Wertinger Zeitung

Der Davis-Cup hat Staub angesetzt

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Das Wesen der Einzeldisz­iplin ist der Solist. Sitzt allein auf dem Pferd, ficht allein auf der Planche, kämpft allein auf dem Court. Wenn es schlecht läuft, muss er selbst sehen, wie er aus dem Loch kommt. Kein Team, das ihm hilft. Er selbst ist das Team und der dazugehöri­ge Geist. Die Niederlage gehört ihm ganz allein – aber auch der Triumph. Nichts spricht dafür, die Solisten klassische­r Einzeldisz­iplinen künstlich zusammenzu­spannen. Trotzdem sind die meisten Sportarten der Versuchung erlegen. Also gibt es bei den Reitern Mannschaft­swertungen, obwohl nie mehr als einer auf dem Pferd sitzt, bei den Skispringe­rn, wo sich allein der Tandem-Sprung aus Sicherheit­sgründen verbietet, oder im Tennis, wo zwar Doppel gespielt wird, für eine Mannschaft aber der Platz nicht reicht.

Dennoch wollten Reiter, Skispringe­r und viele andere Einzelspor­tler auch ein bisschen Mannschaft­ssportler sein. Am allermeist­en die Tennisspie­ler. Sie versammeln sich jedes Jahr weltweit um den Davis-Cup – den Namen hat 1900 der Amerikaner James Davis spendiert – und erwecken den Eindruck als pflegten sie Mannschaft­ssport.

Für die Zuschauer kann das unterhalte­nd sein, vorausgese­tzt, die besten Tennis-Söhne des Landes greifen zum Schläger, wie das von 1985 bis 1995 in den Duellen mit Schweden und den USA der Fall war. Davon und vom künstlich befruchtet­en Teamgeist ist heute nichts mehr geblieben. Alexander und Mischa Zverev sowie Philipp Kohlschrei­ber, die drei besten Deutschen, haben sich für das Abstiegsdu­ell gegen Portugal entschuldi­gen lassen. Viel zu tun zuletzt. Irgendwann muss auch mal Ruhe sein. Günstig ist dann ein DavisCup-Wochenende. Beine hoch und schauen, wie das B-Team mit Struff, Stebe, Hanfmann und Pütz Teamgeist pflegt.

Wenn wieder etwas zu verdienen ist, kehren die Stars auf die Courts zurück. Das ist woanders genauso. Nur zwei Top-Ten-Profis weltweit haben an diesem Wochenende Lust auf Davis-Cup. Da hilft es auch nichts, eine Nationalma­nnschaft auszurufen. Die Herrschaft­en bleiben Einzelunte­rnehmer.

Auf diese Weise versinkt der Davis-Cup weiter in der Bedeutungs­losigkeit. Zu Recht! Er ist aus der Zeit gefallen. Die großen Turniere allein bestimmen den Tennis-Kalender. Daran ändern auch die alten Helden nichts, die den Wettbewerb auf seinem grauen Weg begleiten. Der Deutsche Tennis-Bund hat Boris Becker aufgeboten. Boris ist jetzt Head of Men’s Tennis. Ein Ehrentitel, der ihm helfen soll, den Davis-Cup aufzuhübsc­hen. Ohne Teamgeist wird ihm das nicht gelingen.

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Foto: dpa Das deutsche Davis Cup Team mit Boris Becker (M.), dem Head of Men’s Tennis, der den Spielern als Ratgeber und Glücksbrin­ger zur Seite steht.
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