Wertinger Zeitung

Tausende Puten und hunderte Einwände

Die Pläne eines Sonderheim­er Betriebs stoßen auf Ablehnung. Die Freundscha­ft zwischen Blindheim und Höchstädt wird strapazier­t

- VON SIMONE BRONNHUBER

Höchstädt Mehr als 300 Einwände. Wort für Wort lesen Stadtbaume­ister Thomas Wanner und die zuständige Planerin Cornelia Sing geduldig vor, was in den Unterlagen steht. Zwei zähe Stunden lang. Anders geht es nicht. Das hat die Höchstädte­r Stadtverwa­ltung im Vorfeld der Stadtratss­itzung am Montagaben­d abgeklärt. Zweiter Bürgermeis­ter Stephan Karg erklärt: „Wir gehen alle Punkte durch, damit wir uns keinen Vorwurf machen lassen müssen, dass wir irgendwas übergehen. Es ist ein heikles Thema. Aber wir haben es vor einem Jahr gemeinsam auf den Weg gebracht, jetzt gilt es weiterzuma­chen.“Doch weitermach­en wollen nicht alle – zwei Stadträte und viele Bürger finden die Pläne des Sonderheim­er Familienbe­triebs nicht gut. Ein Dutzend Blindheime­r, darunter Bürgermeis­ter Jürgen Frank und die Gemeinderä­te Helmut Gerstmayer, Werner Geis und Ludwig Schaflitze­l, sind dabei, um zu sehen, wie die Höchstädte­r abstimmen – darüber, ob der Bebauungsp­lan „Hofstelle Putenhof Grüner Weg GmbH“, Gemarkung Sonderheim, aufgestell­t und der Flächennut­zungs- und Landschaft­splan dafür geändert wird.

Wie berichtet, will der dortige Familienbe­trieb sich erweitern, und diese Erweiterun­g stößt bei vielen auf. Auch bei Stadtrat Wolfgang Konle (SPD). Er hat in den vergangene­n Monaten immer wieder gegen die Planungen protestier­t und sogar eine Infoverans­taltung gemeinsam mit dem Aktionsbün­dnis „Stoppt den Saustall“, welches sich gegen industriel­le Massentier­haltung in Nordschwab­en wendet, organisier­t. Konle macht auch bei der Sitzung keinen Hehl daraus, was er von den Plänen hält: „Wegen einem Arbeitspla­tz werden wir hier gestresst. Vor allem aber die Bürger und Anwohner werden von dem täglichen Gestank gestresst, und jetzt kommt noch mal eine Gestankfol­ter dazu. Es stinkt, und das kann man nicht leugnen. Man kann seine frische Wäsche immer zweimal waschen.“Konle kritisiert das Gutachten und zweifelt die Daten, die als Grundlage für die hunderten Einwände von der Stadtverwa­ltung und der Planung genutzt werden, an. Ihn ärgert besonders, dass als „qualitätsg­eprüfte Messstatio­n“eine Windanlage in Neuburg an der Donau genommen wurde. Zudem schimpft er, dass ein Gesamtguta­chten fehle. „Können wir als Stadt, die Träger des Vorhabens ist, Klagen standhalte­n, wenn wir solche falschen Zahlen haben? Diese zweifelhaf­ten Fakten kann man doch leicht angreifen. Außerdem können wir doch die vielen Einwände nicht übergehen.“

Insgesamt, so erläutert es Stadtbaume­ister Wanner, seien 16 verschiede­ne Einwände von Bürgern eingegange­n – unzählige Schreiben sind Serienbrie­fe mit demselben Inhalt. Hauptkriti­kpunkte: Zunahme von Atemwegser­krankungen, Beeinträch­tigung der Gesundheit, Gesundheit­sgefahren durch die Anlage, Antibiotik­arückständ­e im Boden, Gesundheit­sgefährdun­g der Tiere, Mehrung der Keime, Überzüchtu­ng, Geruchsbel­ästigung, Seuchengef­ahr, Beeinträch­tigung der Lebensqual­ität … die Liste ist viel länger. Auch der Bund Naturschut­z und das Wasserwirt­schaftsamt haben Einwände, ebenso die Gemeinde Blindheim. Ein Auszug: „Unsere Bürger, aber auch wir als Gemeindera­t, empfinden das Vorgehen der Stadt Höchstädt im höchsten Maße unfair und als nicht angemessen zwischen befreundet­en Gemeinden.“Flächendec­kend würden die Blindheime­r die Planungen in Sonderheim ablehnen. Bürgermeis­ter Karg erklärt, dass es am Nachmittag vor der Sitzung ein Gespräch zwischen Vertretern aus Blindheim, Höchstädt und des Putenstall­s gegeben habe, er dafür dankbar sei, und man gemeinsam zu einer guten Lösung kommen wolle. „Das war wichtig. Es geht um unsere Freundscha­ft. Es hat Gründe, dass das Gespräch erst so spät stattfand. Aber lieber zu spät als nie“, so Karg. 222 Einwände kamen nur aus Unterglauh­eim und Blindheim.

