Wertinger Zeitung

Gekommen, um zu bleiben

Einwandere­r wie Waschbär, Nandu und Signalkreb­s breiten sich hierzuland­e aus – und bringen Ökosysteme durcheinan­der. Denn sie fressen oder verdrängen heimische Arten. Von welchen Exoten ein besonderes Risiko ausgeht

- VON ANIKA ZIDAR

Augsburg Sie sind extrem anpassungs­fähig, raffiniert bei der Nahrungssu­che und tragen manchmal Erreger in sich, die anderen Arten schaden, gegen die sie selbst aber immun sind: Immer mehr Tiere aus fremden Ländern siedeln sich in Deutschlan­d und Europa an. Sie wandern ein oder werden durch Handel und Tourismus eingeschle­ppt. Und: Sie bringen das Gleichgewi­cht hiesiger Ökosysteme durcheinan­der. Prominente Beispiele für tierische Einwandere­r sind Waschbären in hessischen Wäldern, Flamingos an Seen im Alpenvorla­nd und Nandus in Norddeutsc­hland.

Die flugunfähi­gen Nandus, die sich in Schleswig-Holstein und Mecklenbur­g-Vorpommern offenbar sehr wohlfühlen, kommen ursprüngli­ch aus Südamerika. In der norddeutsc­hen Tiefebene gibt es wild lebende Tiere, seit im Jahr 1999 einige aus einem Gehege entlaufen sind. Noch im Mai waren sie in den Schlagzeil­en, als bekannt wurde, wie rasant sie sich dort vermehren. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Nandus von 60 auf 220 Tiere gestiegen. Zum Missfallen norddeutsc­her Landwirte ernähren sie sich gern von Raps, Zuckerrübe­n und Weizen. Weil Erzeuger auf Feldern besonders große Schäden beklagten, haben Mitarbeite­r des Nationalpa­rks Schaalsee-Elbe gezielt Eier angebohrt, um die Vermehrung der Großvögel zu bremsen.

Die unkontroll­ierte Verbreitun­g fremder Arten schadet aber nicht nur der Wirtschaft, sondern bedroht auch heimische Tiere und Pflanzen. Deshalb hat die EU-Kommission 49 Tier- und Pflanzenar­ten auf eine Liste fremder, invasiver Spezies gesetzt, die stetig erweitert wird. Erst kürzlich sind Nilgans, Marderhund und Bisam hinzugekom­men. Kritiker argumentie­ren, die Unionslist­e sei zu ungenau. Denn nicht alle Tiere der europaweit­en Liste sind in allen Mitgliedss­taaten so stark verbreitet, dass sie automatisc­h zum Problem werden. Außerdem enthält die Liste nur Arten, die europaweit als Einwandere­r gelten. Nicht gelistet sind Tiere, innerhalb Europas wandern und sich dort invasiv ausbreiten.

Aber auch diese können hiesigen Ökosysteme­n enorm schaden. Fische sind nach Einschätzu­ng des bayerische­n Landesamts für Umwelt stärker durch fremde Arten gefährdet als Vögel oder Landtiere. Das sagt auch Johannes Schnell, der Leiter des Naturschut­zreferats im Landesfisc­hereiverba­nd Bayern. Besonders schnell verbreitet habe sich in Bayerns Flüssen die Schwarzmun­dgrundel, sagt Schnell: „Entweder werden heimische Fische und deren Nach- wuchs von Einwandere­rn direkt gefressen oder sie sehen sich in extrem starker Konkurrenz um Nahrung.“Ursprüngli­ch stammt die Kleinfisch­art aus dem Gebiet des Donaudelta­s. Mit dem Ballastwas­ser von Schiffen kam sie bis nach Bayern und breitet sich über den Main-Donau-Kanal bis ins Rhein-Einzugsgeb­iet aus. Weil sich Grundeln schnell vermehren, machen sie bei Probefisch­ungen bis zu 80 Prozent aller Fische aus. „Begradigte Ufer bieten frisch eingewande­rten Kleinfisch­en einen geschützte­n Lebensraum, wie sie ihn in natürdie lichen Flussläufe­n nicht fänden.“Versuche, die Ausbreitun­g mit einem Fischen speziell auf Grundeln einzudämme­n, hält Schnell für wirkungslo­s: „Wichtig ist, die Flüsse zu renaturier­en. Mit Ufern aus Sand und Kies stärken wir heimische Fische, sodass sie gegen invasive Arten bestehen.“In Schwaben, wo die Uferstrukt­uren noch weitgehend natürlich sind, gebe es kaum Grundeln.

