Mit bunten Tattoos gegen das Schicksal
Diagnose MS: Ein Aldinger verändert seinen Körper nach seinem eigenen Willen
- Auf Marcus Matyschiks Unterarm prangt ein rotes Teufelchen, das den Stinkefinger zeigt. „Fuck the system“steht daneben. „Da kam gerade alles zusammen“, erinnert sich der 48Jährige, der mittlerweile beide Arme, Vorder- und Rückseite, tätowiert hat. Begonnen damit hat er, als er die Diagnose einer ernsten Krankheit bekam.
MS, Multiple Sklerose, teilten ihm die Ärzte mit. Da war der Forstwirt gerade Mal Ende 20. Die
Erkrankung des zentralen Nervensystems verläuft in Schüben und geht mit Empfindungsstörungen und Muskellähmungen vor sich. „Ja komm: Auffallen tue ich damit ohnehin“, dachte er sich. „Dann kann ich mich auch anmalen!“Das sieht dann wenigstens gut aus, findet er.
Mittlerweile ist Marcus Matyschik 48 Jahre alt. Das Tätowieren ist fast so etwas wie eine Sucht für ihn geworden, wie er bekennt. „Eine teure“, sagt er und schmunzelt dabei. Immer, wenn es ihm schlecht geht, wenn etwas total falsch läuft, lässt er sich ein Motiv stechen. Das gilt auch andersherum: Schöne Ereignisse, wie die Hochzeit mit seiner Frau Silke in Kanada, hat er auf seinem Körper verewigt. „So vergesse ich das Hochzeitsdatum schon nicht“, meint er.
Doch man merkt ihm beim Erzählen an, wie wichtig ihm diese Wochen in Kanada waren, in denen das Paar einen Bekannten auf dessen Ranch besucht hat. „Das war das Schönste, was wir hätten machen können“, ist er heute noch überzeugt davon.
Ein Tigerkopf, ein Adler, Symbole und Botschaften wie „Lebe deinen Traum“und „Never give up“schlängeln sich seine Arme entlang, dazu der rote Teufel mit seiner „Leck-mich“-Mentalität. Beide Arme sind voll. „Ich möchte meine Tattoos sehen können“, begründet er die Wahl der Körperstelle. Der Rücken scheidet deshalb aus, wenn er noch mehr Tattoos machen will, bleiben noch Brust, Bauch und die Vorderseite der Beine. Mal sehen, wofür er sich entscheidet. Sein erstes Tattoo war eine spontane Entscheidung.
Damals gab es das MOA Tattoo und Piercing in Aldingen, „Ich bin da einfach reingelaufen“, so Matyschik, „ganz unwissend“. Fünf Minuten später hatte er einen Termin ausgemacht und ein paar Tage später bei der ersten Sitzung die Kanada-Flagge stechen lassen. Die wurde in den kommenden Jahren noch ein paarmal übermalt und schöner gemacht, das Rot intensiviert.
Tut das nicht weh, wenn er stundenlang mit Nadeln traktiert wird? „Da stehe ich drüber“, sagt der Aldinger. In diesem Punkt hat die Krankheit sogar einen einzigen Vorteil. Durch die vielen Spritzen und Infusionen sei er abgehärtet. Nicht nur die Motive verändern seinen Körper – nach wie vor ist er regelmäßig Kunde bei MOA, das mittlerweile in Unterbaldingen ist – sondern auch die Krankheit.
Seinen Beruf kann er nicht mehr ausüben, Matyschik ist auf den Rollstuhl angewiesen. Wenn möglich, geht er immer noch in den Wald, ein Zuggerät am Rollstuhl macht es möglich. Und Fallschirmspringen war er trotz seiner Einschränkungen auch schon. Der 48-Jährige nimmt alles mit, was geht. „Was kann mir noch passieren“, sagt er lapidar. „Risk Fun“, steht auf seinem Unterarm. Und „Hope.“Hoffnung.