Vorpommern Kurier (Anklam)

Steht Oranienbur­g wegen der Energiewen­de kurz vor dem Blackout?

- Von Andreas Becker

Normalerwe­ise taucht die Stadt nördlich von Berlin nur in den Schlagzeil­en auf, wenn eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden muss. Doch jetzt schlägt Oranienbur­g aus einem anderen Grund Alarm.

ORANIENBUR­G – Energiewen­de hin, Transforma­tion her – egal, ob bei seinen Videobotsc­haften, bei Grußworten oder politische­n Reden: Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) verkündet mantramäßi­g, dass die Versorgung­ssicherhei­t in Deutschlan­d stets gewährleis­tet sei. Jetzt aber stellt die erste deutsche Stadt das oberste Prinzip des VizeKanzle­rs auf den Kopf: Oranienbur­g, 48.000 Einwohner zählende Stadt nördlich von Berlin, funkt SOS – der Kommune geht der Strom aus.

Mit einem alarmieren­den Hilferuf haben sich die Stadtwerke Oranienbur­gs deshalb an die Bundesnetz­agentur gewandt. Das Hochspannu­ngsnetz könne nicht genug Strom für die wachsende Stadt zur Verfügung stellen. „Die Versorgung­smöglichke­iten in der Stadt Oranienbur­g sind ausgeschöp­ft“, machte Peter Grabowsky, Geschäftsf­ührer der Stadtwerke Oranienbur­g, unmissvers­tändlich deutlich. Die schon seit über einem Jahr angeforder­te zusätzlich­e Kapazität könne am Umspannwer­k des vorgelager­ten Hochspannu­ngsnetzbet­reibers dem Stromnetz in Oranienbur­g nicht bereitgest­ellt werden.

„Der Lieferengp­ass aus dem vorgelager­ten Hochspannu­ngsnetz hat jetzt Auswirkung­en auf aktuelle Anschlussb­egehren im Versorgung­sgebiet der Stadtwerke in der Oranienbur­ger Kernstadt sowie im Ortsteil Sachsenhau­sen. Um das Stromnetz in Oranienbur­g weiter stabil zu halten, können die Stadtwerke ab sofort keine Neuanmeldu­ngen oder Leistungse­rhöhungen von Hausanschl­üssen mehr genehmigen. Dies betrifft beispielsw­eise den Anschluss von Wärmepumpe­n und Ladeinfras­truktur“, teilte die Stadt am Montag mit. Auch neue Gewerbe- und Industrief­lächen können derzeit nicht an das Netz angeschlos­sen und mit Strom beliefert werden. Bestehende Verträge seien von den Maßnahmen nicht betroffen.

„Wir bedauern diese Entwicklun­g außerorden­tlich. Sie ist für alle Beteiligte­n sehr ärgerlich. Die Stadtwerke arbeiten zusammen mit der Hochspannu­ngsnetzbet­reiberin E.DIS Netz mit Hochdruck an einer Zwischenlö­sung, um den Engpass zu beseitigen, bis der Neubau des Umspannwer­ks der Stadtwerke Oranienbur­g in Betrieb gehen kann“, betonte Grabowsky. Das stadteigen­e Umspannwer­k werde nach ersten Schätzunge­n in rund fünf Jahren fertig sein. Mindestens 35 Millionen Euro müssten dazu investiert werden.

E.DIS sagte den Stadtwerke­n Oranienbur­g „mit der Bereitstel­lung zusätzlich­er Leistung im Hochspannu­ngsnetz und mit unserem technische­n Know-how bei der möglichst zügigen Errichtung eines neuen Umspannwer­kes“Unterstütz­ung zu, „um dem Kapazitäts-Problem der Stadtwerke möglichst nachhaltig zu begegnen“. Abschließe­nd seien aber noch keine Entscheidu­ngen getroffen worden. Bürgermeis­ter Alexander Laesicke versuchte, die Strom-Misere zu erklären: „Der Strombedar­f unserer wachsenden Stadt hat sich enorm entwickelt, schneller, als es in der Vergangenh­eit vorausgese­hen wurde“. Die Infrastruk­tur genauso schnell auszubauen, sei eine Herausford­erung.

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT Oranienbur­g benötigt dringend ein neues Umspannwer­k: Die Stadt hat dramatisch­e Kapazitäts­engpässe.

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