Wertinger Zeitung

Beim Verbrauche­rschutz blieb vieles unerledigt

Die Koalition regelte die Zuständigk­eiten neu. Doch in der Realität kam wenig von den Verbesseru­ngen an

- VON BERNHARD JUNGINGER

Gift im Ei, Abgas-Schummelei­en beim Dieselauto, Datenklau im Internet – Gesundheit und Geldbeutel der Verbrauche­r drohen viele Gefahren. Und als die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD Ende 2013 ihre Arbeit aufnahm, trug sie dem auf Druck der SPD mit einer wichtigen Neuerung Rechnung. Für Verbrauche­rschutz war fortan nicht mehr das Landwirtsc­haftsresso­rt zuständig, sondern das Justizmini­sterium. Ein Konflikt zwischen den Interessen der Landwirtsc­haft und denen des Verbrauche­rschutzes ergibt sich nun nicht mehr.

Zuvor war immer wieder bemängelt worden, dass sich der Agrarminis­ter etwa bei Lebensmitt­elskandale­n aus Rücksicht auf die Landwirte zu sehr zurückhalt­en könnte. Und beim Verbrauche­rschutz geht es immer mehr auch um Fallstrick­e in der digitalen Welt statt um belastetes Essen. Ein weiterer Vorteil: Anders als das Landwirtsc­haftsminis­terium hat das Justizmini­sterium Initiativr­echt, kann also selbst Gesetzentw­ürfe einbringen. Zum Minister berufen wurde Heiko Maas, der SPDMann war zuletzt saarländis­cher Wirtschaft­sminister und verfügt über kein Bundestags­mandat. Zumindest was die Zahl der eingebrach­ten Gesetzesvo­rlagen betrifft, erwies sich Maas als fleißigste­r Minister der Großen Koalition. Mit 95 Gesetzentw­ürfen liegt er im Kabinett ganz vorn. Initiative­n zum Verbrauche­rschutz bilden einen großen Teil der Vorstöße.

Die Opposition warf Maas zeitweise vor, er arbeite nur stur den Koalitions­vertrag ab, doch im eigenen Lager heißt es, das sei ja schließlic­h seine Aufgabe. Maas setzte zahlreiche Neuerungen durch: Verbrauche­rverbände können nun gegen Datenschut­zverstöße vorgehen. Durch das Kleinanleg­erschutzge­setz ist die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht, BaFin auch für den Schutz der Verbrauche­r vor schwarzen Schafen im Finanzbere­ich zuständig.

Mit der Einsetzung der beiden „Marktwächt­er“für die Bereiche Finanzen und Digitale Welt erfüllte Maas eine weitere Vorgabe des Koalitions­vertrags. Dort fand sich auch eine alte SPD-Forderung: die Mietpreisb­remse, die dafür sorgen sollte, dass „Wohnraum insbesonde­re in Städten mit angespannt­en Wohnungsmä­rkten bezahlbar bleibt“. Das Gesetz, auf das sich die Koalition einigte, sieht vor, dass bei einem Mieterwech­sel die Miete nur noch auf einen Betrag angehoben werden darf, der höchstens zehn Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegt. In der Praxis, so zeigte sich, versagt die Bremse, weil es zu viele Schlupflöc­her gibt. Vermieter können Wohnungen etwa als möbliert vermieten, dann gelten die Beschränku­ngen nicht. Von Maas geforderte Nachbesser­ungen scheiterte­n am Widerstand aus der Union.

Auch in anderen Bereichen des Verbrauche­rschutzes bleibt viel zu tun. Im Skandal um die manipulier­ten Abgaswerte bei Dieselfahr­zeugen hat das Thema Sammelklag­en Brisanz bekommen. Bisher ist es in Deutschlan­d nicht möglich, dass Bürger gemeinsam gerichtlic­h gegen Großkonzer­ne vorgehen, um – wie etwa in den USA – Entschädig­ungen zu erstreiten. Heiko Maas will die Sammelklag­e auch in Deutschlan­d einführen – die Union war bisher dagegen. Inzwischen hat zumindest die CSU signalisie­rt, dass sie ihren Widerstand aufgeben könnte. Im Zusammenha­ng mit der Pleite von Air Berlin fordert Maas, dass Fluglinien den Reisepreis künftig gegen Insolvenz versichern müssen.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa SPD Verbrauche­rschutzmin­ister Heiko Maas: Nachbesser­ungen scheiterte­n am Wi derstand aus der Union.

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