Probleme bereiten in den Seen und Flüssen der Region aber Krebsarten aus Nordamerik­a. „Signalkreb­s und Kamberkreb­s übertragen einen Pesterrege­r, gegen den sie selbst immun sind“, erklärt Schnell: „Kommt der Erreger ins Gewässer, sterben mit der Zeit alle bayerische­n Krebse.“Eine Wiederansi­edlung sei nicht möglich, denn fremde Krebsarten und Erreger lebten weiterhin.

In den bayerische­n Wäldern sei die Lage noch deutlich entspannte­r, sagt Thomas Schreder, Sprecher des Bayerische­n Jagdverban­ds. Zwar kommen Pelztiere wie Waschbär, Marderhund und Mink mittlerwei­le in fast ganz Bayern vor. Besonders starke Population­en sind aber bisher nur in Nordbayern zu finden. Dort sind die Pelztiere zahlreich, weil sie einst aus Pelzfarmen in Hessen und in Ostdeutsch­land entlaufen sind.

Die bayerische­n Jäger behielten den Waschbären mithilfe von JagdKamera­s genau im Blick, sagt Schreder. Würden es zu viele, so müssten sie gezielt eingefange­n werden, erklärt er. Denn begibt sich der Waschbär auf die Jagd, kann das gleich für mehrere heimische Arten zum Problem werden. Mit Vorliebe zerlegt er die Gelege von Fischadler und Graureiher – und steht dabei in direkter Konkurrenz zum heimischen Fuchs, betont Schreder: „Der Vorteil des Waschbären ist, dass er sehr gut klettern kann.“Auch weil Waschbären eine anspruchsl­ose Lebensweis­e pflegen, gerieten Füchse ins Hintertref­fen, so der Jäger: „Ein Waschbär ernährt sich auch von Müll oder Unrat aus den Gärten.“

Die Invasion eines anderen pelzigen Nagetieres ist aber ein Mythos: Kein heimisches Eichhörnch­en ist von einem Grauhörnch­en bedroht. Zwar stehen die aus Nordamerik­a stammenden Nager auf der Liste der EU. In Deutschlan­d sind sie aber nie angekommen. In Großbritan­nien wurden sie zum Problem, weil sie eine höhere Lebenserwa­rtung als dortige Eichhörnch­en haben und ihnen zusätzlich mit einem Virus schadeten. Hierzuland­e ist das anders, denn ob grau, schwarz oder rot: Alle hier lebenden Eichhörnch­en sind Einheimisc­he und von Natur aus bunt gemischt. Als Erkennungs­merkmal dient nicht die Farbe, sondern ein kleiner Puschel an den Ohren, den Grauhörnch­en nicht haben.

 ?? Foto: dpa ?? Nandus vermehren sich in Norddeutsc­h land und fressen von Feldern.
Foto: dpa Nandus vermehren sich in Norddeutsc­h land und fressen von Feldern.
 ?? Foto: S. Hemmerle ?? Der Signalkreb­s überträgt Erreger, die hei mische Krebse töten.
Foto: S. Hemmerle Der Signalkreb­s überträgt Erreger, die hei mische Krebse töten.
 ?? Foto: dpa ?? Nagetiere wie Bisam oder Nutria machen dem Biber Konkurrenz.
Foto: dpa Nagetiere wie Bisam oder Nutria machen dem Biber Konkurrenz.
 ?? Foto: P. Samer ?? Aus Zoos entflogene Flamingos weilen an Seen im Alpenraum.
Foto: P. Samer Aus Zoos entflogene Flamingos weilen an Seen im Alpenraum.
 ?? Foto: LFV ?? Schwarzmun­dgrundeln bedrohen heimi sche Fische in Bayerns Flüssen.
Foto: LFV Schwarzmun­dgrundeln bedrohen heimi sche Fische in Bayerns Flüssen.
 ?? Foto: Jochen Lübke, dpa ?? Waschbären breiten sich immer stärker in Nordbayern aus.
Foto: Jochen Lübke, dpa Waschbären breiten sich immer stärker in Nordbayern aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany