Hier liegt das Australien des 19. Jahrhunderts
Leo Thomas betreut seit sieben Jahren das Stadtarchiv Höchstädt. Für ihn ist es fast schon eine Art Sucht
Höchstädt Eine Fleißarbeit der besonderen Art hat sich Leo Thomas mit der Betreuung des Stadtarchivs im Keller des Höchstädter Rathauses aufgebürdet. Das zeigt allein die Tatsache, dass Leo Thomas im Jahr 2010 mit zehn weiteren ehrenamtlichen Helfern begonnen hat, Ordnung und Sauberkeit in das Archiv zu bringen – und diese Gruppe mittlerweile auf zwei Mitarbeiterinnen, Gieselinde Scherer und Rita Ulbrich, geschrumpft ist.
Auf die Frage, warum er sich das antue, antwortet Leo Thomas, der auch stellvertretender Vorsitzender des Historischen Vereins von Höchstädt ist: „Ich interessiere mich einfach für die Geschichte der alten Unterlagen und Urkunden. Dieses Interesse verfolgt mich nun schon seit sieben Jahren, und bis das ganze Material hier im Keller gereinigt, geordnet und sachgemäß untergebracht sein wird, daran haben meine Nachfolger sicherlich nochmals einige Jahre zu arbeiten.“
Denn jede der Schriften, wie beispielsweise die historischen Ratsbücher, haben mindestens 500 Seiten, die Blatt für Blatt gereinigt werden müssen und so mancher Buchumschlag muss ebenfalls einer Reparatur unterzogen werden. Leo Thomas zeigt das älteste Exemplar der Ratsbücher aus dem Jahr 1571. Schon damals wurden hier die ge- samten Vorgänge im Rathaus schriftlich dokumentiert, und Leo Thomas ist es mit seinen Helfern gelungen, alle noch vorhandenen Ratsbücher sorgfältig zu archivieren. Leider fehlen einige Bücher, so auch das aus dem Jahr 1704, in dem es sicherlich noch einen authentischen Einblick in die Vorgänge rund um die Schlacht bei Höchstädt gegeben hätte.
Neben Ratsbüchern gibt es im Stadtarchiv auch zahlreiche Urkunden, in den meist Grundstücksange- legenheiten, Schenkungen oder Erlasse der Obrigkeiten festgeschrieben sind. Die ältesten der Urkunden stammen aus dem 14. Jahrhundert. Auch diese Schriftstücke hat Archivar Thomas mittlerweile gesäubert und archiviert. Besonders stolz ist der Archivar auf Briefe und Zeichnungen Hermann Becklers. Der Arzt und Naturforscher war im Jahr 1828 in Höchstädt geboren worden und ging nach seinem Medizinstudium im Jahr 1855 nach Australien, um das Land sowie die dortige Flora und Fauna zu erkunden. Er schrieb regelmäßig Briefe an seinen jüngeren Bruder Karl, in denen er eindrucksvoll das Erlebte, aber auch das Australien des 19. Jahrhunderts, das Leben der europäischen Einwanderer und die Begegnung mit den Aborigines schilderte.
Ein Teil der Briefe und seiner Zeichnung von der Landschaft, den Pflanzen und Tieren gelangten auf Umwegen nach Höchstädt, fanden dort jedoch keine große Beachtung. Als jedoch in Down Under an Hermann Becklers Wirken im Jahr 2014 mit einer Briefmarke gedacht wurde, hat sich nach den Worten von Archivar Thomas ein Mr. John McAdam aus Parkville in Australien gemeldet, der sich für das Leben des Arztes und Naturforschers interessierte. „Drei Mal war er nun bereits bei mir im Archiv, um in die Briefe und Zeichnungen von Hermann Beckler Einsicht zu nehmen“, erzählt Leo Thomas mit ein wenig Stolz in seinen Augen.
Eine weitere Archiv-Pretiose ist auch das Buch von dem Kurpfalzbayerischen Hofrat und Landgerichtsschreiber zu Höchstädt Franz Gottfried Strobel aus dem Jahr 1789. Er verfasste darin die Geschichte und Beschreibung der Kurpfalzbayerischen Oberamts-Stadt Höchstädt seit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1081 bis zum Jahr 1789. „Dabei erstaunt die saubere Handschrift des Verfassers“, sagt Leo Thomas, für den das Buch wegen des historischen Inhalts das wertvollste in seinem Archiv ist.
Daneben gibt es aber auch noch viele Bücher über die Finanzen und das Geldwesen der Spitalstiftung ab Mitte des 18. Jahrhunderts sowie der Hospitalstiftung ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts.
Aufbewahrt werden die gesäuberten Urkunden und Bücher in beschrifteten Kartons, die in einem neu renovierten Nebenraum des großen Kellers auf Regalen nach Jahrhunderten fein säuberlich gelagert sind.
„Denn der große Kellerraum dient ja auch als Abstellkammer des Rathauses“, sagt Leo Thomas, der zwischen all den Büchern, Bildern, alten Möbeln und Fahnen darauf hofft, noch das eine oder andere alte wertvolle Schriftstück für sein Archiv zu finden. „Es kann tatsächlich eine Art Sucht werden, in den alten Schriften zu stöbern“, sagt der Archivar, und sein Bürgermeister Stephan Karg ergänzt: Was Leo Thomas hier macht, ist für die Stadt Gold wert.
Besichtigt werden kann das Archiv nach Terminabsprache mit Leo Thomas unter der Telefonnummer 09074/5262 oder Mobil: 0174/6341134.