Wo die XXL Shirts wehen
Was überdimensionale T-Shirts bedeuten, die derzeit an Fassaden in Wertingen hängen. Ein Appell, der viel mit Indien und auch viel mit Europa zu tun hat
Wertingen Wer dieses Wochenende durch die „Faire Stadt Wertingen“geht, sollte das mit offenen Augen tun: Überdimensionale T-Shirts hängen an verschiedenen Fassaden und weisen auf ein Ereignis hin, das genau fünf Jahre zurück liegt. Am Montag, 24. April, jährt sich ein verheerendes Unglück in Bangladesh zum fünften Mal. Die Textilfabrik Rana Plaza in der Hauptstadt von Bangladesch, Dhaka, brach zusammen und begrub 1133 Menschen unter sich. Die Katastrophe brachte unter dramatischen Umständen zum Vorschein, was lange bekannt war: Hunderte von Frauen und Kindern arbeiteten dort zu Billigstlöhnen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie bezahlten mit ihrer Arbeitkraft und ihrem Leben dafür, dass in Europa T-Shirts oder Jeans für wenige Euro verkauft werden können.
Die Hunderte von Toten und das Unglück sollen nicht vergessen werden. Und auch nicht die Tatsache, dass Billigstlöhne und Kinderarbeit in vielen Ländern noch immer an der Tagesordnung sind. Der Wertinger Weltladen hat sich deshalb einer Initiative anderer befreundeter Weltläden aus dem Iller-Lech-Gebiet angeschlossen und macht mit einer XXL-T-Shirt-Aktion auf die Problematik der Billigarbeitskräfte aufmerksam: „Wertingen gegen ausbeuterische Kinderarbeit“, benennt Kurt Göpfrich, Vorsitzender des Vereins „Solidarität für Eine Welt“, der den Weltladen betreibt, das Motto.
Die Weltladenmitarbeiter hängten deshalb am gestrigen Freitag die überdimensionalen Shirts am Amtsgerichtsgebäude in der Schulstraße und vor der Martinskirche auf. Göpfrich und Weltladen-Mitarbeiter Anton Stegmaier weisen auf die Aktualität des Themas hin: „Unmenschliche Arbeitsbedingungen müssen auch heute noch in vielen Fabriken Jugendliche und vor allem meist junge Frauen auf sich nehmen. Für einen Hungerlohn nähen sie billige Kleidung für den europäischen Markt.“Die Riesen-Shirts wurden in den vergangenen Wochen vom Nähprojekt „homeless“in Wittislingen aus gebrauchter Kleidung geschneidert. Das Projekt wird von Flüchtlingsfrauen, die in Wittislingen leben, betrieben.
Im Wertinger Weltladen werden weitere Produkte von dieser Gruppe zum Verkauf angeboten. Zudem hat der Weltladen ein ganzes Sortiment von fair gefertigten Textilien in sein Programm aufgenommen. Bunte Kinder-Shirts, farbenfrohe baumwollene Tischdecken und Handtücher gibt es dort jetzt umweltfreundlich und fair hergestellt zu fairen Preisen.
Doch das ist noch nicht alles. Die Aktion wird ab Montag ausgeweitet. Die Wertinger Schulen lassen sich etwas zum Thema einfallen. So denkt die Realschule an eine Börse, die sie zum Tausch gebrauchter Kleidung in den Klassen veranstalten will. Auch die anderen Schulen wollen sich einbringen, berichtet Anton Stegmair.
Bis Mitte Mai sollen die überdimensionalen T-Shirts in Wertingen an den Fassaden hängen, für faire Kleidung werben und an den Einsturz der Kleiderfabrik vor fünf Jahren erinnern. Es ist Zufall, dass vor fünf Jahren auch der Eine-WeltVerein in Wertingen gegründet wurde. Den Weltladen gibt es schon seit 15 Jahren. Ursprünglich hatte er sein Domizil an der Schulstraße, vor zwei Jahren siedelte er um an die Hauptstraße, wo sich ein reger Betrieb entwickelt hat. Zu den regelmäßigen Veranstaltungen gehört das „Faire Frühstück“– das nächste dieser Art wird am Samstag, 13. Mai, veranstaltet. Kostproben und Frühstückszutaten gibt es von 9 bis 12 Uhr im Weltladen und im Aufenthaltsraum der angrenzenden Firma „Drehmoment“.
Auch einen zum Thema passenden kulturellen Aspekt wird es in nächster Zeit geben. Am Donnerstag, 11. Mai kommt das Maharaj Trio aus Indien nach Wertingen und gibt um 19.30 Uhr im RathausFestsaal ein Konzert. Zusammen mit dem Kinderrechte-Spezialisten Benjamin Pütter aus Freiburg werden sie Indien nach Wertingen bringen.
Bereits im September des vergangenen Jahres berichtete Pütter in Wertingen über die unmenschliche Ausbeutung indischer Kinder in Steinbrüchen und in der Herstellung von Teppichen. Als längerfristige Hilfe beschlossen daraufhin die Stadt, der Weltladen und die Wertinger Schulen, eine Patenschaft für eine Schule im Norden Indiens zu übernehmen.
Die Patenschule wird die Schule im Dorf Jelu, im Bundesstaat Rajasthan in Nord-West Indien sein. Dort werden Kinder unterrichtet, die in einem Steinbruch arbeiten müssen. Durch das Angebot einer Schule vor Ort und der Unterstützung der Eltern ist es den Kindern möglich, eine erste Schulausbildung zu erhalten.
Das Projekt soll zunächst auf vier Jahre begrenzt unterstützt werden. Danach, so das Ziel des deutsch-indischen Trägervereins von Benjamin Pütter, soll die Schule vom indischen Staat übernommen werden. (mit steg) »Kommentar