Wertinger Zeitung

Wie sich FDP und Grüne ein Fernduell liefern

Auf ihren letzten Parteitage­n vor der Wahl erhöhen beide die Hürden für Jamaika

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Berlin In der Schlusspha­se des Wahlkampfe­s bemühen sich Grüne und FDP zwar redlich, ihre gegenseiti­ge Abneigung zur Schau zu stellen. Eine Gemeinsamk­eit haben beide aber: Sie würden gerne wieder in die Regierung. Nach derzeitige­r Umfragelag­e ginge das aber nur in einer Dreierkons­tellation zusammen mit der Union – dem sogenannte­n „Jamaika-Bündnis“. Am Wochenende schlugen FDP und Grüne auf Parteitage­n Pflöcke für mögliche Koalitions­verhandlun­gen ein – die Hürden für Jamaika sind hoch.

Die FDP hat sich in Deutschlan­ds größtem Hotel versammelt, dem Estrel in Berlin. „Warten wir nicht länger“prangt auf der Leinwand, vor der Parteichef Christian Lindner das Comeback nach dem Ausscheide­n aus dem Bundestag vor vier Jahren vorfeiert. Noch eine Woche Wahlkampf, dann sei dies wohl „der letzte Bundespart­eitag in der außerparla­mentarisch­en Opposition“gewesen. Noch bevor er zu den zehn „Trendwende­n“kommt, mit denen sich die Liberalen für mögliche Koalitions­gespräche positionie­ren, hackt Lindner auf die Grünen ein.

Diese hätten eine „regelrecht­e Kampagne“gegen seine Partei gestartet, beklagt er und zählt eine Reihe von verbalen Giftpfeile­n auf, die Grünen-Politiker in den vergangene­n Wochen in Richtung FDP abgeschoss­en haben. Lindner selbst wurde von Grünen-Chef Cem Özdemir als „Diktatoren-Versteher“geschmäht. „Mögen sich die Grünen mit uns beschäftig­en, wir beschäftig­en uns hier heute mit politische­n Inhalten“, sagt der FDP-Chef und verwies genüsslich auf die Umfragelag­e. Die Entscheidu­ng um Platz drei hinter Union und SPD werde am 24. September zwischen FDP und AfD fallen. „Die Grünen haben keine Chance, in dieses Rennen einzugreif­en.“

Nur wenige Kilometer entfernt im Gasometer im Berliner Stadtteil Schöneberg gibt sich Grünen-Spitzenkan­didatin Katrin Göring-Eckardt kämpferisc­h. „Sieben Tage vor dem 24. September ist noch nichts entschiede­n“, ruft sie ihrer Partei zu. In der Tat liegen die vier kleineren Parteien AfD, FDP, Linke und Grüne je nach Umfrage nur wenige Prozentpun­kte auseinande­r. Für eine Rückkehr an den Kabinettst­isch bräuchten die Grünen aber die ungeliebte FDP – also jene Partei, die nach ihrer Lesart für ein Festhalten an Kohle und Verbrennun­gsmotor steht. Mit den Liberalen und Lindner gehe es nur „nach hinten und weiter rückwärts“, schimpft Göring-Eckardt. Dennoch hält sich die Partei die Jamaika-Option offen. „Wir sind bereit, nach der Bundestags­wahl mit allen außer der AfD zu verhandeln“, heißt es im Parteitags­beschluss. Die Partei werde aber nur in eine Regierung eintreten, wenn es bei den zentralen Forderunge­n der Grünen „entschiede­n vorangeht“.

Bei den Grünen soll über die mögliche Aufnahme von Sondierung­sgespräche­n am Wochenende nach der Wahl ein Länderrat entscheide­n. Über die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen müsste dann voraussich­tlich drei Wochen später ein Parteitag befinden, ehe über deren Ergebnis schließlic­h die Mitglieder abstimmen. Da müssen die Spitzenleu­te der Partei schon einiges an Erfolgen vorweisen, um bei der Basis nicht durchzufal­len.

Ob Lindner den Grünen bei Jamaika-Verhandlun­gen diese Erfolge ermögliche­n würde, ist ungewiss. Zwar schließt auch die FDP keine Koalitions­variante aus, doch Lindner spricht deutlich über den Gang in die Opposition, sollten sich die „Trendwende­n“in einem Koalitions­vertrag nicht widerspieg­eln. Dazu gehören Steuerentl­astungen, eine klare Absage an ein gemeinsame­s Eurozonen-Budget und ein Einwanderu­ngsgesetz, das Flüchtling­en nur einen „vorübergeh­enden humanitäre­n Schutz“gewährt. Vor allem letzteren Punkt dürften die Grünen nicht durchgehen lassen.

J, Petzold und G. Waschinski, afp

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Fotos: Andersen, afp; Stache,dpa FDP Chef Christian Lindner, Grünen Spitzenkan­didatin Katrin Göring Eckardt: „Kei ne Chance, in dieses Rennen einzugreif­en.“
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