Trossinger Zeitung

Mehr Tote, weniger Schwerverl­etzte

Gemischte Bilanz bei Verkehrsun­fällen – Langfristi­ge Trends im Südwesten positiv

- Von Stefan Fuchs

- Auf Baden-Württember­gs Straßen sind 2023 mehr Menschen ums Leben gekommen als im Vorjahr. Die Zahl der Schwerverl­etzten sank derweil auf einen historisch­en Tiefstand. Nachdem 2022 besonders viele Pedelecfah­rer an schweren Unfällen beteiligt waren, sieht Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellun­g der Verkehrsun­fallbilanz 2023 in Stuttgart erste Anzeichen für eine Trendwende. Eine Übersicht:

Wie sind die Unfallzahl­en? Insgesamt hat die Polizei auf den Straßen im Südwesten 308.597 Verkehrsun­fälle gezählt. Im Vergleich zu 2022 ist das ein Plus von 5,1 Prozent. Eine besonders positive Entwicklun­g ist bei der Anzahl der Schwerverl­etzten zu beobachten: Mit 6143 sind dies so wenige wie nie zuvor seit Einführung der Statistik im Jahr 1953. Im Vergleich zu 2022 ist dies ein Rückgang um 11,2 Prozent (6919 Schwerverl­etzte). „Das ist ein Erfolg, den wir uns in BadenWürtt­emberg mit viel Mühe und Aufwand erarbeitet haben“, sagt Strobl. Man werde sich darauf aber nicht ausruhen. Zumal die Bilanz bei den tödlich verunglück­ten Menschen deutlich schlechter aussieht: 369 Menschen starben, 19 mehr als im Vorjahr. Für Strobl ein Grund „nicht nachzulass­en“: „Jeder Mensch, der durch einen Verkehrsun­fall zu Schaden kommt, ist einer zu viel.“Langfristi­ge Erfassunge­n zeigten allerdings, dass die Zahl der Unfalltote­n insgesamt sinke. Strobl zieht zum Vergleich das Jahr 1992 heran, in dem 1120 Menschen auf den Südwest-Straßen starben.

Welche Verkehrste­ilnehmer sind besonders gefährdet? Nach wie vor stellen Motorradfa­hrer mit 73 Toten und insgesamt 4644 Unfällen einen großen Anteil. 2022 starben 66 Biker. In der Gruppe gab es 1032 Schwerverl­etzte (2022: 1246). Im Radverkehr verletzten sich 1876 Menschen schwer, neun Prozent weniger als 2022.

Von 62 getöteten Radfahrern waren 27 mit einem Pedelec unterwegs. Ein Jahr zuvor starben noch 49 E-Bike-Fahrer. „Es wäre schön, wenn es eine Trendwende gäbe“, sagt Strobl. Erste Anzeichen sieht er darin, dass Pedelecfah­rer seltener an tödlichen Unfällen beteiligt seidigkeit en, während gleichzeit­ig die Verkaufsza­hlen weiter anstiegen. Der Minister erklärt sich das mit mehr Vorsicht im Umgang mit den Rädern. Michael Schwab, Verkehrsre­ferent am Landespoli­zeipräsidi­um, spricht von „Gewöhnung und bessere Handhabe“.

Die Zahl der Unfälle mit Elektrosco­otern stieg um rund 200 auf 1098. Hier nahm im Gegensatz zu anderen Verkehrsmi­tteln auch die Zahl der Schwerverl­etzten zu – um 7,5 Prozent. Drei Menschen starben bei E-Scooter-Unfällen. Bei vier von zehn Unfällen sei Alkohol im Spiel gewesen, sagt Strobl und betont: „Es handelt sich um Kraftfahrz­euge. Damit gelten die gleichen Promillegr­enzen“wie bei Autos. Man werde deshalb verstärkt Alkohol- und Drogenkont­rollen durchführe­n.

Welche Unfallursa­chen spielen eine Rolle?

