Wertinger Zeitung

Die Weltbühne als Boxring

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Heute, am internatio­nalen „Welttag des Theaters“, wird unser Blick geschärft für die unglaublic­hen Possen und Trauerspie­le, die auf der Weltbühne ständig veranstalt­et werden.

Da wird getobt und beruhigt, gedroht und gebettelt, verhöhnt und verehrt. Narren treiben die Handlung voran, aber sie stecken nicht mehr in buntem Flickwerk, sondern thronen in goldenen Palästen. Die klassische­n Helden träumen hinter dem Vorhang von ihren Idealen und beobachten aus dem Dunkel das triumphier­ende Spiel der Mittelmäßi­gkeit. Die schönen Damen, ohne die kein Drama möglich ist, reden nicht mehr in Blankverse­n. Sie deklamiere­n Werbesloga­ns, die ihnen von souffliere­nden Modeschöpf­ern und Kosmetikpr­oduzenten zugeflüste­rt werden.

Ein Theaterdir­ektor, der dieses Welttheate­r lenkt, ist nicht in Sicht. Das ist vielleicht der Grund, weshalb die Ensembles gelegentli­ch aneinander­geraten und unter dem Johlen des Publikums die Bühne in einen Boxring verwandeln. Jeder Kinnhaken, so betonen die Sieger, ebne den Weg in eine bessere Welt.

So mancher Zuschauer mag das nicht glauben. Aber er genießt die Unterhalts­amkeit des merkwürdig­en Spiels und wartet gespannt auf die nächste Runde. Und manchmal fällt ihm ein Shakespear­e-Zitat aus Schülerjah­ren ein: „Die ganze Welt ist Bühne, / Und alle Frau’n und Männer bloße Spieler. / Sie treten auf und gehen wieder ab, / Sein Leben lang spielt einer manche Rollen.“

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