Kurdenfest empört die Türkei
Deutscher Botschafter in Ankara einbestellt
Istanbul/Köln Neue Spannungen im ohnehin schon extrem gereizten deutsch-türkischen Verhältnis: Aus Protest gegen ein kurdisches Kulturfestival in Köln hat Ankara am Samstag den deutschen Botschafter ins Außenministerium zitiert. Bei der Veranstaltung sei „Terrorpropaganda“betrieben worden, kritisierte das Ministerium. An dem Kulturfestival nahmen am Samstag nach internen Zahlen der Polizei rund 14000 Menschen teil. Gefordert wurde unter anderem die Freilassung des zu lebenslanger Haft verurteilten Anführers der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan.
Organisator des Festes war der Verein NAV-DEM (Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurdinnen in Deutschland), der laut Bundesamt für Verfassungsschutz der PKK nahesteht. Die halbe Rückwand der Bühne war von einem Öcalan-Foto bedeckt, zahlreiche Demonstranten trugen Fahnen mit seinem Konterfei. Die PKK ist in Deutschland seit 1993 als Terrororganisation verboten. Seit kurzem ist zudem das öffentliche Zeigen von Öcalan-Porträts untersagt.
Die Bundesregierung reagierte nicht auf die Vorwürfe aus Ankara. Kanzlerin Angela Merkel nannte es in einem Interview jedoch empörend, dass elf deutsche Staatsbürger aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert seien. „Wir werden unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei weiter zurückfahren müssen und Projekte auf den Prüfstand stellen“, sagte die CDU-Chefin. Deutschland ist mit China wichtigster Wirtschaftspartner der Türkei. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz schloss eine Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens zwischen der Türkei und der EU nicht aus. (dpa)
In ihrer verzweifelten Suche nach einem zündenden WahlkampfSlogan hat die SPD auf den letzten Metern ein Thema entdeckt, das die Deutschen erfahrungsgemäß in besonderem Maße umtreibt. Es ist die Angst, nach Jahrzehnten des Friedens unmittelbar in einen kriegerischen Konflikt verwickelt zu werden. Kanzlerkandidat Martin Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel zeichnen in Reden das Bild einer Kanzlerin, die sich „dem Aufrüstungsdiktat Trumps“(Schulz) beuge und den „irren Beschluss“(Gabriel) der Nato vollziehe, die Verteidigungsausgaben Deutschlands bis zum Jahre 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.
Deutschland jedoch müsse, wie Gabriel im Bundestag erklärte, „die Stimme der Abrüstung“sein, statt sich am Beginn eines „unheilvollen Wettrüstens“(SPD-Fraktionschef Oppermann) zu beteiligen und an der Aufrüstungsspirale zu drehen. Die 30 Milliarden Euro, die zusätzlich für die Bundeswehr aufgebracht werden sollen, würden dringend für andere und sinnvollere Aufgaben benötigt. Stattdessen wolle die Kanzlerin die Bundeswehr zur mit Abstand größten, die Nachbarn beunruhigenden Armee Europas machen.
Die Attacken auf Angela Merkel sind gewürzt mit einer Prise Antiamerikanismus und ein bisschen Trump-Bashing – beides kommt, wie die Wahlkampfstrategen der SPD vermuten, gut an. Der irrlichternde US-Präsident, der seinen Nato-Kollegen im Mai eine ruppige Standpauke gehalten und indirekt damit gedroht hat, ihnen den Schutz der USA zu entziehen, bietet ja tatsächlich eine prächtige Angriffsfläche. Die Stilisierung Merkels zur willfährigen Helferin Trumps ist allerdings rein taktischem Kalkül geschuldet. Wobei in schöner Regelmäßigkeit das Wort „Unterwerfung“fällt – eine Vokabel, die besonders eindringlich wirkt und interessanterweise nie im Zusammenhang mit dem Verhältnis zum russischen Präsidenten Putin benutzt wird.
Was ist dran an den schweren Vorwürfen, Merkel exekutiere willenlos die Forderung Trumps, den deutschen Verteidigungsetat von derzeit knapp 38 Milliarden (das entspricht 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) auf rund 70 Milliarden aufzustocken? Zu den Fakten:
Erstens: Der umstrittene NatoBeschluss vom Mai 2014, der unter dem Eindruck der Ukraine-Krise insbesondere auf Drängen des Trump-Vorgängers und Friedensnobelpreisträgers Barack Obama zustande kam, erfolgte mit der Zustimmung der schwarz-roten Bundesregierung und mit dem Segen der SPD und ihres damaligen Außenministers Steinmeier. Die SPD war in alle Beschlüsse eingebunden und hat auch das „Weißbuch“der Bundeswehr, in dem das ZweiProzent-Ziel bekräftigt wird, unterschrieben.
Zweitens: Im Nato-Beschluss heißt es, die Staaten sollten sich dem Zwei-Prozent-Ziel bis 2024 „annähern“. Im Moment erfüllen nur fünf der 28 Nato-Staaten das einvernehmlich angepeilte Soll. Angela Merkel spricht von einer „maßvollen Erhöhung“des deutschen Etats. 2017 war es ein Plus von acht Prozent. In der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung steigt der Verteidigungshaushalt nur geringfügig an. Im Lichte dieser Zahlen findet es CDU/CSU-Fraktionschef Kauder geradezu „schäbig, von Aufrüstung zu reden“.
Drittens: Auch die SPD erkennt den erhöhten Bedarf an. Schulz spricht von drei bis fünf Milliarden Euro, die zusätzlich für eine bessere Ausrüstung und mehr Personal nötig seien. Wer die Soldaten in Auslandseinsätze schickt, muss sie auch mit dem nötigen Gerät ausstatten.