Fachleute diskutieren über das Museum der Zukunft
Derzeit wird an einer Entwicklungskonzeption für die brandenburgische Museumslandschaft gearbeitet. Die aktuelle Lage nach Corona und mit den Kriegen in der Welt hat Auswirkungen auf die Museen, die ihre mehr als 15 Jahre alte Richtschnur überdenken müssen.
SCHWEDT – Wie sieht das Museum der Zukunft aus? Barrierefrei soll es sein, nachhaltig und professionell, kurz: Es soll ein Museum für alle sein. Aber bleibt die Politik draußen? Mehr als 60 Mitarbeiter aus brandenburgischen Museen haben im Schwedter Parkschlösschen Monplaisir über das Zukunftsbild von Museen im ländlichen Raum diskutiert.
Nicht immer war man bei dieser Tagung des Museumsverbandes Brandenburg einer Meinung. Das mit der Barrierefreiheit zum Beispiel klappt in kleinen Museen und Heimatstuben nicht immer. Im ländlichen Raum sind es häufig schmale Fachwerkhäuser, die historische Schätze bewahren und um Besucher ringen.
Laut neuer Definition, wie sie Dr. Alina Gromova vom Internationalen Museumsrat vorstellte, sollen Museen das materielle und immaterielle Erbe erforschen, sammeln, bewahren und ausstellen. Doch manche Museen können oder wollen gar nicht forschen, zu gering ist ihr Etat, zu niedrigschwellig ihr Angebot, das meist auch noch im Ehrenamt bewältigt wird.
Alina Gromova ermunterte die Zuhörer, sich zu fragen: „Wer gestaltet unsere Museen, und für wen werden sie gemacht? Gerade in ländlichen Gebieten sind Museen dazu berufen zu dritten Orten zu werden, das heißt, wo Menschen sich begegnen, austauschen und ihr Wissen erweitern.“Museen könnten gar in schwierigen Zeiten, wie wir sie jetzt mit Krieg und Krisen und einem wachsenden Rechtspopulismus erlebten, zu Orten der inneren Stärke und der Freude werden.
Wenn es um Wissenserweiterung und Debatten geht, dann mischt das Schwedter Stadtmuseum immer ordentlich mit. Sonderausstellungen beschäftigen sich mit jüngster Zeitgeschichte und unlängst sogar mit dem künstlerischen Erbe, das aus den Sammlungen der PCK-Raffinerie erwächst. Wie gehen wir mit Kunst um, die in den sozialistischen Aufbaujahren der Stadt entstanden ist? Wer hat vor 60 Jahren Geschichte geschrieben, als das Erdölverarbeitungswerk der DDR aus dem märkischen Kiefernwald emporwuchs? Solche Fragen sind nah dran am Erleben und am Lebenswerk der Einwohner und potenziellen Museumsbesucher. Das Gästebuch zu dieser Sonderausstellung widerspiegelt die Dankbarkeit der ehemaligen jungen Erbauer, dieses Thema aufgegriffen zu haben.
Für eine weite Auslegung dessen, was Museen leisten können und sollen, spricht sich Dr. Stephan Diller aus. Er ist Leiter des Kulturhistorischen Museums im Dominikanerkloster Prenzlau und sagt: „Die Museumsleute vor Ort müssen den Spagat zwischen Theorie und Praxis schaffen.“Weil er auch Leiter des Uckermärkischen Museumsverbundes ist, hat er ein Konzept entwickelt, wie man eine leerstehende Kaserne zu einem Depot für alle Museen der Uckermark umbauen kann. „Der Bau ist ruinös, aber für Lkw sehr gut anfahrbar.“Dort könnten Schätze aus allen Museen der Region aufbewahrt werden. Das Stadtmuseum Schwedt platzt aus allen Nähten. Sogar das neu gebaute Museum Angermünde klagt über mangelnde Lagermöglichkeiten. Dillers Pläne sehen vor, dass die Stadt Prenzlau das Gebäude saniert, die Trägerschaft müsse über den Landkreis laufen. Das Dominikanerkloster hätte die wissenschaftliche Oberaufsicht über die Verwaltung des Depots und die digitale Betreuung des Bestandes.
So ein Depot scheint auch aus anderer Sicht dringend notwendig. „Wir haben in der Uckermark die größte Künstlerdichte in Brandenburg. Mit unserer Einrichtung könnten wir das Problem der Künstlernachlässe lösen, bei dem manche Kommune an ihre Grenzen stößt“, erläutert Diller. Er blickt bis 2028 voraus. Dann soll das Depot stehen und energetisch autark sein.
Die Pläne von Diller drängen in die gleiche Richtung, wie sie Alina Gromova vorschlägt: „Museen müssen ihren Zusammenhalt untereinander, die Verwurzelung in ihrem Ort und zu den Einwohnern stärken.“Nicht zuletzt lebe die Museumsszene auch vom ehrenamtlichen Engagement, ohne das die klassische Aufgabe vom Sammeln, Bewahren und Ausstellen nicht erfüllt werden könne.
Gerade erarbeiten die Museen eine Entwicklungskonzeption für die brandenburgische Museumslandschaft. Die aktuelle Lage nach Corona und mit den Kriegen in der Welt hat Auswirkungen auf die Museen, die ihre mehr als 15 Jahre alte Richtschnur überdenken müssen. Deshalb forderte der Verband seine Mitglieder zu einer Zuarbeit auf: Mein Museum in einem Satz. Eine Antwort lautete: „Jüdisches Museum – ganz anders und doch Schwedt.“In der Tat befindet sich seit 2021 in der Oderstadt ein Jüdisches Museum mit Seminarhaus. Es überdacht die originalen Ziegel der einstigen Synagoge. Das Ensemble mit Synagogendienerhaus und Ritualbad ist eine Besonderheit der jüdischen Kultur in Deutschland.
Dort wird am 3. Mai die Sonderausstellung „Im Reich der Nummern“eröffnet. Sie beleuchtet neun Schicksale von Männern, die im Novemberpogrom 1938 gefangengenommen und ins KZ Sachsenhausen transportiert wurden. Was ist aus diesen Männern, die Einwohner von Schwedt waren, geworden? Die Schwedter Museumsleiterin Anke Grodon hat dem nachgespürt. Sie sagt: „Die Familien, die mit Fotos und Dokumenten zur Ausstellung beitrugen und im Interview über ihre Erinnerungen berichten, leben heute in den USA, Großbritannien, Kanada, Israel, Argentinien und Australien.“