Vorpommern Kurier (Anklam)

Ist eine Geheimspra­che der Grund für die Riesenauge­n des Miniwurms?

- Von Annett Stein

Ein Mensch mit solchen Proportion­en müsste seine Augen mit der Schubkarre transporti­eren: Bei Meereswürm­ern haben Forscher riesige Augen ausgemacht. Ob die Wesen damit nach Beute oder Liebeleien Ausschau halten?

KOPENHAGEN – Bestimmte Borstenwür­mer im Mittelmeer haben extrem große Augen - womöglich für eine Art Geheimspra­che mit Artgenosse­n. Hätte der Mensch im Verhältnis derart große Augen, müsste er zusätzlich­e hundert Kilo an mühlsteing­roßen Augen mit sich schleppen, erläutert ein schwedisch-dänisches Forschungs­team zu der im Fachjourna­l „Current Biology“vorgestell­ten Studie. Mit seinen roten Riesenauge­n könne das primitive Wesen so scharf sehen wie viele Säugetiere. Ein derart hochentwic­keltes Sehvermöge­n sei bisher nur von Wirbeltier­en, Gliederfüß­ern wie Insekten sowie Kopffüßern wie Kraken bekannt, erläutert das Team. „Sein Sehvermöge­n ist dem von Mäusen oder Ratten ebenbürtig, obwohl er ein relativ einfacher Organismus mit einem winzigen Gehirn ist“, sagte Anders Garm von der Universitä­t Kopenhagen, einer der drei Studienaut­oren.

Die Augen der Borstenwür­mer wiegen den Analysen zufolge etwa 20 Mal so viel wie der Rest des Kopfes. Doch warum leistet sich der durchsicht­ige Meeresbewo­hner so fehlplatzi­ert wirkende Glubscher?

Die untersucht­en Ringelwürm­er der Arten Torrea candida, Vanadis cf. formosa und Naiades cantrainii leben unter anderem entlang der italienisc­hen Insel Ponza westlich von Neapel. Badegäste bekommen die Tiere dennoch selten zu Gesicht: Sie sind nachtaktiv, wie die Forscher schreiben.

„Niemand hat den Wurm je tagsüber gesehen, wir wissen also nicht, wo er sich versteckt“, so Garm. Es sei nicht auszuschli­eßen, dass er seine Augen auch tagsüber nutzt. „Was wir wissen ist, dass seine wichtigste­n Aktivitäte­n wie Nahrungssu­che und Paarung nachts stattfinde­n. Es ist also wahrschein­lich, dass die Augen zu dieser Zeit wichtig sind.“

Den Forschern zufolge sehen Exemplare aller drei Arten im ultraviole­tten Bereich (UV), der für das menschlich­e Auge unsichtbar ist. Womöglich erkennen die Tiere so biolumines­zente Signale im nächtliche­n Meer. Von Biolumines­zenz spricht man, wenn Organismen leuchten, also aus eigener Kraft Licht erzeugen, etwa durch chemische Reaktionen in den Hautzellen.

„Wir haben die Theorie, dass die Würmer selbst biolumines­zent sind und über Licht miteinande­r kommunizie­ren“, erläuterte Garm. Womöglich handle es sich um eine Art Geheimspra­che, die mit der Paarung zusammenhä­nge. Durch die Verwendung von UV-Licht blieben die Tiere dabei für potenziell­e Räuber unsichtbar. „Es könnte auch sein, dass sie nach UV-biolumines­zierenden Beutetiere­n Ausschau halten“, so Garm. „Wie auch immer, es ist wirklich spannend, denn UV-Biolumines­zenz wurde bisher bei noch keinem anderen Tier beobachtet.“Die Hoffnung sei groß, mit den Borstenwür­mern ein erstes Beispiel präsentier­en zu können.

Erforscht werde aktuell zudem, wie Tiere mit so einfachen Gehirnen all jene Informatio­nen verarbeite­n können, die so große Augen wahrschein­lich sammeln. Womöglich gebe es im Nervensyst­em der Borstenwür­mer besondere Wege der Informatio­nsverarbei­tung.

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FOTO: MICHAEL BOK/DPA Ob die Würmer mit den großen Augen eher nach Beute oder nach möglichen Partnern Ausschau halten, ist unklar.

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