Nach wie vor werden die meisten Unfälle durch überhöhte Geschwinve­rursacht. 152 Menschen verloren dadurch ihr Leben – etwas weniger als die Hälfte aller 369 Verkehrsto­ten. 30 Menschen starben bei Verkehrsun­fällen, bei denen die Unfallveru­rsacher Alkohol konsumiert hatten, in vier tödlichen Fällen spielte Drogenkons­um eine Rolle. Mischkonsu­m gab es in einem Fall. Bei jedem achten tödlichen Unfall waren die Verursache­r abgelenkt, etwa durch das Smartphone.

Knapp ein Drittel der Getöteten hatte den Gurt im Fahrzeug nicht angelegt, mehr als 60 Prozent der getöteten Radfahreri­nnen und Radfahrer trug keinen Helm. „Diese Zahlen müssen uns wachrüttel­n. 85 Menschen könnten heute vielleicht noch am Leben sein, wenn sie sich angeschnal­lt oder einen Fahrradhel­m getragen hätten“, sagt Strobl. „Schnallen Sie sich an! Tragen Sie einen Fahrradhel­m.“Vorbilder sieht er in Jugendlich­en und Kindern, die er kaum ohne Fahrradhel­m auf dem Rad sehe.

Welche Hebel nutzt das Land, um Unfallzahl­en zu senken?

Im Koalitions­vertrag hat sich die Landesregi­erung die „Vision Zero“auferlegt – langfristi­g sollen keine Menschen mehr auf Südwest-Straßen sterben. In einem Fünf-PunktePlan sollen Raser gestoppt und ältere Verkehrste­ilnehmer besonders sensibilis­iert werden. Außerdem sollen die Ausrüstung­en von Motorradfa­hrern besser kontrollie­rt und Gefahrenst­recken entschärft werden. Insgesamt will Strobl die Öffentlich­keitsarbei­t verbessern, um alle Verkehrste­ilnehmer zu erreichen. Er sieht das Land auf einem guten Weg. Mit etwa 14.000 Prävention­sveranstal­tungen habe die Polizei 2023 knapp 290.000 Menschen erreicht – ein Anstieg um mehr als 19 Prozent zum Vorjahr. Bei der Verkehrsüb­erwachung haben die Beamten 1,47 Millionen Geschwindi­gkeitsvers­töße gezählt. Knapp 30.000 Verkehrste­ilnehmer wurden wegen Fahrens unter Alkohol-, Medikament­en- oder Drogenmiss­brauchs angezeigt. Strobl betont, es gehe nicht darum, „Autofahrer zu gängeln oder zu ärgern“, sondern um „ein wesentlich­es Schlüssele­lement in der Verkehrsun­fallbekämp­fung“.

Welche Auswirkung­en hat die Cannabis-Legalisier­ung auf den Verkehr?

Dazu hatte sich Strobl bereits vergangene Woche geäußert und einen Anstieg der Unfälle unter Cannabis-Einfluss prognostiz­iert. „Die Ampel-Pläne sind ganz klar ein Sicherheit­srisiko für unsere Straßen“, sagte Strobl vor der Abstimmung im Bundesrat. Internatio­nale Studien wiesen darauf hin, dass eine Cannabis-Legalisier­ung zu schweren Unfällen führe. Die Studienlag­e zu dem Thema ist allerdings uneinheitl­ich. Ältere Untersuchu­ngen verzeichne­n für Länder mit Legalisier­ung einen Anstieg. Aktuelle Untersuchu­ngen von 2024 aus Kanada sehen allerdings keine signifikan­te Steigerung. Strobl sagt, er hoffe, dass er sich bei seinen Prognosen täusche. Da er mit mehr Konsum rechne, gehe er aber auch von einem Anstieg der Unfallzahl­en aus. Die Legalisier­ung mache das Engagement in Baden-Württember­g zwar nicht zunichte, „aber sie konterkari­ert unsere Bemühungen sicher“.

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FOTO: KARSTEN SCHMALZ/DPA Während die Zahl der Schwerverl­etzten sank, stieg die Zahl der Verkehrsto­ten 2023 an.

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