Revolutionäre Bettgeschichten
In den Sechzigern posiert Shere Hite, wegen ihres Körpers und ihrer blonden Mähne ein gern gebuchtes Model, für eine SchreibmaschinenWerbung. Sie macht das oft, hat kein Problem damit. Doch als sie später den Werbespruch erfährt, ist es wie ein Erweckungserlebnis: „Die Maschine ist so klug, dass die Frau es nicht sein muss.“
Die US-Amerikanerin wird zur Kämpferin für Frauen – oder, wie sie es damals sagt, für die schweigende Mehrheit der Sexualobjekte, „deren Gefühle unterdrückt und ausgebeutet werden“. Sie verschickt 100 000 Fragebögen, in denen Frauen zwischen 14 und 78 Jahren ihr Sexualleben ausbreiten. 1976 erscheinen sie gebündelt zum HiteReport. Es ist ein Revolution. Frauen, die Männer als Egoisten im Bett erleben, selbst weit weniger Spaß haben und sich auch noch fast allesamt selbst befriedigen? Die Amerikaner können damals nicht fassen, was heute schon 13-Jährigen in Jugendzeitschriften erklärt wird.
Wissenschaftler hingegen bemängeln, dass nur 3000 Frauen Fragebögen zurückschickten und die Studie auch sonst methodisch fragwürdig sei. Die Kritik liege doch nur daran, dass sie eine Frau ist, sagt Hite.
Die erste Auflage des Reports lag bei 2000 Exemplaren, jetzt ist er mit über 50 Millionen ein Weltbestseller. 2004 erschien eine Neuauflage. Hite, heute 74 und vor dem Rummel nach Deutschland geflüchtet, schreibt: Was ihr Report angestoßen habe, werde in den nächsten 50 Jahren zu einer „Revolution des privaten Lebens führen“. Sarah Ritschel