Versorgungsnetz für Long Covid baut sich auf
Gefühlt ist die Corona-Pandemie vorbei, doch eine halbe Million Menschen in Deutschland leiden noch an den Folgen einer Infektion. Warum steht die Bekämpfung der Symptome noch am Anfang?
BERLIN – Karl Lauterbach begann mit einer schlechten Nachricht. „Es gibt bei Long Covid noch keine Heilung“, räumte der Bundesgesundheitsminister am Dienstag anlässlich des dritten Runden Tisches mit Vertretern aus Wissenschaft, Medizin und Versorgung ein. Trotzdem sprach der SPD-Politiker anschließend von einem „Wendepunkt“in der Behandlung und Erforschung von Long Covid. Es sei jetzt gelungen, die „Akteure im System“zu vernetzen und ausreichend Forschungsgelder zur Verfügung zu stellen. Trotz aller Haushaltsprobleme des Bundes machte Lauterbach deutlich, dass für Erwachsene im Zeitraum der Jahre 2024 bis 2028 verbindlich insgesamt 80 Millionen Euro Fördergelder aus Bundesmitteln bereitgestellt würden. Parallel würden für die erkrankten Kinder 50 Millionen Euro zur weiteren Erforschung f ließen und zusätzlich gebe der Gemeinsame Bundesausschuss 20 Millionen Euro aus seinem Innovationsfonds. „Damit steigt Deutschland in Europa zum Hoffnungsträger bei der Erforschung von Long Covid auf “, betonte Lauterbach.
Dass das „Prinzip Hoffnung“auf Dauer nicht ausreichen werde, um gegen die „bestürzenden Schicksale“von Long-Covid-Patienten anzukämpfen, weiß der Bundesgesundheitsminister als gelernter Mediziner nur zu gut. Aktuell leiden in Deutschland rund 500.000 Bürger an LongCovid-Symptomen – aber auch an Impffolgen. Die Liste der möglichen Symptome ist lang: Abgeschlagenheit, dauerhaftes Erschöpfungsgefühl (Fatigue), verminderte Leistungsfähigkeit Muskel-, Glieder-, Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Schmerzen beim Atmen, Probleme beim Riechen und Schmecken, trockener Husten, Stimmungsveränderungen, depressive Verstimmung, Sprech- und Konzentrationsstörungen, Herzbeschwerden. Post Covid beschreibt das Krankheitsbild mehr als zwölf Wochen nach Infektionen.
„Die Menschen werden mitten aus dem Leben gerissen, sind auf Dauer nicht mehr arbeitsfähig, 25 Prozent von ihnen können ihr Leben nur noch liegend verbringen“, beschrieb der Minister das Leiden. Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Medikamenten sei lediglich eine gewisse Linderung der Symptome möglich. „Das Virus hat eine enorme Bereitschaft, Teile des Nervensystems zu verletzten“, warnte Lauterbach. Und: „Jeder kann sich infizieren. Durch eine Impfung wird das Risiko eines schweren Verlaufs um 40 Prozent gesenkt.“
Obwohl sich langsam ein Versorgungsetzwerk in Deutschland aufbaut, bleibt Long Covid als Folge einer Corona-Infektion immer noch eine Erkrankung mit vielen Rätseln. „Es sind nicht nur lange Leidenswege für die Betroffenen, hinzu kommt ein enormer Aufwand bis zur Diagnose und eine dünne Datenlage, die sehr ausbaufähig ist“, legte Karin Maag, unparteiisches Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss, den Finger in die Corona-Wunde. Wichtig sei jetzt, dass die lange Odyssee der Patienten beendet werde und der Hausarzt als koordinierender Ansprechpartner fungiere. Eine entsprechende Richtlinie soll die Versorgung absichern. Prof. Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Charité, ergänzte: „Betroffene gingen teils nicht zu Ärzten, Mediziner fühlten sich nicht zuständig, Therapien seien teils unbekannt – das ist eine große Herausforderung.“