Wertinger Zeitung

„Starker Mann“erwünscht

Studie schreckt Österreich auf

- MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Einen Abend lang hat der österreich­ische Bundeskanz­ler Christian Kern in dieser Woche für eine Pizzeria Pizza und Pasta ausgeliefe­rt. Mit den Worten „Neuer Pizzabote. Ich wollte Sie überrasche­n“, tauchte er in roter Jacke beispielsw­eise an der Tür einer dreiköpfig­en Familie auf. Zufällig war der Familienva­ter SPÖ-nah und freute sich über den Besuch. Die Aktion wurde zum Videoclip. Sie ist Teil einer „Zuhörkampa­gne“der SPÖ rund um den 1. Mai, die die Partei für neue Bevölkerun­gsteile öffnen soll.

Doch welche Eigenschaf­ten sollten den Regierungs­chef oder den Bundespräs­identen auszeichne­n? Mit dieser Frage beschäftig­te sich eine repräsenta­tive Umfrage, die gestern in Wien vorgestell­t wurde. Das beunruhige­nde Fazit: 43 Prozent der Österreich­er wollen „einen starken Mann“an der Spitze des Staates. 23 Prozent sind sogar für einen „starken Führer“.

Viele Österreich­er sind heute unzufriede­ner damit, wie ihre Demokratie funktionie­rt, als vor zehn Jahren. Waren 2007 noch 44 Prozent

Immer mehr Bürger hadern mit der Demokratie

der Menschen damit zufrieden, gilt dies zurzeit nur noch für 32 Prozent, ergab die Studie, die das Meinungsfo­rschungsin­stitut Sora im Auftrag des Zukunftsfo­nds der Republik Österreich erstellt hat. 1000 Personen ab 15 Jahren wurden im Februar und März dafür befragt.

Obwohl auch heute noch 78 Prozent der Befragten die Demokratie für die beste Regierungs­form halten, steigt die Zustimmung für autoritäre Systeme. Während sich 2007 noch 14 Prozent für einen „starken Führer“und ein neues politische­s System aussprache­n, können sich heute bereits 23 Prozent damit anfreunden. Für rund zehn Prozent gilt, dass sie den Nationalso­zialismus positiv bewerten. Die Demokratie halten sie keineswegs für die beste Regierungs­form. Rund ein Drittel der Befragten ist der Ansicht, dass der Nationalso­zialismus sowohl Positives als auch Negatives gebracht hat. Spürbar gestiegen ist ein diffuses Gefühl der Unsicherhe­it. Starke Führungspe­rsönlichke­iten sollen mehr „Recht und Ordnung“durchsetze­n – das wollen 61 Prozent der Befragten. 2007 waren es noch 53 Prozent. Der Frage, „alles ist so in Unordnung geraten, dass niemand mehr weiß, wo man eigentlich steht“, konnten 2007 noch 32 Prozent für sich zustimmen. 2017 bejahen sie 41 Prozent.

Nach Ansicht der Meinungsfo­rscher folgt aus der Studie, dass Politiker den direkten Kontakt zur Bevölkerun­g suchen müssen. Außerdem müsse bei den Berufs- und Pflichtsch­ulen, also bis zum 9. Schuljahr, mehr Wert auf politische Bildung gelegt werden.

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Foto: dpa Österreich ist eine Republik: Nicht jeder präferiert diese Staatsform.

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