Der Wolf kommt
Er wird auch im Landkreis Dillingen erwartet. Wo Kreisjägerchef Jaumann den Tieren schon einmal ganz nahe stand
Landkreis Bei den Wölfen steht Nachwuchs an. Nach der Paarungszeit im späten Winter kommen im April und Mai nun wieder Welpen auf die Welt. Die Tiere breiten sich in Deutschland weiter aus. Es gibt rund vier Dutzend Wolfsrudel, im Ganzen etwa 500 „Stück“, wie das im Fachjargon heißt. Die meisten davon in Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen mit beachtlichen Zuwachsraten. Bald auch hier? „Bei uns tauchen sie spätestens in fünf Jahren auf, bei euch schon früher, weil einige statt von Süden aus dem Norden kommen werden“, meint der erfahrene Jäger Thomas Kroder aus dem Landkreis Augsburg mit Blick auf die Nachbarn vom Dillinger Land.
Da befindet sich der Augsburger Rechtsanwalt, der vor Kurzem für 50 Jahre Zugehörigkeit zum Landesjagdverband geehrt wurde, in guter Gesellschaft. Denn Kollege Helmut Jaumann, Vorsitzender der Kreisjägervereinigung Dillingen, schätzt: „Weniger als die fünf Jahre, und schon wird er da sein.“Seit einigen Jahren schon streifen immer wieder einsame Wölfe durch Bayern, die ein starkes Wander-Gen im Blut haben. Viele wurden überfahren oder mit Waffen getötet. Aber diese Tiere waren lediglich Einzelgänger, die keine Rudel mit sich brachten und nur auf Reviersuche waren. Das kann Jagd-, Naturschutzund Landwirtschaftsverbänden zufolge bald anders sein. Wenn sich Wölfe in naher Zukunft hier niederlassen und Familien gründen, dann „bekommen wir hier ein Riesenproblem“, befürchtet Jaumann, der eher als sachlich-ruhig denn als alarmierend gilt. „Aber wir werden ihn nicht aufhalten können“, meint der Mann, der seit über sechs Jahrzehnten auf die Pirsch geht und als Ausbilder auch den Grünrock-Nachwuchs fördert.
Im Unterricht für angehende Jäger ist der wilde Ankömmling, der mittlerweile die ganze Republik in Atem hält und in Freund-FeindKategorien spaltet, längst ein Thema. Der oberste Jagdmann im Landkreis verweist auf die komplexen Fragestellungen, die das Tier, „das ich hier nicht bräuchte“, aufweisen würde. Zumal der Wolf als streng geschütztes Geschöpf nicht bejagbar sei, und selbst wenn, dann ein schwer erfassbares Ziel darstellt: „Der tritt im Rudel auf, dann könnten wir andere nebenstehende Tiere mit verletzen – und das wollen wir Jäger nicht.“Zudem könne der Wolf, der im ausgewachsenen Zustand einem Schäferhund gleicht, verwechselt werden. Was für Gegenden in Nationalparks oder auf dem oberpfälzischen Truppenübungsplatz Grafenwöhr gelte, in denen sich bereits einige der rund vier Dutzend Wolfsrudel eingenistet haben, könne nicht auf unsere Region erweitert werden: „Unser Lebensraum ist für den Wolf ungeeignet“, attestiert Jaumann.
Die Einschätzung von Dieter Leippert, Kreisvorsitzender beim Bund Naturschutz in Bayern, fällt ähnlich aus, nur von einer anderen Warte aus betrachtet: „Der Wolf würde sich bei uns kaum pudelwohl fühlen.“Leippert („vielleicht war er ja schon längst da“) verweist auf die stark zergliederte Landschaft und vor allem die hohe Straßendichte. Das Gebiet mit Agrarwüsten sei wegen der intensiven Nutzung für scheue Wildtiere viel zu unruhig. Und selbst wenn Meister Isegrim doch Wurzeln schlagen sollte: „Was wäre daran denn so schlimm?“Der Kämpfer für den Erhalt der Natur warnt „vor allem vor Panikmache“.
Letzteres deutet auch die Stellungnahme des Landratsamtes in Dillingen an, das in diesem Fall als fachlich zuständige Stelle und Naturschutzbehörde gilt. „Es ist betrachtet für Schwaben zwar nicht ausgeschlossen, dass Wölfe im Zuge ihres Wanderverhaltens eventuell auch einmal den Landkreis durchqueren.“Ein solches Tier sei von Naturschützern und Jägern bislang allerdings nicht gesichtet worden. „Mangels konkreter Veranlassung sind ein spezieller Beauftragter und ein eigenes Wolfsmanagement für den Landkreis nach aktuellem Stand nicht vorgesehen.“Dennoch steht man in engem Kontakt zum Bayerischen Landesamt für Umwelt, das im Land von 2006 bis 2015 insgesamt zwölf Wolfsnachweise registriert hat und allein für 2016 neunmal „Wolfsbesuch“vermelden musste. Ein mehrstufiger Managementplan regelt die Zuständigkeiten, Kommunikationswege, das Monitoring und die Abwicklung von Ausgleichszahlungen, wenn Wölfe nach Bayern zuwandern.
Das Papier über den Umgang mit dem in der Literatur durchwachsen behandelten Fabeltier könnte, so die Naturschützer, dabei helfen, es nicht von vornherein als „Problem“anzusehen. So wie etwa im Fall „Bruno“, dem Braunbär, der im Sommer 2006 im Spitzingseegebiet erlegt worden war – dem ersten Auftritt in freier Wildbahn nach 170 Jahren. Wenn sich nach 150 Jahren wieder ein Wolf im Freistaat ansiedeln sollte, bringt das Jäger und Naturschützer, Landwirte und Grundbesitzer gleichzeitig auf den Plan. Eine Seite zeigt sich gar entzückt über den Zuwachs, andere sehen den Wolf lieber in der Rolle desjenigen, der die sieben Geißlein fressen will und Rotkäppchens Oma. Da sind die Nutztierhalter, die sich um ihre Bestände Sorgen machen. Der Jagdverband und Freie Wähler fordern, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken, um ihn leichter zum Abschuss freigeben zu können. Naturfreunde dagegen freuen sich, dass die Tiere, die in Deutschland lange als ausgestorben galten, zurückkehren. Weniger so eindeutig und fest stehen die Fronten jedenfalls im Landkreis. So glaubt Dieter Leippert nicht, dass „sich bei uns jemals ein Wolf niederlässt so nach dem Motto: Hier lasse ich mich nieder und gründe eine Familie“. Und Kreisjägerchef Helmut Jaumann, der beim Jagen im Brandenburgischen einmal vier jungen Wölfen ganz nah gestanden haben will, gesteht: „Bei deren Anblick hatte ich kein schlechtes Gefühl.“Alle Beteiligten müssten sich jetzt zusammensetzen und einen ehrlichen Umgang miteinander an den Tag legen.
Tipps für den Umgang mit dem Wolf:
Gehen Sie auf keinen Fall auf den Wolf zu oder versuchen Sie nicht, ihn gar zu streicheln.
Reagieren Sie nicht hektisch, sondern geben dem Tier die Möglichkeit, sich zurückzuziehen.
Vertreiben Sie ihn, indem Sie in die Hände klatschen oder laut rufen.
Melden Sie die Begegnung der Jagd, dem Förster oder der Polizei.
Lassen Sie Ihren Hund nicht frei laufen, der Wolf nimmt ihn möglicherweise als Artverwandten und damit als Bedrohung wahr.