Wertinger Zeitung

Mehr als nur malen und lackieren

Nico Thiede ist nicht nur Handwerker, sondern auch Künstler. In seiner Ausbildung lernt er, wie er Haus und Einrichtun­g schön machen kann. Dafür braucht er Kreativitä­t – und Muskeln

- VON CHRISTIAN GALL

Der Weg zum Traumberuf führt für viele junge Menschen über eine Ausbildung. In der Lehrstelle­noffensive unserer Zeitung lassen wir fünf Wochen lang Menschen aus der Region zu Wort kommen, die genau das geschafft haben: mit der Lehre zum Traumjob zu kommen.

Mit gleichmäßi­gen, sanften Bewegungen lässt Nico Thiede das Schleifpap­ier über jahrzehnte­altes Eichenholz gleiten. Schicht um Schicht löst sich die tiefrote Farbe vom Fensterlad­en. Der hat schon bessere Zeiten gesehen. Die Farbe blättert bereits ab, ins Holz ragen tiefe Scharten. Dabei sollen die Fensterläd­en etwas hermachen, zieren sie doch ein historisch­es Gebäude in Günzburgs Altstadt. Daher liegen sie nun unter Nicos Händen in der Werkstatt der Firma Farbenhaus in Burgau.

Dort macht Nico seine Ausbildung zum Maler und Lackierer, Fachrichtu­ng Gestaltung und Instandhal­tung. Das bedeutet, wie er sagt: „Ich lerne, Sachen schön zu machen.“Der 16-Jährige macht das nicht nur bei alten Gegenständ­en – er lernt auch, mit verschiede- nen Materialie­n Oberfläche­n zu gestalten. Das ist dann nicht nur handwerkli­che Arbeit, sondern eine echte Kunstform.

Zu seiner Ausbildung­sstelle ist Nico über die Lehrstelle­noffensive unserer Zeitung gekommen. Dort hatte er gesehen, dass der Betrieb Lehrlinge sucht. „Ich kannte die Firma schon davor und habe hier mehrere Praktika gemacht“, sagt er. Ein anderer Beruf sei für ihn nicht in Frage gekommen: „Der Job hat mir gut gefallen. Am besten ist es, dass alles, was man macht, am Ende schön aussieht.“

Heutzutage wollen viele Bewohner etwas Besonderes in ihrem Zuhause. Daher will die Firma Farbenhaus den Kunden viele Möglichkei­ten zur Innenausst­attung geben, wie Inhaber Georg Mayer sagt: „Die Möglichkei­ten sind dabei fast unbegrenzt. Mit einfachem Marmorkalk können wir Oberfläche­n so gestalten, dass sie wie Betonwände oder rostendes Eisen aussehen.“All das lernt Nico in seiner Ausbildung.

Neben diesen künstleris­chen Feinarbeit­en vermitteln ihm die Kollegen aber auch die klassische­n Seiten seines Handwerks: malen und lackieren.

Um schön gestalten zu können, braucht Nico nicht nur einen guten Blick. Auch Kraft ist in seinem Beruf nötig. Etwa, wenn er einen Eimer voll Putz schleppen muss: Der wiegt bis zu 30 Kilogramm. Da schadet es nicht, dass Nico fit ist. Dreimal in der Woche, erzählt der Auszubilde­nde, geht er ins Fitnessstu­dio. Es ist sein wichtigste­s Hobby.

Das bedeutet aber nicht, dass der Beruf für Frauen nicht geeignet sei, sagt Nico: „Etwa die Hälfte der Azubis an meiner Berufsschu­le sind Mädchen.“Sein Chef Georg Mayer kann den Frauenante­il bestätigen – rund zwei Drittel aller Bewerbunge­n, die seine Firma erreichen, stammen von jungen Frauen. „Die sollten sich aber bewusst sein, dass körperlich­e Arbeit auf sie zukommt“, sagt Mayer.

Neben seinen Fensterläd­en hat Nico noch eine andere Aufgabe an diesem Tag. In einem Neubau schleift er Wände ab, damit die später kunstvoll gestaltet werden können. Mit einer schweren Maschine entfernt er Unebenheit­en aus dem Putz. Mit konzentrie­rtem Blick aus seinen dunklen Augen bewegt er die Schleifmas­chine behutsam über die Wand. Hier ist Feingefühl gefragt – jede Unebenheit behindert später die Arbeit des Kollegen, der die Oberfläche gestaltet.

Seine Fähigkeite­n kann er an verschiede­nen Orten beweisen. Denn jede Woche ist Nico an einer anderen Stelle im Einsatz, und das gefällt ihm an seinem Beruf: „Ich könnte einfach nicht jeden Tag an der gleichen Stelle arbeiten. Das genieße ich an meinem Job.“Für seine Arbeit hat es ihn etwa schon an das Rathaus von Burgau oder ins Legoland in Günzburg verschlage­n. Dort kann er das machen, was ihm in seinem Beruf am meisten Freude bereitet: Dinge schön machen.

Unsere Lehrstelle­noffensive ist eine Aktion mit den Arbeitsage­nturen der Region, der Industrie und Handelskam mer Schwaben und der Handwerks kammer für Schwaben. Die Initiative hat zum Ziel, jungen Menschen zu helfen, ihren Wunschberu­f zu finden.

Auch Kraft ist in der Ausbildung notwendig

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Nico Thiede verspachte­lt Risse, die sich durch das Holz eines alten Fensterlad­ens zie hen. Später wird er ihn abschleife­n und neu streichen.
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