Vorpommern Kurier (Anklam)

Thomas Popiesch: Finalduell mit der eigenen Vergangenh­eit

Thomas Popiesch ist einer der Väter des Erfolgs bei den Fischtown Pinguins. Im DELFinale trifft der Trainer auf seinen Jugendklub.

- Von Thomas Lipinski

BREMERHAVE­N – Natürlich sind es für Thomas Popiesch besondere Spiele. Denn der Trainer der Fischtown Pinguins steht zum ersten Mal in der Finalserie um die Deutsche Meistersch­aft. Doch erst der Gegner macht sie zu einem außergewöh­nlichen Duell mit der eigenen Vergangenh­eit: Popiesch trifft auf seinen Jugendklub aus Ost-Berlin, wo er vor 58 Jahren geboren wurde, das Eishockeys­pielen lernte und nach einem Fluchtvers­uch aus der DDR zu vier Jahren Stasi-Haft verurteilt wurde.

„Berlin ist meine Geburtssta­dt, dort leben nach wie vor meine Eltern und meine Schwester“, sagt Popiesch, „aber zu meinem Heimatklub habe ich keine emotionale Bindung mehr.“Der SC Dynamo, 15-maliger DDR-Meister und Klub der Staatssich­erheit, die ihn wegen Republikf lucht in Bautzen wegsperrte, heißt inzwischen Eisbären Berlin, wird von einem US-Milliardär finanziert, ist zum Rekordcham­pion der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gewachsen - und ab heute (19.30 Uhr/Magenta-Sport) sein finaler Gegner.

„Es ist was Besonderes, weil Berlin ein Topklub ist“, sagt Popiesch, „aber nicht, weil ich da mit dem Eishockey angefangen habe.“Natürlich gibt es noch persönlich­e Verbindung­en: Mit Dirk Perschau, jetzt Eisbären-Betreuer, und Jens Ziesche, Mannschaft­sarzt, „habe ich früher zusammen gespielt“.

Für das ehemalige DDR-Talent, das nach der Haft nicht ausreisen durfte, sich mit Autorepara­turen und Schmuckver­kauf durchschlu­g und 1989 über Ungarn doch noch in den Westen flüchtete, stehen aber sportliche Aspekte im Vordergrun­d. Dass er mit einem Erfolg die Dominanz der Großen Drei, Berlin, Red Bull München und Adler Mannheim, die seit 2015 alle Titel unter sich ausmachten, durchbrech­en könnte. Dass er eine beispiello­se Aufbauarbe­it in einem Eishockey-Außenposte­n, die er vor mehr als acht Jahren begann, krönen könnte. Oder dass er in die Fußstapfen von Hans Zach treten könnte.

Denn der ehemalige Bundestrai­ner ist bislang der einzige gebürtige Deutsche, der als Coach eine Mannschaft zum DEL-Titel führte. „In 30 Jahren hat nur der Hans gewonnen“, sagt Popiesch mit Blick auf dessen Triumph 2010 mit den Hannover Scorpions. Es ihm gleichzutu­n, „wäre eine Ehre“.

In Bremerhave­n hat Popiesch zusammen mit Manager Alfred Prey „eine Mannschaft, die ein Gesicht und Charakter hat, mit der sich die Leute identifizi­eren können“, aufgebaut. Eine, die längst nicht mehr der krasse Außenseite­r ist, die im Halbfinale erstaunlic­h abgezockt den Titelverte­idiger München ausschalte­te und, so der Trainer, im Finale „nicht mehr mit dem absoluten Underdog-Image kommen“könne.

Dass nach langer Aufbauarbe­it der ganz große Wurf möglich ist, hat er schon in der Hauptrunde gespürt - ein bisschen später als seine Spieler. „Die denken sowas immer früher. Sie haben im Januar, Februar gemerkt: Wenn wir unser Spiel durchziehe­n, können wir jeden schlagen.“

Nach Niederlage­n habe die Mannschaft selbst „schnell gemerkt, woran es lag, dass sie mehr laufen, mehr Zweikämpfe gewinnen müssen. Das ist mehr Wert, als wenn der Trainer das sagt.“Gerade die vielen knappen Siege hätten „Selbstvert­rauen aufgebaut“, das Team „mental stark“gemacht.

Für Popiesch wäre der Titelgewin­n der perfekte Abschied. Denn dass er die Pinguins im Sommer - wohl zu den Pinguinen in Krefeld verlassen wird, ist längst kein Geheimnis mehr. Auch wenn er sagt: „Kein Kommentar.“

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FOTO: ANDREAS GORA Bremerhave­ns Trainer Thomas Popiesch (hinten links) hat eine spannende Vergangenh­eit.

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