind.
Das Land wünscht sich, dass die Zubringerfunktion der Busverkehre zum Zug noch verstärkt wird. Diese Unterstützung der Kreise, die ohnehin mit hohen Kosten belastet sind, soll angemessen bezahlt werden. Beim geplanten Verfahren, wie die Einnahmen aufgeteilt werden sollen, erwarte man sich noch eine Konkretisierung, sagte Bär. Das Land hatte die Einnahmen vom Ringzug im Zuge eines neuen Finanzierungsvertrags für sich beansprucht.
Die Forderung, dass die Busse sich an den Stundentakt der Züge von 5 bis 24 Uhr angleichen sollen, sowie dass die Fahrten auch in Schwachlastzeiten durch Rufbusse abgedeckt werden sollen, empörte dann die Kreisräte. „Ich habe ein Problem damit, wenn das Land vorschreibt, wie lange die Busse fahren sollen, obwohl niemand drin sitzt und mitfährt“, meinte Susanne Reinhard-Klotz (OGL).
Auch bei der Umsetzung einer Regiobuslinie aus der Region dürfte es Skepsis geben. Wieder ist die Route Stockach nach Tuttlingen, die vor Jahren aus wirtschaftlichen Gründen vom Kreis abgelehnt worden war, im Gespräch. Außerdem soll Aldingen mit Gosheim/Wehingen oder Tuttlingen
mit Tuningen und Schwenningen angebunden werden. Gründsätzlich, so heißt es in der Ausschussvorlage, sei der Landkreis dem Regiobus positiv eingestellt. Es müsse aber wirtschaftlich sein.
Übereinstimmung gibt es beim Ausbau des Ringzugs. Neben der Elektrifizierung der Strecken Tuttlingen nach Immendingen, Tuttlingen nach Fridingen und zwischen Trossingen Stadt und Trossingen DB sollen weitere Haltepunkte gebaut werden. Nach einer Potentialanalyse gilt Tuttlingen Stadtmitte im hiesigen Gebiet als der Standort mit der größten Wahrscheinlichkeit. Ein entsprechendes Betriebskonzept für den Stundentakt von 5 bis 24 Uhr liegt mittlerweile vor. Die Finanzierung der Maßnahmen, die bis Ende 2027 abgeschlossen sein sollen, erfolgt größtenteils über die Gelder des Bundes (90 Prozent für die Elektrifizierung, 75 Prozent übrige Ausbaumaßnahmen). Darin sollen auch die Planungskosten enthalten sein. Den Rest der notwendigen Ausgaben teilen sich Land und die Landkreise.
Zum 1. August 2022 soll die Tarifreform der Verkehrsverbünde Tuttlingen, Rottweil und SchwarzwaldBaar abgeschlossen sein. Ein gemeinsamer Tarif soll geschaffen werden, zu dem weitere Kreise hinzustoßen können. Der gemeinsame Tarif soll sich am BW-Tarif des Landes orientieren. Jeweils elf Mitglieder jedes Kreistags sollen sich zusammen in einer Tarifkommission bis zum Sommer Gedanken über Tarifmodelle machen. Außerdem soll ein gemeinsamer regionaler Vertrieb organisiert werden. Gemeinsam sollen die drei Kreise auch Digitalisierungsprojekte wie Elektronisches Ticketing oder automatische Fahrgastzählung umsetzen.