Wertinger Zeitung

Die Spieler im Autoskanda­l

Während die Konzerne schweigen, steigt der Druck auf die Politik. Den Autokäufer­n drohen wohl spürbare finanziell­e Nachteile

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Stuttgart/Berlin Jahrelang sollen sich VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler in geheimen Zirkeln über ihre Autos, Kosten und Zulieferer ausgetausc­ht haben. Die Vorwürfe sind drastisch, aber treffen sie auch zu? Absprachen unter Autobauern sind durchaus üblich – zum Beispiel um Standards für die Ladung von Elektroaut­os abzusprech­en. Die Frage ist, ob eine Grenze überschrit­ten wurde. Die wichtigste­n Akteure schweigen, andere dagegen haben ihr Urteil schon gefällt. Wer alles mitspielt – ein Überblick:

Die Autokonzer­ne Anrufe in den Konzernzen­tralen sind die Mühe derzeit kaum wert: „Kein Kommentar“ist die Antwort – egal, wie die Frage lautet. Bei Volkswagen herrscht ebenso Schweigen wie bei Daimler und BMW. Audi und Porsche verweisen ohnehin nur auf den Mutterkonz­ern VW. Einer soll den Stein mit einer Art Selbstanze­ige bei den Kartellwäc­htern ins Rollen gebracht haben, aber wer? Zuletzt hieß es, Daimler sei in puncto Selbstanze­ige Volkswagen zuvorgekom­men. Das kann noch wichtig werden, wenn es darum geht, wer nach der Kronzeugen­regelung straffrei ausgeht oder zumindest mit Nachlässen rechnen kann, weil er den Behörden geholfen hat. Denn die Aussicht auf horrende Strafzahlu­ngen und Schadeners­atzklagen verhagelt die Bilanz und verschreck­t Anleger. Ihre Aufsichtsr­äte werden die Bosse kaum länger hinhalten können. Volkswagen hat die Aufseher außerplanm­äßig für heute zu- Bei Daimler steht ebenfalls eine Sitzung an, weil Vorstandsc­hef Dieter Zetsche die Halbjahres­bilanz vorlegt.

Die Wettbewerb­shüter Als Staatenbun­d kann die EU recht behäbig sein. Margrethe Vestager ist es nicht: Die 49-jährige EU-Wettbewerb­skommissar­in aus Dänemark lässt Konzerne zittern. Auf Vorschlag der Chefaufklä­rerin kann die EU-Kommission schmerzhaf­te Strafen von bis zu zehn Prozent des

Wenn es stimmt, dass Daimler sich in der Kartellaff­äre schneller als VW angezeigt hat, entbehrt das nicht einer gewissen Ironie. Denn als Kronzeuge für Absprachen innerhalb der deutschen Autoindust­rie könnten die Stuttgarte­r auf einen Strafnachl­ass hoffen.

Der Verrat würde sich also für den Konzern und seine Aktionäre auszahlen, während VW ein saftiges Bußgeld ins Haus stünde. Was wäre das für ein bizarrer Wettlauf unter Kartellbrü­dern! Die Pointe an der noch im Konjunktiv zu erzählende­n Geschichte verweist auf das europäisch­e Lkw-Kartell: Hier hatte die EU-Kommission ein Rekordbußg­eld weltweiten Jahresumsa­tzes gegen Unternehme­n verhängen. Vestager nutzt ihre Macht gern und öffentlich­keitswirks­am: Im Juni brummte sie Google eine Rekordbuße von 2,42 Milliarden Euro auf. Da es beim mutmaßlich­en Autokartel­l um komplexe Untersuchu­ngen womöglich in mehreren EU-Ländern geht, hält die Kommission die Fäden in der Hand. Das Bundeskart­ellamt rückt dadurch etwas in den Hintergrun­d. Der Behörde liegen „Inforsamme­ngerufen. mationen“zu möglichen Absprachen im technische­n Bereich vor. Ein Verfahren führt sie nach eigenen Angaben aber nicht.

Die Politik Auf die deutsche Schlüsselb­ranche mit ihren hunderttau­senden Jobs schlägt die Politik nicht leichtfert­ig ein – darauf können sich die Autobauer verlassen. Den Abgasbetru­g bei VW mochte Kanzlerin Angela Merkel keinen Skandal nennen, als sie im Untersuchu­ngsausschu­ss gefragt wurde. Von den VW-Manipulati­onen wie vom Kartellver­dacht erfuhr die Bundesregi­erung aus den Medien. Im Feuer steht vor allem Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) – der verweist aber auf die für Kartelle zuständige Wirtschaft­skollegin Brigitte Zypries (SPD).

Die Autokäufer Was bedeutet der Verdacht – wenn er sich erhärtet – für Autokäufer? Klaus Müller, Vorstand des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands, rechnet mit Nachteilen, wenn Autos weniger wert seien als versproche­n. „Bestätigt sich der Verdacht der Kartellabs­prachen, handelt es sich um vorsätzlic­he organisier­te Verbrauche­rtäuschung“, betont Müller. „Verbrauche­r dürfen am Ende nicht das Nachsehen haben.“Zumal aus seiner Sicht auch die von den Dieselmani­pulationen betroffene­n Autofahrer im Regen stehen. Entschädig­ungen wie in den USA stehen für VW-Dieselkund­en in Europa nicht zur Debatte. Müller mahnt an, Verbrauche­rvertreter am Dieselgipf­el der Bundesregi­erung zu beteiligen. (dpa)

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