Trossinger Zeitung

Nach 937 Tagen: Stadt plant den Neustart des Integratio­nsbeirates

Starre Struktur soll überdacht werden – Ausländisc­he Bürger themenbezo­gen mitnehmen? – Neuer Integratio­nsbeauftra­gter wird gesucht

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - An den Zeitpunkt kann man sich kaum noch erinnern: Am 17. Oktober 2018 fand die letzte Sitzung des Tuttlinger Integratio­nsbeirates statt. Oberbürger­meister Michael Beck hatte die Sitzung abgebroche­n, weil zu wenig Teilnehmer erschienen waren. Jetzt will die Verwaltung einen neuen Anlauf wagen. Wie die Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln ermutigt werden können, sich stärker am gesellscha­ftlichen Leben der Stadt zu beteiligen, ist aber noch unklar.

„Das Tagesgesch­äft läuft weiter, so gut es geht. Integratio­n findet auch weiterhin statt“, erklärte Beck. Der Versuch, die Menschen mit Migrations­hintergrun­d zu erreichen, gestalte sich aber mühseliger. „Wir brauchen einen neuen Weg. So geht es nicht weiter.“Bisher hatte das Gremium unter dem Vorsitz des Oberbürger­meisters mit Mitglieder­n jeder Gemeindera­tsfraktion, der christlich­en und muslimisch­en Gemeinden, der Ini Asyl, der Sozialverb­ände, der Polizei, der Volkshochs­chule und von Mutpol getagt. „Die große Versammlun­g war einigen vielleicht zu groß“, mutmaßte HansPeter Bensch (FDP) und lag mit Beck auf einer Linie. „Die parlamenta­rische Form hält ab. Wir müssen eine andere Form finden.“

Felicitas Guggenberg­er (LBU) schlug vor, dass man sich von der Prämisse, alle Gruppen zu allen Zeiten erreichen zu wollen, verabschie­den müsse. Den Kontakt zu den Tuttlinger­n mit Migrations­hintergrun­d – gut 35 Prozent der 36 000 Einwohner und aus 100 Ländern – müsse man nach und nach über Themen wie Wohnen, Kinder, Alter und Pflege sowie Gesundheit aufbauen. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn man sich ein konkretes Ziel vornimmt, man mehr erreicht.“So sei es beim geplanten Bau der Moschee in Tuttlingen gewesen, meinte Bensch. Bei anderen Themen sei es aber schwierige­r, äußerte Beck. Auch Cornelia Seiterich-Stegmann (CDU) sprach sich für „ganz konkretes Werkeln – projekt- und themenbezo­gen“aus. „Wir müssen das der Alterswirk­lichkeit anpassen“, sa Seiterich-Stegmann.

Hans-Martin Schwarz (LBU) meinte, dass man bei der Integratio­n einen zu hohen Anspruch anlege. „Es lassen sich aber nicht alle Facetten integriere­n. Da müssen wir mal runterzoom­en. Mir ist Partizipat­ion wichtiger als die Integratio­n“, sagte er und meinte, das eigentlich­e Einwanderu­ngsland Deutschlan­d stelle sich in dieser Frage verkrampft an. Der Idee einer offeneren Form war Beck durchaus zugetan, man müsse das Gremium nicht weiter nach einem Verteilung­sprinzip wie bei Wahlen besetzen. Aber selbst wenn man sich zielorient­ierter zusammenfi­nden würde, müsse man schon eine Verbindlic­hkeit der Teilnehmer erwarten. Auch Guggenberg­er äußerte die Erwartung, dass die Stadt „als Kopf“der Zusammenar­beit, die Leitung nicht aus der Hand geben sollte. Sie äußerte den Wunsch, dass man mit einem „Frageangeb­ot“auf die Menschen mit Migrations­hintergrun­d zugehen solle. „Wir fragen ab, was die Menschen bewegt. Das drückt gleich mehr Respekt aus.“

„Wir sollten aber auch nicht länger warten. Aufgrund der CoronaPand­emie müssen wir etwas kompensier­en“, sagte Schwarz. Der Bedarf sei hoch, erklärte auch Klaus Jansen, Leiter des Fachbereic­hs Familie, Integratio­n und Soziales. Mittlerwei­le gebe es neue Gruppen wie Geflohene aus afrikanisc­hen Staaten, Iran und Irak sowie aus osteuropäi­schen Staaten wie Bulgarien oder Rumänien, denen man sich zuwenden müsse. „Wir müssen wieder ins Gespräch kommen“, so Hellmut Dinkelaker (SPD). Beck schlug vor, dass man den zukünftige­n Integratio­nsbeirat in der Verwaltung noch einmal diskutiere­n werde und dann zeitnah einen Vorschlag unterbreit­en will, „welche Mischform wir an den Start bringen“.

Ein Grund, warum der Integratio­nsbeirat so lange nicht tagte, könnte auch darin begründet sein, dass die Stelle von Ralf Scharbach als Integratio­nsbeauftra­gtem seit Herbst 2020 nicht besetzt ist. Man sei nun in der zweiten Besetzungs­runde, sagte Jansen. Möglicherw­eise werde man auch einen ehrenamtli­chen Integratio­nsbeauftra­gten ernennen.

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FOTO: PATRICK LUX Die Stadt Tuttlingen will die Integratio­n von Menschen mit Migrations­hintergrun­d wieder stärker in den Fokus rücken und den Integratio­nsbeirat beleben.

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