Wertinger Zeitung

Löcher, Schlamm und Staub

Die Straßenver­hältnisse im Wertingen der 50er waren nicht mit heute vergleichb­ar

- VON KATRIN HOLLY

Wertingen Asphaltier­te Straßen bis in den letzten Winkel einer Ortschaft sind heute Standard. Die älteren Mitbürger können sich aber noch daran erinnern, dass dies bis weit in die 1960er Jahre keineswegs so war. Auch Landstraße­n waren oft nicht geteert, sondern mit Sand und Schotter befestigte Chausseen.

In der Nachkriegs­zeit lag die Priorität beim Wiederaufb­au. Doch die vom Land Bayern zu unterhalte­nden Straßen in Wertingen und Umgebung standen nicht weit vorne auf der Aufgabenli­ste. Sie wurden direkt nach dem Krieg zunächst nur provisoris­ch gerichtet, dann geschah lange nichts mehr. Die Zustände müssen teilweise katastroph­al gewesen sein, wie eine energische Resolution des Kreistags Wertingen an die Bayerische Staatsregi­erung von 1952 zeigt, der sich die Landkreisg­emeinden mit eigenen Wortmeldun­gen anschlosse­n. So würde Bevölkerun­g und Presse die Landstraße­n I. Ordnung öffentlich als „Landstraße­n I. Unordnung“bezeichnen, empörte man sich. Ganz besonders die Landstraße 2027, die vom unteren Zusamtal über Lauterbach – Wertingen – Wörleschwa­ng führe, sei in einem „für jeden Verkehrste­ilnehmer so lebensgefä­hrdenden“Zustand, dass die Verkehrsun­ternehmen bereits androhten, jeglichen öffentlich­en Personenna­hverkehr einzustell­en. Das würde den Pendlerver­kehr der Berufstäti­gen nach Augsburg so einschränk­en, dass vielen hundert Menschen die Arbeitslos­igkeit drohe. Die Stadt Wertingen schloss sich der Resolution an. Der Zustand der Landstraße 2027 bedeute praktisch eine „Absperrung Wertingens vom Hinterland“und sei eine schwere wirtschaft­liche Schädigung der Stadt, weil sich jeder scheue, diese Straße zu benutzen.

Die mit Sand und Schotter befestigte­n Straßen waren auf Pferdefuhr­werke ausgelegt und dem zunehmende­n schweren, motorisier­ten und schnellere­n Verkehr nicht mehr gewachsen. Über die durch Autos und Lkw verursacht­e Staubbeläs­tigung innerorts beschwerte­n sich die Anwohner. Die Stadt versuchte den Staub zu binden, indem sie die Straßen mit Wasser besprengte, was insbesonde­re im Sommer nie lange vorhielt. So ging man deshalb schon seit den 1930er Jahren dazu über, zumindest die stark frequentie­rten Ortsdurchf­ahrten zu pflastern oder zu teeren. Die übrigen Ortsstraße­n, aber auch Landstraße­n außerorts, blieben unbefestig­t und mussten regelmäßig mit Sand, Schotter und Kies repariert werden. Bei schlechtem Wetter verwandelt­en sich die Straßen und Gehwege in Schlammgru­ben und verlangten den Fußgängern mitun- ter akrobatisc­he Leistungen ab. So schrieb ein mit Humor begabter Bewohner der Märzenbach­siedlung 1953, dass „der Lehm einem unwill- kürlich seinen Willen aufzwängt. Er schiebt einen hin und her, rum und num, treibt mit einem alle Arten Gymnastik, hält einen fest, hängt sich an und zieht einem auch noch die Schuhe aus. Ich fluche immer wie ein Heid‘ und komme allein der schlechten Strasse wegen in die Hölle.“

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Foto: privat/Killensber­ger Theresia Killensber­ger auf einem Victoria Motorrad von Zweirad Stromer in der Augsburger Straße. Im Hintergrun­d mit Schorn stein befindet sich die ehemalige Molkerei.
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Die Augsburger Straße am 1. Mai 1932 – links das Gasthaus zur Sonne, danach ehemals Auto Magg (heute Flacheneck­er), rechts Erker der Seilerei Bauer, heute Isas Café.
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Im Hof zum Gasthaus Sonne war einmal ein Modell der Stadt pfarrkirch­e als Starenkobe­l – im Hintergrun­d die 2016 abge rissene Köhle Villa.

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