B2: Drängler ist seinen Führerschein los
Ein 57-Jähriger überholt rechts, verursacht einen Unfall und flüchtet. Jetzt musste er sich vor Gericht verantworten
Westendorf/Augsburg Montag, 13. Juni, 5.10 Uhr auf der B2: Der Berufsverkehr beginnt. Richtung Süden ist schon einiges los. Ein 22-Jähriger wechselt mit einem BMW auf die linke Spur, er will einen Lastwagen überholen. An dieser Stelle, Höhe Westendorf, ist Tempo 120 erlaubt. Er hat den Tempomat eingelegt, erzählt der junge Mann vor Gericht. Als er in den Rückspiegel schaut, sieht er ein Auto, das viel zu schnell angerast kommt. Es überholt ihn rechts. Kurz vor dem Lastwagen wechselt der Raser auf die linke Spur – mit fatalen Folgen: Der Ford berührt den Wagen des 22-Jährigen, der prallt gegen die Mittelleitplanke und wird mehrere Meter mitgeschleift.
„Ich habe es gerade so geschafft, dass ich nicht mit dem Lastwagen kollidiert bin“, erzählt das Unfallopfer. So kommt er vergleichsweise glimpflich davon: Er hat Schmerzen in Bauch und Nacken, sein Wagen muss abgeschleppt werden. Was für ihn schlimmer ist: Der Verursacher, ein damals 57-Jähriger aus dem Landkreis Günzburg, bremst zwar kurz ab, fährt dann aber einfach weiter. Zwei Zeugen, die im Auto dahinter den Unfall beobachtet haben, bestätigten das bei der Gerichtsverhandlung: „Der ist volles Rohr fort“, meint ein 69-Jähriger. Weit kommt der Drängler allerdings nicht: An der nächsten Ausfahrt, Meitingen-Nord, stellte eine Polizeistreife den Ford-Fahrer auf einer Wiese.
Er musste sich gestern wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten Entfernens vom Unfallort vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten. Der Grund: Er wollte sich nicht mit dem Strafbefehl des Gerichts abfinden und hatte Einspruch eingelegt. Seine Verteidigerin, Ursula Engelbrecht-Knöpfle, erklärte, die Schuld am Unfall gebe ihr Mandant zu. Den Vorwurf der Unfallflucht aber nicht. Da der heute 58-Jährige bei dem Crash selbst verletzt und sein Auto demoliert worden war, sei er weder physisch noch psychisch in der Lage gewesen, bewusst zu flüchten. Seine Haftpflichtversicherung hat den Schaden am BMW des Opfers – etwa 12000 Euro – zwar beglichen, fordere das Geld wegen des Unfallflucht-Vorwurfs nun aber von dem Angeklagten zurück. „Eine wirtschaftliche Katastrophe“, meinte seine Verteidigerin. Nach den Zeugenaussagen hatte Richter Stefan Lenzenhuber allerdings keinen Zweifel an der ursprünglichen Version des Unfallablaufs, wie er in der Anklage stand. „Sie können froh sein, dass nicht mehr passiert ist“, sagte der Richter zum Angeklagten und riet ihm, den Einspruch zurückzunehmen. Denn bei einem Urteil käme „bestimmt nicht weniger heraus.“So folgte der 58-Jährige doch lieber der Empfehlung des Gerichts: Er zog seinen Einspruch zurück. Damit gilt der Strafbefehl. Und das heißt: Der Unfallverursacher muss 4250 Euro zahlen und ein Jahr lang seinen Führerschein abgeben.
Der Vorfall bei Westendorf ist übrigens kein Einzelfall: Im vergangenen Jahr ist fast bei jedem fünften Unfall in Nordschwaben der Verursacher geflüchtet.