Mit Rut steht erstmals eine Frau im Mittelpunkt
Wie das erste ganz eigene Musical entstand, wer die Idee dazu hatte und wie es Schritt für Schritt auf die Buttenwiesener Bühne kommt. Heute werden die Hauptrollen verteilt
Lauterbach Gerade mal zwei Seiten nimmt ihre Geschichte in der Bibel ein, vier Kapitel, ein ganz kleiner Teil des Alten Testaments. Rut – eine starke Frau, die fasziniert. Sie lebt 1100 Jahre vor Christus. Aufgeschrieben wurde ihre Geschichte 650 Jahre später, und das womöglich von einer Frau. Jedenfalls gibt es Vermutungen in diese Richtung, „weil es so liebevoll geschrieben ist“. Sieben Menschen – fünf Frauen und zwei Männer – sitzen an diesem sonnigen Tag im Garten des Lauterbacher Pfarrhofs und erzählen. Von sich, von ihren Ideen und Entwicklungen und von einem großen neuen Projekt, ihrem ersten ganz eigenen Musical. Im Herbst wird es auf die Bühne kommen. Der Chor probt bereits seit Anfang des Jahres, die Schauspieler seit einigen Wochen. Heute wird Regisseur Johannes Baur die Hauptrollen verteilen. Die Rollen für ein Stück, das sich um eine Frau, nämlich besagte Rut, dreht.
Die jungen Sängerinnen und Schauspielerinnen wollten „endlich mal etwas Weibliches“, erzählt Johannes Baur – nach Jesus, Jakob und Franziskus. „Und wir wollten was, was auf uns passt.“So entsteht die Idee, etwas ganz Eigenes zu entwickeln. Vor drei Jahren fahren sie gemeinsam zu einem Kreativwochenende nach Nördlingen, beschäftigen sich erstmals intensiv mit Rut, der Frau, die sie sich für ihr erstes eigenes Stück ausgesucht haben.
Rut verlässt gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter Naomi ihre Heimat Boas, das heutige Jordanien. Gemeinsam ziehen sie nach Bethlehem, woher Naomi stammt. Beider Männer sind gestorben. Als Witwen haben sie keinerlei Rechte, kämpfen mutig für ihre Ernährung und Gerechtigkeit. Auf dem Feld des Boas finden sie etwas zu essen. Rut fällt ihm auf, „weil sie so fleißig ist“. Die Liebe der beiden entwickelt sich zwischen den geschriebenen Zeilen. „Man kann sich vieles denken“, sagt Johannes Baur. „Im Gegensatz zum Musical.“Chorleiterin Johanna Wech macht neugierig, erzählt von klaren aktuellen Szenen und Liedern, die sie zwischen den ursprünglichen Handlungsablauf eingearbeitet haben. Armut, Ausländer, Frauenrechte – ein SchuhRapp und eine Fernsehdiskussion. „Es ist die Vielfalt, die unser Stück ausmacht“, erklärt Elisabeth Havelka. Die Grundschul- und Musiklehrerin hat das Stück mit entwickelt, ihr Mann und ihre Tochter werden erneut mit auf der Bühne stehen. Eine Vielfalt an Menschen, Ideen und Fähigkeiten zeichnet die Aktiven des Lauterbacher „Musikalpro- jekt86“aus. Die 86 steht für die Postleitzahl, das Verbreitungsgebiet aus dem Sänger, Schauspieler, Bühnenbauer, Köche (fürs Catering bei der Aufführung) und Komponisten kommen.
Werner Zuber ist einer von ihnen. Als Kirchenmusikreferent des Bistums Augsburg schreibt er immer wieder Orgel- und Chorsätze. Er freut sich, raus vor Ort zu fahren und eine ehrenamtliche Gruppe wie die in der Gemeinde Buttenwiesen zu begleiten. Ungefähr die Hälfte der Stücke stammen aus seiner musikalischen Feder, andere haben dazu Texte geschrieben. Marlies Landherr und Martina Baur beispielsweise gehören zu den Texterinnen. Wer sich von einer Szene angesprochen fühlte, stand damals in Nördlingen auf. So entstand tatsächlich ein Gemeinschaftsprojekt, dessen roten Faden Regisseur Johannes Baur stets im Blick behielt. Stolz zeigt er das frisch gedruckte Notenheft. Bisher hatte der Chor mit Kopien geprobt, die Schauspieler einführende Übungen gemacht. Mit der Rollenverteilung wird’s ab heute konkret. Noch liegen einige Monate Probezeit vor ihnen. Eine Zeit, während der Beate Kapfer gemeinsam mit ihren – zwar professionellen doch ebenfalls ehrenamtlich arbeitenden – Handwerkern eine Bühne baut. Eine Rundbühne mit vier Würfeln soll es dieses Mal sein. Regisseur Baur sagt klar, was er möchte. „Und wir sagen ihm, was möglich ist“, schmunzelt Beate Kapfer.
Mit jedem Entwicklungsschritt, von dem sie erzählen, wird ihre Freude spürbarer. Wie ein Puzzle setzt sich das Musical nach und nach zusammen. Mit seiner modernen Musik und sicher so manchem Ohrwurm bezeichnet Werner Zuber es als heutige publikumsverträgliche Form der Oper. Erst die letzten Proben kurz vor der ersten Aufführung im Herbst werden das Gesamtwerk zeigen. „Etwas Größeres als die Summe der einzelnen Teile“, weiß Johannes Baur schon heute. Obwohl Gott in dem Stück weder eine Rolle noch eine Stimme bekommt, offenbart er sich in der Geschichte von Rut. Sie weist darauf hin: „Wir alle müssen in unserem Leben und unserer persönlichen Geschichte deuten, wo Gott am Werk ist.“»Diese Woche
Aufführungstermine von Rut sowie alles weitere über das „Musicalpro jekt86“finden Sie auf deren Homepage unter www.muscalprojekt86.de.