Trossinger Zeitung

Ein Kader voller Kumpels

Nach den erfolgreic­hen Tests steht Nagelsmann­s EM-Team so früh wie nie zuvor

- Von Patrick Strasser

- Die Stadionreg­ie des Frankfurte­r Deutsche Bank Parks hatte ein gutes Händchen am Dienstagab­end: Direkt nach dem Abpfiff dröhnte passenderw­eise „Don’t stop me now“von Queen über die Lautsprech­er. Mit diesem Song und ganz viel Schwung ging das DFB-Team nach dem 2:1-Sieg im Klassiker gegen die Niederland­e auf die Ehrenrunde.

In nur einem Länderspie­lfenster konnte mit zwei Erfolgen binnen vier Tagen gegen zwei europäisch­e Großkalibe­r die Stimmung im Lande komplett gedreht, Vorfreude und Euphorie mit Blick auf die Heim-EM erzeugt werden. Für Sender RTL war die Partie die erfolgreic­hste Länderspie­l-Übertragun­g seit März 2019 mit im Durchschni­tt 10,81 Millionen Zuschauern. Gerade noch rechtzeiti­g wurde der Flow entfacht, auf dieser Welle muss es nun weitergehe­n bis zum Sommer. Das Frühlingse­rwachen durch das 2:0 in Frankreich und das 2:1 gegen die Niederland­e macht nach dem trüben November mit den Pleiten gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) eine Menge Hoffnung.

„Ich bin stolz auf die Mannschaft. Ich weiß, dass sie aus einer sehr, sehr schweren Zeit kommt“, sagte Rückkehrer Toni Kroos bei RTL. Der 34-Jährige, der in seiner knapp dreijährig­en Pause nicht viel verpasst hat, ist das Sinnbild der frisch geweckten Aufbruchst­immung. „Vor ein paar Monaten wären wir wahrschein­lich nach dem 0:1 halb zusammenge­brochen, jetzt ist das aber nicht passiert.“Der freche wie mutige Linksverte­idiger Maximilian Mittelstäd­t erzielte den Ausgleich per Traumtor, der eingewechs­elte Niclas Füllkrug nach Ecke von Kroos das späte Siegtor. Fazit von Taktgeber Kroos: „Es ist in der letzten Woche etwas entstanden, das vorher nicht da war. Ich hoffe, dass wir das mitnehmen. Dann können wir ein gutes Turnier spielen.“

In einer Mannschaft voller Sieger(-typen), die sich entweder einen Stammplatz oder ein Ticket für den EM-Kader gesichert haben, ist Bundestrai­ner Julian Nagelsmann der größte Gewinner. Durch seine mutigen Entscheidu­ngen hat er eine klare Linie und eine neue Hierarchie ins Team gebracht „Wir haben ein gutes Fundament für die EM gelegt“, sagte Jonathan Tah während Füllkrug betonte: „Die Rollenvert­eilung im Team ist nun klar.“Nagelsmann hat seine Lehren aus den Lehrgängen im Oktober und November gezogen und nur noch nach Momentum nominiert. Dabei ist, wer im Flow ist. Drin ist, wer im Verein in ist. Und nicht, wer das früher mal war und vielleicht wieder werden könnte.

Es gilt das Leistungsp­rinzip – ohne Wenn und Aber.

„Wir versuchen, eine erste Elf einspielen zu lassen“, sagte Nagelsmann, „das heißt aber nicht, dass nicht noch Wechsel passieren können.“Allerdings nur wenige. Auf der Pressekonf­erenz konkretisi­erte der 36-Jährige: „Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben – und besser sein als diejenigen, die dabei sind. Wir werden auf jeden Fall nicht zehn oder fünf Spieler tauschen im Sommer, das steht außer Frage. Vielleicht einen oder zwei, wenn sich niemand verletzt.“Eine deutliche Ansage an die diesmal nicht nominierte­n Leon Goretzka, Serge Gnabry sowie bis auf

Füllkrug nahezu alle Dortmunder Profis mit DFB-Erfahrung. Denn: Nagelsmann­s EM-Kader steht so früh wie nie vor einem Turnier. Mit Ausnahme des verletzten Torhüters und Kapitäns Manuel Neuer und des wegen einer Sperre abwesenten Leroy Sané, mit dem sich Nagelsmann in München zum Essen verabredet hat, um dessen Rolle und Perspektiv­e zu besprechen.

Das Who is Who der Verlierer, also der jetzt Nicht-Nominierte­n, liest sich wie ein Ausflug in die zuletzt trostlose DFB-Vergangenh­eit: Mats Hummels, Niklas Süle, Malick Thiaw, Robin Gosens, Felix Nmecha, Leon Goretzka, Grischa Prömel, Julian Brandt. Jonas Hofmann,

Serge Gnabry, Marvin Ducksch sowie die Torhüter Kevin Trapp und Janis Blaswich (alle zuletzt im November im Kader), Kevin Behrens (zuletzt im Oktober berufen), Emre Can, Nico Schlotterb­eck, Kevin Schade (zuletzt von Nagelsmann­s Vorgänger Hansi Flick für die September-Länderspie­le nominiert).

Nagelsmann hat eine Truppe zusammenge­stellt, die nicht nur den Spaß am Gewinnen wiedergefu­nden hat, sondern auch auf menschlich­er Ebene bestens harmoniert. „Es ist eine sehr homogene Gruppe, die funktionie­rt“, sagte Füllkrug. Oder etwas jugendlich­er ausgedrück­t von Jamal Musiala: „Die Vibes sind echt gut.“

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FOTO: LACI PERENYI/IMAGO Festgespie­lt: Der Großteil der jetzt berufenen Spieler wird auch im deutschen EM-Aufgebot stehen.

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