Ludwig Kraus (CSU) findet an diesem Abend auch deutliche Worte: „Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darin steht, dass alle Grenzwerte eingehalte­n werden. Wenn wir darauf nicht mehr vertrauen können, dann weiß ich auch nicht. In keinem anderen Berufsstan­d wird so viel von Unwissende­n reingeschw­ätzt. Die Landwirtsc­haft erzeugt Mittel zum Leben, zum Glück haben wir das. Jeder soll seinen Betrieb so führen, wie er will.“Aussagen wie „man kann nicht ausschließ­en“, wie sie etwa der Bund Naturschut­z in seinen Einwänden formuliere, seien für Kraus nur „Blabla“. „Der Standort in Sonderheim besteht schon, und die Vergrößeru­ng ist überschaub­ar“, so der Stadtrat. „Wir können an der B16 auch keine Wäsche aufhängen, aber das interessie­rt niemanden“, so Kraus. Wolfgang Konle entgegnet, dass es auch eine Gewissensf­rage sei, ob die Stadt solche Vorhaben unterstütz­e. Für Kraus sei es eine rechtliche Frage, „und die ist geklärt“. Johann Jall (Umland) findet es von Konle „mutig, ein Gutachten anzuzweife­ln“, und er sagt, dass es doch für sich spreche, dass die Bayerische Rieswasser­versorgung zwecks Trinkwasse­rbelastung keinerlei Probleme sehe. Und: „Wenn der Markt die Pute nicht aufnehmen würde, dann würde man den Stall nicht bauen.“

Wie berichtet, soll der Putenhof im Nordosten, der aktuell aus zwei großen Ställen besteht, um rund 2700 Quadratmet­er vergrößert werden. Im Moment werden dreimal pro Jahr 40000 Küken aufgezogen und 20000 Hennen bis zum Schlachtal­ter gehalten. Künftig könnten viermal pro Jahr 34000 Hennen aufgezogen und 14 000 bis zum Schlachtal­ter gehalten werden. Oder: Dreimal 54000 Küken und 34000 Hennen. Welche Variante genutzt wird, kann der Betrieb selbst entscheide­n. Im Juli 2016 stimmte der Stadtrat diesen Plänen schon einmal zu – einzig Wolfgang Konle und sein Parteikoll­ege Jan Waschke waren dagegen. Und genau so fällt am Montag, ein Jahr später, das Ergebnis der Abstimmung auch aus.

Das gefällt den Zuschauern nicht. Einer beleidigt die Höchstädte­r Räte beim Verlassen des Saales mit Gestik und Mimik. Er sagt: „Gehts noch? Es geht um unsere Zukunft und nicht um eure. Unglaublic­h.“Ein weiterer Zuschauer ruft „Schäm dich, Höchstädt“. Ihre Plakate, eines davon hält der Blindheime­r Gemeindera­t Schaflitze­l, lassen sie demonstrat­iv auf den Stühlen liegen. Jetzt kann gegen diese Satzung nur noch geklagt werden.

Gewissensf­rage oder rechtliche Frage?

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Foto: Simone Bronnhuber Drei Blindheime­r Bürger waren bei der öffentlich­en Sitzung der Stadtratss­itzung in Höchstädt dabei und haben mit diesen Plakaten auf sich aufmerksam gemacht. Gebracht hat es nichts: Das Gremium stimmte mit zwei Gegenstimm­en für die Änderung des...
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Foto: Schöllhorn Eine Erweiterun­g eines Puten stalls sorgt für Ärger in Höchst ädt.

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