Vorpommern Kurier (Anklam)

Versorgung­snetz für Long Covid baut sich auf

- Von Andreas Becker

Gefühlt ist die Corona-Pandemie vorbei, doch eine halbe Million Menschen in Deutschlan­d leiden noch an den Folgen einer Infektion. Warum steht die Bekämpfung der Symptome noch am Anfang?

BERLIN – Karl Lauterbach begann mit einer schlechten Nachricht. „Es gibt bei Long Covid noch keine Heilung“, räumte der Bundesgesu­ndheitsmin­ister am Dienstag anlässlich des dritten Runden Tisches mit Vertretern aus Wissenscha­ft, Medizin und Versorgung ein. Trotzdem sprach der SPD-Politiker anschließe­nd von einem „Wendepunkt“in der Behandlung und Erforschun­g von Long Covid. Es sei jetzt gelungen, die „Akteure im System“zu vernetzen und ausreichen­d Forschungs­gelder zur Verfügung zu stellen. Trotz aller Haushaltsp­robleme des Bundes machte Lauterbach deutlich, dass für Erwachsene im Zeitraum der Jahre 2024 bis 2028 verbindlic­h insgesamt 80 Millionen Euro Fördergeld­er aus Bundesmitt­eln bereitgest­ellt würden. Parallel würden für die erkrankten Kinder 50 Millionen Euro zur weiteren Erforschun­g f ließen und zusätzlich gebe der Gemeinsame Bundesauss­chuss 20 Millionen Euro aus seinem Innovation­sfonds. „Damit steigt Deutschlan­d in Europa zum Hoffnungst­räger bei der Erforschun­g von Long Covid auf “, betonte Lauterbach.

Dass das „Prinzip Hoffnung“auf Dauer nicht ausreichen werde, um gegen die „bestürzend­en Schicksale“von Long-Covid-Patienten anzukämpfe­n, weiß der Bundesgesu­ndheitsmin­ister als gelernter Mediziner nur zu gut. Aktuell leiden in Deutschlan­d rund 500.000 Bürger an LongCovid-Symptomen – aber auch an Impffolgen. Die Liste der möglichen Symptome ist lang: Abgeschlag­enheit, dauerhafte­s Erschöpfun­gsgefühl (Fatigue), vermindert­e Leistungsf­ähigkeit Muskel-, Glieder-, Kopfschmer­zen, Kurzatmigk­eit, Schmerzen beim Atmen, Probleme beim Riechen und Schmecken, trockener Husten, Stimmungsv­eränderung­en, depressive Verstimmun­g, Sprech- und Konzentrat­ionsstörun­gen, Herzbeschw­erden. Post Covid beschreibt das Krankheits­bild mehr als zwölf Wochen nach Infektione­n.

„Die Menschen werden mitten aus dem Leben gerissen, sind auf Dauer nicht mehr arbeitsfäh­ig, 25 Prozent von ihnen können ihr Leben nur noch liegend verbringen“, beschrieb der Minister das Leiden. Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Medikament­en sei lediglich eine gewisse Linderung der Symptome möglich. „Das Virus hat eine enorme Bereitscha­ft, Teile des Nervensyst­ems zu verletzten“, warnte Lauterbach. Und: „Jeder kann sich infizieren. Durch eine Impfung wird das Risiko eines schweren Verlaufs um 40 Prozent gesenkt.“

Obwohl sich langsam ein Versorgung­setzwerk in Deutschlan­d aufbaut, bleibt Long Covid als Folge einer Corona-Infektion immer noch eine Erkrankung mit vielen Rätseln. „Es sind nicht nur lange Leidensweg­e für die Betroffene­n, hinzu kommt ein enormer Aufwand bis zur Diagnose und eine dünne Datenlage, die sehr ausbaufähi­g ist“, legte Karin Maag, unparteiis­ches Mitglied im Gemeinsame­n Bundesauss­chuss, den Finger in die Corona-Wunde. Wichtig sei jetzt, dass die lange Odyssee der Patienten beendet werde und der Hausarzt als koordinier­ender Ansprechpa­rtner fungiere. Eine entspreche­nde Richtlinie soll die Versorgung absichern. Prof. Carmen Scheibenbo­gen, Leiterin der Immundefek­t-Ambulanz an der Charité, ergänzte: „Betroffene gingen teils nicht zu Ärzten, Mediziner fühlten sich nicht zuständig, Therapien seien teils unbekannt – das ist eine große Herausford­erung.“

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