Steht Oranienburg wegen der Energiewende kurz vor dem Blackout?
Normalerweise taucht die Stadt nördlich von Berlin nur in den Schlagzeilen auf, wenn eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden muss. Doch jetzt schlägt Oranienburg aus einem anderen Grund Alarm.
ORANIENBURG – Energiewende hin, Transformation her – egal, ob bei seinen Videobotschaften, bei Grußworten oder politischen Reden: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verkündet mantramäßig, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland stets gewährleistet sei. Jetzt aber stellt die erste deutsche Stadt das oberste Prinzip des VizeKanzlers auf den Kopf: Oranienburg, 48.000 Einwohner zählende Stadt nördlich von Berlin, funkt SOS – der Kommune geht der Strom aus.
Mit einem alarmierenden Hilferuf haben sich die Stadtwerke Oranienburgs deshalb an die Bundesnetzagentur gewandt. Das Hochspannungsnetz könne nicht genug Strom für die wachsende Stadt zur Verfügung stellen. „Die Versorgungsmöglichkeiten in der Stadt Oranienburg sind ausgeschöpft“, machte Peter Grabowsky, Geschäftsführer der Stadtwerke Oranienburg, unmissverständlich deutlich. Die schon seit über einem Jahr angeforderte zusätzliche Kapazität könne am Umspannwerk des vorgelagerten Hochspannungsnetzbetreibers dem Stromnetz in Oranienburg nicht bereitgestellt werden.
„Der Lieferengpass aus dem vorgelagerten Hochspannungsnetz hat jetzt Auswirkungen auf aktuelle Anschlussbegehren im Versorgungsgebiet der Stadtwerke in der Oranienburger Kernstadt sowie im Ortsteil Sachsenhausen. Um das Stromnetz in Oranienburg weiter stabil zu halten, können die Stadtwerke ab sofort keine Neuanmeldungen oder Leistungserhöhungen von Hausanschlüssen mehr genehmigen. Dies betrifft beispielsweise den Anschluss von Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur“, teilte die Stadt am Montag mit. Auch neue Gewerbe- und Industrieflächen können derzeit nicht an das Netz angeschlossen und mit Strom beliefert werden. Bestehende Verträge seien von den Maßnahmen nicht betroffen.
„Wir bedauern diese Entwicklung außerordentlich. Sie ist für alle Beteiligten sehr ärgerlich. Die Stadtwerke arbeiten zusammen mit der Hochspannungsnetzbetreiberin E.DIS Netz mit Hochdruck an einer Zwischenlösung, um den Engpass zu beseitigen, bis der Neubau des Umspannwerks der Stadtwerke Oranienburg in Betrieb gehen kann“, betonte Grabowsky. Das stadteigene Umspannwerk werde nach ersten Schätzungen in rund fünf Jahren fertig sein. Mindestens 35 Millionen Euro müssten dazu investiert werden.
E.DIS sagte den Stadtwerken Oranienburg „mit der Bereitstellung zusätzlicher Leistung im Hochspannungsnetz und mit unserem technischen Know-how bei der möglichst zügigen Errichtung eines neuen Umspannwerkes“Unterstützung zu, „um dem Kapazitäts-Problem der Stadtwerke möglichst nachhaltig zu begegnen“. Abschließend seien aber noch keine Entscheidungen getroffen worden. Bürgermeister Alexander Laesicke versuchte, die Strom-Misere zu erklären: „Der Strombedarf unserer wachsenden Stadt hat sich enorm entwickelt, schneller, als es in der Vergangenheit vorausgesehen wurde“. Die Infrastruktur genauso schnell auszubauen, sei eine Herausforderung.