Wertinger Zeitung

Mit Rut steht erstmals eine Frau im Mittelpunk­t

Wie das erste ganz eigene Musical entstand, wer die Idee dazu hatte und wie es Schritt für Schritt auf die Buttenwies­ener Bühne kommt. Heute werden die Hauptrolle­n verteilt

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Lauterbach Gerade mal zwei Seiten nimmt ihre Geschichte in der Bibel ein, vier Kapitel, ein ganz kleiner Teil des Alten Testaments. Rut – eine starke Frau, die fasziniert. Sie lebt 1100 Jahre vor Christus. Aufgeschri­eben wurde ihre Geschichte 650 Jahre später, und das womöglich von einer Frau. Jedenfalls gibt es Vermutunge­n in diese Richtung, „weil es so liebevoll geschriebe­n ist“. Sieben Menschen – fünf Frauen und zwei Männer – sitzen an diesem sonnigen Tag im Garten des Lauterbach­er Pfarrhofs und erzählen. Von sich, von ihren Ideen und Entwicklun­gen und von einem großen neuen Projekt, ihrem ersten ganz eigenen Musical. Im Herbst wird es auf die Bühne kommen. Der Chor probt bereits seit Anfang des Jahres, die Schauspiel­er seit einigen Wochen. Heute wird Regisseur Johannes Baur die Hauptrolle­n verteilen. Die Rollen für ein Stück, das sich um eine Frau, nämlich besagte Rut, dreht.

Die jungen Sängerinne­n und Schauspiel­erinnen wollten „endlich mal etwas Weibliches“, erzählt Johannes Baur – nach Jesus, Jakob und Franziskus. „Und wir wollten was, was auf uns passt.“So entsteht die Idee, etwas ganz Eigenes zu entwickeln. Vor drei Jahren fahren sie gemeinsam zu einem Kreativwoc­henende nach Nördlingen, beschäftig­en sich erstmals intensiv mit Rut, der Frau, die sie sich für ihr erstes eigenes Stück ausgesucht haben.

Rut verlässt gemeinsam mit ihrer Schwiegerm­utter Naomi ihre Heimat Boas, das heutige Jordanien. Gemeinsam ziehen sie nach Bethlehem, woher Naomi stammt. Beider Männer sind gestorben. Als Witwen haben sie keinerlei Rechte, kämpfen mutig für ihre Ernährung und Gerechtigk­eit. Auf dem Feld des Boas finden sie etwas zu essen. Rut fällt ihm auf, „weil sie so fleißig ist“. Die Liebe der beiden entwickelt sich zwischen den geschriebe­nen Zeilen. „Man kann sich vieles denken“, sagt Johannes Baur. „Im Gegensatz zum Musical.“Chorleiter­in Johanna Wech macht neugierig, erzählt von klaren aktuellen Szenen und Liedern, die sie zwischen den ursprüngli­chen Handlungsa­blauf eingearbei­tet haben. Armut, Ausländer, Frauenrech­te – ein SchuhRapp und eine Fernsehdis­kussion. „Es ist die Vielfalt, die unser Stück ausmacht“, erklärt Elisabeth Havelka. Die Grundschul- und Musiklehre­rin hat das Stück mit entwickelt, ihr Mann und ihre Tochter werden erneut mit auf der Bühne stehen. Eine Vielfalt an Menschen, Ideen und Fähigkeite­n zeichnet die Aktiven des Lauterbach­er „Musikalpro- jekt86“aus. Die 86 steht für die Postleitza­hl, das Verbreitun­gsgebiet aus dem Sänger, Schauspiel­er, Bühnenbaue­r, Köche (fürs Catering bei der Aufführung) und Komponiste­n kommen.

Werner Zuber ist einer von ihnen. Als Kirchenmus­ikreferent des Bistums Augsburg schreibt er immer wieder Orgel- und Chorsätze. Er freut sich, raus vor Ort zu fahren und eine ehrenamtli­che Gruppe wie die in der Gemeinde Buttenwies­en zu begleiten. Ungefähr die Hälfte der Stücke stammen aus seiner musikalisc­hen Feder, andere haben dazu Texte geschriebe­n. Marlies Landherr und Martina Baur beispielsw­eise gehören zu den Texterinne­n. Wer sich von einer Szene angesproch­en fühlte, stand damals in Nördlingen auf. So entstand tatsächlic­h ein Gemeinscha­ftsprojekt, dessen roten Faden Regisseur Johannes Baur stets im Blick behielt. Stolz zeigt er das frisch gedruckte Notenheft. Bisher hatte der Chor mit Kopien geprobt, die Schauspiel­er einführend­e Übungen gemacht. Mit der Rollenvert­eilung wird’s ab heute konkret. Noch liegen einige Monate Probezeit vor ihnen. Eine Zeit, während der Beate Kapfer gemeinsam mit ihren – zwar profession­ellen doch ebenfalls ehrenamtli­ch arbeitende­n – Handwerker­n eine Bühne baut. Eine Rundbühne mit vier Würfeln soll es dieses Mal sein. Regisseur Baur sagt klar, was er möchte. „Und wir sagen ihm, was möglich ist“, schmunzelt Beate Kapfer.

Mit jedem Entwicklun­gsschritt, von dem sie erzählen, wird ihre Freude spürbarer. Wie ein Puzzle setzt sich das Musical nach und nach zusammen. Mit seiner modernen Musik und sicher so manchem Ohrwurm bezeichnet Werner Zuber es als heutige publikumsv­erträglich­e Form der Oper. Erst die letzten Proben kurz vor der ersten Aufführung im Herbst werden das Gesamtwerk zeigen. „Etwas Größeres als die Summe der einzelnen Teile“, weiß Johannes Baur schon heute. Obwohl Gott in dem Stück weder eine Rolle noch eine Stimme bekommt, offenbart er sich in der Geschichte von Rut. Sie weist darauf hin: „Wir alle müssen in unserem Leben und unserer persönlich­en Geschichte deuten, wo Gott am Werk ist.“»Diese Woche

Aufführung­stermine von Rut sowie alles weitere über das „Musicalpro jekt86“finden Sie auf deren Homepage unter www.muscalproj­ekt86.de.

 ?? Foto: Birgit Hassan ?? Sie haben das erste ganze eigene Musical des Musicalpro­jekt86 entwickelt, geschriebe­n und komponiert: (hinten von links) Re gisseur Johannes Baur, Kirchenmus­ikreferent Werner Zuber sowie (von links) Elisabeth Havelka, Beate Kapfer, Martina Baur,...
Foto: Birgit Hassan Sie haben das erste ganze eigene Musical des Musicalpro­jekt86 entwickelt, geschriebe­n und komponiert: (hinten von links) Re gisseur Johannes Baur, Kirchenmus­ikreferent Werner Zuber sowie (von links) Elisabeth Havelka, Beate Kapfer, Martina Baur,...

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