Regierungspräsidium setzt in Dauchingen ein Zeichen
Bebauungsplan massiv nicht eingehalten Gemeinde hat Beschwerde beim RP eingelegt
DAUCHINGEN (sbo) - Großer Erfolg für die Gemeinde und eine aufgehellte Perspektive für die gestressten Anwohner: Die Bezirksregierung Freiburg hat über die nachträgliche Baugenehmigung durch das Landratsamt für ein Wohnhaus im Neckartalweg entschieden.
Neben den konkreten Auswirkungen auf das gegen zahlreiche Festlegungen des Bebauungsplans verstoßende Gebäude dürfte diese Entscheidung auch künftige Auseinandersetzungen zwischen den Gemeinden im Kreis sowie dem Baurechtsamt des Landkreises beeinflussen. Denn das Baurechtsamt steht regelmäßig in der Kritik häufig aufgebrachter Gemeinderäte, in der Abwägung zwischen den Rechten der Gemeinde und der Nachbarn praktisch immer die Rechte der Bauherren zu favorisieren und Nachtragsgenehmigungen auch bei krassen Verstößen gegen den erklärten Willen der Kommunen und der Anlieger zu erteilen.
Die nachträgliche Baugenehmigung durch das Landratsamt für ein Wohnhaus im Neckartalweg ist nicht rechtens. Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass zurückgebaut werden muss. Durch diese Entscheidung des Regierungspräsidiums werden „die kommunale Planungshoheit gestärkt“, teilte Bürgermeister Torben Dorn seine Einschätzung mit.
Rückblende: Während des Baus war es zu massiven Überschreitungen der Festlegungen des Bebauungsplans gekommen, unter anderem ist die Grundflächenzahl überschritten, zudem ist das Flachdach deutlich zu hoch. Der Bau von Garage beziehungsweise Carport wurde und ist einstweilen per Baustopp unterbunden. Der Bauherr hatte mit einem Nachtragsbaugesuch versucht, die Dinge zu heilen. Allerdings versagte der Gemeinderat dem Nachtragsgesuch das Einvernehmen, und zwar einstimmig.
Das Baurechts- und Naturschutzamt des Landkreises war hingegen der Auffassung, die Ablehnung des Nachtragsbaugesuches sei rechtswidrig, weil die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt sei. Das Amt hatte daher das Einvernehmen ersetzt. Man ist im Amt der Meinung, dass die materiellen Voraussetzungen für den von der Gemeinde geforderten Rückbau nicht vorliegen, mithin die Zulassung einer Befreiung nach dem Baugesetzbuch angezeigt sei. Dagegen hatte die Gemeinde Beschwerde beim Regierungspräsidium (RP) eingelegt - und jetzt im Wesentlichen Recht bekommen.
„Maßgeblich für die Entscheidung ist die Auslegung des Bebauungsplans Wittum II der Gemeinde. Dieser lässt vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Dachformen und Gebäudehöhen zu, wodurch die Ermittlung der planerischen Grundkonzeption erschwert wurde“, teilte Heike Spannagel, Sprecherin des RPs, mit. Das Landratsamt (LRA) habe die vom Bauherrn erst nachträglich beantragte Befreiung von den im Bebauungsplan festgesetzten Höhenangaben für Flachdächer nachträglich genehmigt, da die Überschreitung im vorliegenden Fall nicht die Grundzüge der Planung berühre. Das Bauvorhaben wurde mit einer Höhe von 6,60 Metern statt der für Flachdächer im Bebauungsplan zugelassenen 5,50 Metern realisiert.
„Das RP sieht in dem Umstand, dass der Plangeber für jede zulässige Dachform bewusst unterschiedliche Vorgaben zur zulässigen Höhe festgesetzt hat, eine Manifestation des Planungswillens der Gemeinde, der einen Grundzug der Planung darstellt und im vorliegenden Fall in relevanter Weise beeinträchtigt wird“, lautet der Kernsatz der Begründung, weswegen der Auffassung der Gemeinde gefolgt wurde, sie sei in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt und somit in ihren Rechten verletzt.
„Das RP hat das LRA daher gebeten, die Nachtragsbaugenehmigung im Hinblick auf die darin erteilte Befreiung bezüglich der Überschreitung der festgesetzten Gebäudehöhe aufzuheben. Die weitere Befreiung zur Überschreitung der festgesetzten Grundflächenzahl wurde vom RP dagegen als rechtmäßig bestätigt“, so die Sprecherin weiter. Mit Aufhebung der Baugenehmigung sei das Widerspruchsverfahren abgeschlossen. Das Landratsamt entscheide im Anschluss im eigenen Ermessen über das weitere Vorgehen. Zugleich betont die Sprecherin: „Die Aufhebung der Baugenehmigung verpflichtet den Bauherrn nicht zugleich zum Rückbau des Gebäudes. Diese Frage bedarf einer eigenständigen Prüfung durch das Landratsamt.“
Bürgermeister Torben Dorn begrüßt die Entscheidung: „Die Gemeindeverwaltung freut sich, dass das Regierungspräsidium unsere Rechtsauffassung vollumfänglich teilt und die Baurechtsbehörde angewiesen wird, die Nachtragsbaugenehmigung aufzuheben. Dadurch wird die kommunale Planungshoheit gestärkt. Ich bin diesbezüglich in enger und guter Abstimmung mit dem Landrat persönlich, seine Behörde wird zeitnah die weiteren Entscheidungen treffen.“Eine Stellungnahme des Landkreises war am Freitag nicht zu erhalten.
Neben dem Widerspruch hatte die Gemeinde auch Sanktionen gegen den zuständigen Architekten verlangt. Hier ist die Architektenkammer offenbar tätig geworden, ein Ergebnis ist in Dauchingen aber nicht bekannt: „Im Februar hatten wir Fragen der Architektenkammer zu dem Vorgang beantwortet, seither liegen uns keine Informationen vor“, so Dorn.