Mehr Tote, weniger Schwerverletzte
Gemischte Bilanz bei Verkehrsunfällen – Langfristige Trends im Südwesten positiv
- Auf Baden-Württembergs Straßen sind 2023 mehr Menschen ums Leben gekommen als im Vorjahr. Die Zahl der Schwerverletzten sank derweil auf einen historischen Tiefstand. Nachdem 2022 besonders viele Pedelecfahrer an schweren Unfällen beteiligt waren, sieht Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz 2023 in Stuttgart erste Anzeichen für eine Trendwende. Eine Übersicht:
Wie sind die Unfallzahlen? Insgesamt hat die Polizei auf den Straßen im Südwesten 308.597 Verkehrsunfälle gezählt. Im Vergleich zu 2022 ist das ein Plus von 5,1 Prozent. Eine besonders positive Entwicklung ist bei der Anzahl der Schwerverletzten zu beobachten: Mit 6143 sind dies so wenige wie nie zuvor seit Einführung der Statistik im Jahr 1953. Im Vergleich zu 2022 ist dies ein Rückgang um 11,2 Prozent (6919 Schwerverletzte). „Das ist ein Erfolg, den wir uns in BadenWürttemberg mit viel Mühe und Aufwand erarbeitet haben“, sagt Strobl. Man werde sich darauf aber nicht ausruhen. Zumal die Bilanz bei den tödlich verunglückten Menschen deutlich schlechter aussieht: 369 Menschen starben, 19 mehr als im Vorjahr. Für Strobl ein Grund „nicht nachzulassen“: „Jeder Mensch, der durch einen Verkehrsunfall zu Schaden kommt, ist einer zu viel.“Langfristige Erfassungen zeigten allerdings, dass die Zahl der Unfalltoten insgesamt sinke. Strobl zieht zum Vergleich das Jahr 1992 heran, in dem 1120 Menschen auf den Südwest-Straßen starben.
Welche Verkehrsteilnehmer sind besonders gefährdet? Nach wie vor stellen Motorradfahrer mit 73 Toten und insgesamt 4644 Unfällen einen großen Anteil. 2022 starben 66 Biker. In der Gruppe gab es 1032 Schwerverletzte (2022: 1246). Im Radverkehr verletzten sich 1876 Menschen schwer, neun Prozent weniger als 2022.
Von 62 getöteten Radfahrern waren 27 mit einem Pedelec unterwegs. Ein Jahr zuvor starben noch 49 E-Bike-Fahrer. „Es wäre schön, wenn es eine Trendwende gäbe“, sagt Strobl. Erste Anzeichen sieht er darin, dass Pedelecfahrer seltener an tödlichen Unfällen beteiligt seidigkeit en, während gleichzeitig die Verkaufszahlen weiter anstiegen. Der Minister erklärt sich das mit mehr Vorsicht im Umgang mit den Rädern. Michael Schwab, Verkehrsreferent am Landespolizeipräsidium, spricht von „Gewöhnung und bessere Handhabe“.
Die Zahl der Unfälle mit Elektroscootern stieg um rund 200 auf 1098. Hier nahm im Gegensatz zu anderen Verkehrsmitteln auch die Zahl der Schwerverletzten zu – um 7,5 Prozent. Drei Menschen starben bei E-Scooter-Unfällen. Bei vier von zehn Unfällen sei Alkohol im Spiel gewesen, sagt Strobl und betont: „Es handelt sich um Kraftfahrzeuge. Damit gelten die gleichen Promillegrenzen“wie bei Autos. Man werde deshalb verstärkt Alkohol- und Drogenkontrollen durchführen.
Welche Unfallursachen spielen eine Rolle?
Nach wie vor werden die meisten Unfälle durch überhöhte Geschwinverursacht. 152 Menschen verloren dadurch ihr Leben – etwas weniger als die Hälfte aller 369 Verkehrstoten. 30 Menschen starben bei Verkehrsunfällen, bei denen die Unfallverursacher Alkohol konsumiert hatten, in vier tödlichen Fällen spielte Drogenkonsum eine Rolle. Mischkonsum gab es in einem Fall. Bei jedem achten tödlichen Unfall waren die Verursacher abgelenkt, etwa durch das Smartphone.
Knapp ein Drittel der Getöteten hatte den Gurt im Fahrzeug nicht angelegt, mehr als 60 Prozent der getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer trug keinen Helm. „Diese Zahlen müssen uns wachrütteln. 85 Menschen könnten heute vielleicht noch am Leben sein, wenn sie sich angeschnallt oder einen Fahrradhelm getragen hätten“, sagt Strobl. „Schnallen Sie sich an! Tragen Sie einen Fahrradhelm.“Vorbilder sieht er in Jugendlichen und Kindern, die er kaum ohne Fahrradhelm auf dem Rad sehe.
Welche Hebel nutzt das Land, um Unfallzahlen zu senken?
Im Koalitionsvertrag hat sich die Landesregierung die „Vision Zero“auferlegt – langfristig sollen keine Menschen mehr auf Südwest-Straßen sterben. In einem Fünf-PunktePlan sollen Raser gestoppt und ältere Verkehrsteilnehmer besonders sensibilisiert werden. Außerdem sollen die Ausrüstungen von Motorradfahrern besser kontrolliert und Gefahrenstrecken entschärft werden. Insgesamt will Strobl die Öffentlichkeitsarbeit verbessern, um alle Verkehrsteilnehmer zu erreichen. Er sieht das Land auf einem guten Weg. Mit etwa 14.000 Präventionsveranstaltungen habe die Polizei 2023 knapp 290.000 Menschen erreicht – ein Anstieg um mehr als 19 Prozent zum Vorjahr. Bei der Verkehrsüberwachung haben die Beamten 1,47 Millionen Geschwindigkeitsverstöße gezählt. Knapp 30.000 Verkehrsteilnehmer wurden wegen Fahrens unter Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauchs angezeigt. Strobl betont, es gehe nicht darum, „Autofahrer zu gängeln oder zu ärgern“, sondern um „ein wesentliches Schlüsselelement in der Verkehrsunfallbekämpfung“.
Welche Auswirkungen hat die Cannabis-Legalisierung auf den Verkehr?
Dazu hatte sich Strobl bereits vergangene Woche geäußert und einen Anstieg der Unfälle unter Cannabis-Einfluss prognostiziert. „Die Ampel-Pläne sind ganz klar ein Sicherheitsrisiko für unsere Straßen“, sagte Strobl vor der Abstimmung im Bundesrat. Internationale Studien wiesen darauf hin, dass eine Cannabis-Legalisierung zu schweren Unfällen führe. Die Studienlage zu dem Thema ist allerdings uneinheitlich. Ältere Untersuchungen verzeichnen für Länder mit Legalisierung einen Anstieg. Aktuelle Untersuchungen von 2024 aus Kanada sehen allerdings keine signifikante Steigerung. Strobl sagt, er hoffe, dass er sich bei seinen Prognosen täusche. Da er mit mehr Konsum rechne, gehe er aber auch von einem Anstieg der Unfallzahlen aus. Die Legalisierung mache das Engagement in Baden-Württemberg zwar nicht zunichte, „aber sie konterkariert unsere Bemühungen sicher“.