Zerklüftetes Frankreich
Emmanuel Macron steht kurz vor dem Ziel. Doch das Schwierigste steht ihm noch bevor: ein Land zu einen, das so gespalten ist wie kaum zuvor. Macron hat kompromisslose, ja hasserfüllte Gegner, die Konfrontation suchen statt den konstruktiven Konsens. Leider bestimmt dieses Verhalten Frankreichs politische Kultur. Le Pens Anhänger lehnen Macron als schnöseligen Vertreter einer abgehobenen Elite ab; jene des Republikaners François Fillon werfen den Medien eine Schmutzkampagne vor und fühlen sich um den Sieg betrogen. Die radikale Linke wiederum brandmarkt eine schrittweise Liberalisierung der Wirtschaft, wie Macron sie plant, als indiskutablen „Neo-Liberalismus“.
Ein präziserer Blick auf die Wahlergebnisse verstärkt den Eindruck eines zerklüfteten Landes. So konnte Macron überwiegend in größeren Städten punkten, seine Wähler verfügen meistens über ein Diplom und ein komfortables Gehalt. Le Pen wiederum erhielt viele Stimmen von Arbeitern, Geringverdienern und der Landbevölkerung. Der Konservative Fillon wiederum kam besonders gut bei älteren und gut situierten Franzosen an, während der Linkspopulist JeanLuc Mélenchon sehr viele Jungwähler begeisterte.
Macron wird gut zuhören und die Sorgen ernst nehmen müssen. Das Land benötigt Reformen mit Augenmaß – nur durch einen Aufschwung der Wirtschaft kann das Selbstbewusstsein zurückkommen. Von allen Kandidaten scheint Macron am besten für diese gewaltige Aufgabe gerüstet zu sein.